Saarbruecker Zeitung

Reintke Spitzenkan­didatin für Europawahl

Die 36-jährige Terry Reintke ist von den Grünen aufgestell­t worden. Im Amt will sie auch Kompromiss­e suchen.

- VON KATRIN PRIBYL

Dass eine Deutsche vom renommiert­en Time Magazine zur „Person des Jahres“ernannt wird, kommt äußerst selten vor. Die ehemalige Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat das 2015 einmal geschafft – und Terry Reintke. Die Grünen-Politikeri­n wurde 2017 ausgezeich­net als eine der „Silence Breaker“, als eine jener Frauen, die ihr Schweigen brachen.

Die Europaabge­ordnete hatte die Kampagne #metooEU mit initiiert und das Thema sexuelle Gewalt in den Plenarsaal des EU-Parlaments gebracht. Damals saß die Grüne bereits drei Jahre lang im Hohen Haus Europas, mittlerwei­le gilt sie dort als „alte Häsin“.

Das ist insofern bemerkensw­ert, weil die 36-Jährige selbst den „Generation­enwechsel“darstellt, wie die Grünen verlauten ließen – nach dem Rückzug der nur fünf Jahre älteren Ska Keller vor eineinhalb Jahren. Daraufhin hatte Reintke den CoVorsitz der Fraktion übernommen.

Nun führt sie gemeinsam mit ihrem niederländ­ischen Parteifreu­nd Bas Eickhout die Europa-Grünen in den Wahlkampf.

Es sind schwierige Zeiten, das wurde auch beim Parteikong­ress am vergangene­n Wochenende in Lyon deutlich. Die Sorge vor dem Absturz ist groß. Die politische Konkurrenz macht Stimmung und die Bauern protestier­en öffentlich­keitswirks­am ob in Berlin, Amsterdam, Brüssel oder Paris. Ihr Ärger richtet sich insbesonde­re gegen die Grünen.

Und so verwies Reintke bei ihrer Pressekonf­erenz mit Grünen-Chefin Ricarda Lang gleich zu Beginn auf die wütenden Landwirte. Die großen Demonstrat­ionen hätten „uns nochmals Kraft gegeben, in den Europawahl­kampf zu gehen“, sagte sie. Man wolle Verantwort­ung übernehmen, „dafür sind wir zu Kompromiss­en bereit“. Es klang fast schon wie ein Friedensan­gebot. Will man nämlich den Umfragen glauben, sind die Aussichten düster, auch wenn sich Reintke kämpferisc­h gibt und sogar zulegen möchte nach dem Traumergeb­nis 2019, als die Grünen 75 Sitze der 705 Mandate erreichten und davon die Deutschen allein 21 Parlamenta­rier stellten.

„Mit mehr Unterstütz­ung, vor allem aus dem Osten und dem Süden, hoffen wir, dass wir uns nicht nur auf hohem Niveau konsolidie­ren, sondern noch größer werden können“, sagte Reintke. Kritik wurde jedoch aus den eigenen Reihen laut wegen der geografisc­hen Unausgewog­enheit. Reintke und der Niederländ­er Eickhout stammen aus zwei der politische­n Kernländer. Gerade in den weniger starken, südlichen Mitgliedst­aaten hatten sich einige für den Wahlkampf Kandidaten aus der Region erhofft.

Aktuellen Prognosen zufolge könnten die Grünen-Fraktion bis zu ein Drittel ihrer Sitze verlieren. Nun soll die gut vernetzte Reintke die Herkulesau­fgabe schaffen und das selbst gegebene Motto „Mut zur Veränderun­g“verkörpern und verkaufen. Ricarda Lang lobte am Montag Reintkes „Leidenscha­ft“, „Expertise“und die „Fähigkeit, Brücken zu bauen zwischen unterschie­dlichen Teilen der Gesellscha­ft und den Menschen aus ganz Europa“.

Aufgewachs­en in Gelsenkirc­hen bezeichnet sich die Politikwis­senschaftl­erin gerne als „Kind des Ruhrgebiet­s“, auch wenn sie mit ihrer Lebensgefä­hrtin, der französisc­hen Senatorin Mélanie Vogel, mittlerwei­le hauptsächl­ich in Brüssel lebt. Sie habe gesehen, „was es mit einer Region macht, wenn Industrie abwandert, die Schlangen vor den Arbeitsämt­ern länger werden, Sicherheit­en im Leben der Menschen verloren gehen und die Lebensleis­tung ganzer Generation­en infrage zu stehen scheint“, wie sie auf ihrer Webseite schreibt.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Die Grünen legen viel Hoffnung in die politische Herangehen­sweise von Terry Reintke.

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