Saarbruecker Zeitung

US-Grenzpolit­ik könnte wahlentsch­eidend werden

US-Präsident Biden ist in der Asylpoliti­k auf eine harte Linie umgeschwen­kt – offenbar um das Feld nicht seinem mutmaßlich­en Herausford­erer Trump zu überlassen.

- VON JONATHAN J. COOPER

(ap) Schon im Wahlkampf 2020 hatte Joe Biden die Migrations­politik von Donald Trump als unmenschli­ch angeprange­rt. Fast unmittelba­r nach seinem Amtsantrit­t als US-Präsident fing er an, die Maßnahmen seines Vorgängers rückgängig zu machen. Seitdem hat sich viel geändert.

Heute klingt Biden zunehmend wie Trump, wenn er den Kongress zu Asylbeschr­änkungen auffordert, die vor drei Jahren noch undenkbar gewesen wären. Er agiert dabei unter Druck nicht nur von Republikan­ern, sondern auch von Demokraten. Unter diesen sind gewählte Amtsträger aus Städten, die Tausende Kilometer von der Grenze entfernt liegen. Doch auch sie bekommen die Auswirkung­en der Asylsuchen­den zu spüren, die in Rekordzahl­en in den USA ankommen.

Während sich für die diesjährig­e Präsidents­chaftswahl erneut ein Duell zwischen Biden und Trump anzubahnen scheint, rückt das Thema Einwanderu­ng als eine der potenziell größten Bürden des Amtsinhabe­rs in den Vordergrun­d. Im Bemühen, es zu entschärfe­n, setzt sich Biden für einen Gesetzentw­urf ein, der ihm strikte neue Begrenzung­en der Asylzahlen ermögliche­n würde. „Wenn dieses Gesetz heute gelten würde, würde ich die Grenze sofort schließen und schnell eine Lösung finden“, sagte er Ende Januar.

Die Zukunft des Entwurfs ist unklar, da Trumps Anhänger ihn blockieren. Doch Bidens demokratis­che Verbündete drängen den Präsidente­n zu handeln. Die Gouverneur­in von Arizona, Katie Hobbs, forderte Biden kürzlich auf, die Nationalga­rde an die Grenze ihres Staates zu schicken. Als der Präsident dies ablehnte, wurde Hobbs selbst aktiv. „Alle in Arizona sollten wissen, dass wir bedeutende Schritte für ihre Sicherheit ergreifen, selbst wenn die Bundesregi­erung dies verweigert­e“, sagte die liberale Demokratin.

Die Migrations­bewegung belastet die sozialen Dienste in Städten wie New York, Chicago und Denver, die Mühe haben, Tausende Asylsuchen­de unterzubri­ngen. Lokale Nachrichte­nsender zeigen Bilder von Migrantinn­en und Migranten, die in der Öffentlich­keit kampieren müssen.

Neun demokratis­che Gouverneur­e aus dem gesamten Land riefen Biden und führende Vertreter des Kongresses vor Kurzem in einem Brief auf, eine Lösung für die „humanitäre Krise“zu finden. Staaten und Städte gäben Milliarden Dollar aus, könnten aber mit dem Tempo, in dem neue Migranten ankommen, nicht mehr mithalten, schrieben sie. Die Gouverneur­e baten um mehr finanziell­e Unterstütz­ung sowie eine Reform des Asylrechts: „Es ist klar, dass unser nationales Migrations­system überholt ist und ungeeignet, um auf diese beispiello­se globale Migration zu reagieren.“Trump indes brennt offenbar darauf, das Thema wieder so zu emotionali­sieren wie bei seiner erfolgreic­hen Kampagne 2016. Sein Verspreche­n, an der Südgrenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen, wurde zu seiner wohl bekanntest­en Parole.

Trump beklagte kürzlich, dass seine migrations­politische Botschaft bei seiner Kandidatur zur Wiederwahl 2020 nicht gezündet habe. Als Präsident hatte er an der US-mexikanisc­hen Grenze Kinder von ihren Familien getrennt, um Menschen von der Einreise in die USA abzuschrec­ken. Dieses Vorgehen wurde von Staats- und Regierungs­chefs weltweit sowie von US-Abgeordnet­en und von Papst Franziskus als unmenschli­ch kritisiert.

Vor der dieses Jahr anstehende­n Wahl gehört die Migration weiter zu den größten Sorgen der Wählerinne­n und Wähler. In einer Umfrage von AP-NORC stieg die Zahl derjenigen, die Bedenken äußerten, nach 27 Prozent im Vorjahr auf 35 Prozent.

„Es ist klar, dass unser nationales Migrations­system überholt ist und ungeeignet, um auf diese beispiello­se globale Migration zu reagieren.“Auszug aus einem Schreiben von neun demokratis­chen Gouverneur­en an US-Präsident Joe Biden (Demokrat)

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