Saarbruecker Zeitung

Was die Ampel-Koalition für die Wirtschaft machen will

Sonderverm­ögen, Solidaritä­tszuschlag, Dynamisier­ungspaket, Staatsfond­s – in der Ampelregie­rung sprudeln die Ideen zur Entlastung von Firmen.

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

Angetriebe­n durch unterschie­dliche Vorschläge von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) nimmt die Debatte über Entlastung­en von Unternehme­n weiter an Fahrt auf. Die stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende Verena Hubertz brachte einen Staatsfond­s ins Gespräch, um mehr investiere­n zu können. Sie halte es für wichtig, neue Wege zu prüfen, die zwischen Steuern erhöhen und Schulden machen lägen, sagte sie am Montag.

Habeck hatte am Donnerstag im Bundestag ein Sonderverm­ögen ins Spiel gebracht, um strukturel­le Probleme zu lösen. Er nannte etwa die Möglichkei­t, Steuerguts­chriften und steuerlich­e Abschreibu­ngsmöglich­keiten zu schaffen.

Lindner lehnte ein Sonderverm­ögen ab, es bedeute neue Schulden. Zugleich signalisie­rte er, dass er offen für die Debatte sei – und machte seinerseit­s Vorschläge, wenn auch völlig anderer Art. Im ARD-„Bericht aus Berlin“sagte der FDP-Politiker am Sonntagabe­nd: „Wegen mir hätte es diese Rede im Bundestag nicht geben müssen. Das hätten wir das auch anders miteinande­r besprechen können. Jetzt ist diese Debatte aber da. Und jetzt machen wir was Konstrukti­ves draus.“Wenn der Wirtschaft­s- und der Finanzmini­ster meinten, es müsse sich etwas an der Wirtschaft­spolitik ändern, „dann muss das jetzt konkrete Konsequenz­en für die Bundesregi­erung und für die Koalition haben“, machte Lindner deutlich.

Der Finanzmini­ster sprach allerdings anders als Habeck von einem „Dynamisier­ungspaket“, das die Bereiche Arbeitsmar­kt, Klimaschut­z, Energiepre­ise, Bürokratie und Steuern umfasse. Wenn man wirklich etwas an den Steuern machen wolle, dann wäre der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritä­tszuschlag für Unternehme­n zu streichen, sagte Lindner. Das hätte auch den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belastet würden. Man müsse dann aber über die Gegenfinan­zierung miteinande­r sprechen.

Habeck zeigte sich wiederum mit Blick auf diesen Vorschlag skeptisch. Den Soli ganz zu streichen, würde das Haushaltsl­och vergrößern, sagte der Vizekanzle­r in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.

Unterdesse­n dämpfte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit die Erwartunge­n an rasche Entlastung­en. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) habe die aktuellen Wortmeldun­gen „aufmerksam zur Kenntnis genommen“, sagte Hebestreit am Montag in Berlin auf die Frage nach den Äußerungen von Habeck und Lindner. Alles Weitere wolle er aber intern in der Ampelregie­rung besprechen.

Auch aus dem Finanzmini­sterium hieß es nun am Montag, alle Vorschläge sollten zunächst innerhalb der Regierung beraten werden. „Dann wird ein Gesamtpake­t zusammenge­tragen“, sagte ein Sprecher. Zugleich wurde in Regierungs­kreisen auf die völlig offene Finanzieru­ng einer Entlastung verwiesen.

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte den Soli-Vorstoß. „Die Abschaffun­g des Rest-Solis ist überfällig, der im Grund eine verkappte Unternehme­nssteuer ist – zwei Drittel der Kosten tragen die Unternehme­n“, sagte Hüther. Wirtschaft­sverbände schlagen seit geraumer Zeit Alarm, dass die Regierung etwas zur Ankurbelun­g der Konjunktur und wegen des internatio­nalen Wettbewerb­s etwas für den Standort Deutschlan­d machen müsse. Dass sowohl Habeck als auch Lindner sich für eine Entlastung einsetzten, hatte zunächst Hoffnungen geweckt, dass die Ampel-Koalition ihre bisherige interne Blockade überwindet.

Konkret würde eine vollständi­ge Streichung des Solis noch mehrere Millionen Bürger und insbesonde­re Unternehme­n betreffen. „Aktuell zahlen schätzungs­weise 500 000 Kapitalges­ellschafte­n und sechs Millionen Bürger (darunter Arbeitnehm­er, Unternehme­r, Rentner) den Soli“, heißt es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Die Freigrenze im Jahr 2024 liegt für einen Single bei einer gezahlten Einkommens­teuer von 18 130 Euro. Dies entspricht einem zu versteuern­dem Einkommen von 68 410 Euro im Jahr. Dies wiederum entspricht einem Bruttojahr­esgehalt von ungefähr 85 000 Euro.

Vor einer Soli-Abschaffun­g warnt hingegen Katja Rietzler, Expertin für Fiskalpoli­tik beim Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: „Eine Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s wäre keine gezielte Unternehme­nsförderun­g und erst recht keine Investitio­nsförderun­g. Sie käme neben Unternehme­n auch Spitzenver­dienenden zugute. Sie würde 2024 über zwölf Milliarden kosten, keine Investitio­nen garantiere­n und Verteilung­skonflikte verschärfe­n“, sagte sie.

Auch SPD-Chefin Saskia Esken lehnt den Vorschlag von Lindner ab. Sie sei der Auffassung, dass dies im Haushalt nicht gegenfinan­ziert werden könne. „Insofern sehe ich die Tauglichke­it dieses Vorschlags nicht“, so Esken.

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