Was die Ampel-Koalition für die Wirtschaft machen will
Sondervermögen, Solidaritätszuschlag, Dynamisierungspaket, Staatsfonds – in der Ampelregierung sprudeln die Ideen zur Entlastung von Firmen.
Angetrieben durch unterschiedliche Vorschläge von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nimmt die Debatte über Entlastungen von Unternehmen weiter an Fahrt auf. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz brachte einen Staatsfonds ins Gespräch, um mehr investieren zu können. Sie halte es für wichtig, neue Wege zu prüfen, die zwischen Steuern erhöhen und Schulden machen lägen, sagte sie am Montag.
Habeck hatte am Donnerstag im Bundestag ein Sondervermögen ins Spiel gebracht, um strukturelle Probleme zu lösen. Er nannte etwa die Möglichkeit, Steuergutschriften und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen.
Lindner lehnte ein Sondervermögen ab, es bedeute neue Schulden. Zugleich signalisierte er, dass er offen für die Debatte sei – und machte seinerseits Vorschläge, wenn auch völlig anderer Art. Im ARD-„Bericht aus Berlin“sagte der FDP-Politiker am Sonntagabend: „Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen. Das hätten wir das auch anders miteinander besprechen können. Jetzt ist diese Debatte aber da. Und jetzt machen wir was Konstruktives draus.“Wenn der Wirtschafts- und der Finanzminister meinten, es müsse sich etwas an der Wirtschaftspolitik ändern, „dann muss das jetzt konkrete Konsequenzen für die Bundesregierung und für die Koalition haben“, machte Lindner deutlich.
Der Finanzminister sprach allerdings anders als Habeck von einem „Dynamisierungspaket“, das die Bereiche Arbeitsmarkt, Klimaschutz, Energiepreise, Bürokratie und Steuern umfasse. Wenn man wirklich etwas an den Steuern machen wolle, dann wäre der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritätszuschlag für Unternehmen zu streichen, sagte Lindner. Das hätte auch den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belastet würden. Man müsse dann aber über die Gegenfinanzierung miteinander sprechen.
Habeck zeigte sich wiederum mit Blick auf diesen Vorschlag skeptisch. Den Soli ganz zu streichen, würde das Haushaltsloch vergrößern, sagte der Vizekanzler in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.
Unterdessen dämpfte Regierungssprecher Steffen Hebestreit die Erwartungen an rasche Entlastungen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die aktuellen Wortmeldungen „aufmerksam zur Kenntnis genommen“, sagte Hebestreit am Montag in Berlin auf die Frage nach den Äußerungen von Habeck und Lindner. Alles Weitere wolle er aber intern in der Ampelregierung besprechen.
Auch aus dem Finanzministerium hieß es nun am Montag, alle Vorschläge sollten zunächst innerhalb der Regierung beraten werden. „Dann wird ein Gesamtpaket zusammengetragen“, sagte ein Sprecher. Zugleich wurde in Regierungskreisen auf die völlig offene Finanzierung einer Entlastung verwiesen.
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte den Soli-Vorstoß. „Die Abschaffung des Rest-Solis ist überfällig, der im Grund eine verkappte Unternehmenssteuer ist – zwei Drittel der Kosten tragen die Unternehmen“, sagte Hüther. Wirtschaftsverbände schlagen seit geraumer Zeit Alarm, dass die Regierung etwas zur Ankurbelung der Konjunktur und wegen des internationalen Wettbewerbs etwas für den Standort Deutschland machen müsse. Dass sowohl Habeck als auch Lindner sich für eine Entlastung einsetzten, hatte zunächst Hoffnungen geweckt, dass die Ampel-Koalition ihre bisherige interne Blockade überwindet.
Konkret würde eine vollständige Streichung des Solis noch mehrere Millionen Bürger und insbesondere Unternehmen betreffen. „Aktuell zahlen schätzungsweise 500 000 Kapitalgesellschaften und sechs Millionen Bürger (darunter Arbeitnehmer, Unternehmer, Rentner) den Soli“, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Freigrenze im Jahr 2024 liegt für einen Single bei einer gezahlten Einkommensteuer von 18 130 Euro. Dies entspricht einem zu versteuerndem Einkommen von 68 410 Euro im Jahr. Dies wiederum entspricht einem Bruttojahresgehalt von ungefähr 85 000 Euro.
Vor einer Soli-Abschaffung warnt hingegen Katja Rietzler, Expertin für Fiskalpolitik beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: „Eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre keine gezielte Unternehmensförderung und erst recht keine Investitionsförderung. Sie käme neben Unternehmen auch Spitzenverdienenden zugute. Sie würde 2024 über zwölf Milliarden kosten, keine Investitionen garantieren und Verteilungskonflikte verschärfen“, sagte sie.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken lehnt den Vorschlag von Lindner ab. Sie sei der Auffassung, dass dies im Haushalt nicht gegenfinanziert werden könne. „Insofern sehe ich die Tauglichkeit dieses Vorschlags nicht“, so Esken.