Karnevalsverein wegen Sitzungsmotto unter Druck
Seit Bekanntgabe des Mottos laufen die Drähte heiß. Im St. Wendeler Land schlägt die Einladung eines kleinen Karnevalsvereins aus Tholey hohe Wellen – mittlerweile auch im restlichen Saarland. Zumindest hat Peter Groß mit der Wucht der Reaktionen nicht gerechnet. Das sagt der Präsident der Narrekäpp Helau Mildau aus dem Ortsteil Theley der SZ: „Das kam für uns wirklich überraschend.“Dabei deutete schon recht früh vieles darauf hin, dass die Wahl durchaus Shitstorm-Potenzial haben könnte. So wurde der 53-Jährige in einem im Januar auf Instagram veröffentlichten und seit Montag, 5. Februar, gelöschten Video zum Motto gefragt: „Was hat euch da geritten?“Er konnte nichts Verwerfliches erkennen. Worum es geht: Für Samstag, den 10. Februar, lädt der Verein zur Kappensitzung. Dabei sorgen nicht etwa zotige Namen auf dem Plakat für Aufregung. Ein auf den ersten Blick unscheinbarer Hinweis bringt Facebook-Kommentatoren zum
Schäumen. Am unteren Blattrand steht das Veranstaltungsmotto: „Zigeuner, Mohrenkopf und Winnetou“.
Begriffe wie diese werden von vielen als diskriminierend empfunden. Insbesondere ethnische Gruppen wie Sinti und Roma sehen im Ausdruck „Zigeuner“eine abwertende Bezeichnung. Gleiches gilt für „Mohrenkopf“oder „Negerkuss“. Auch die Romanfigur Winnetou aus den Karl-May-Romanen wird heute in Teilen kritisch gesehen, wegen der klischeehaften Darstellung der indigenen Volksgruppe Nordamerikas.
Groß und seine Kollegen sehen sich missverstanden. Die Sache sei „aus einer Bierlaune heraus während einer Vorstandssitzung“entstanden, ohne böse Gedanken. Im Gegenteil: Sein Verein stehe für Offenheit. „Wir wollen genau das Gegenteil damit bezwecken. Niemand wird ausgeschlossen“, versucht er zu besänftigen.
Im Rheinland seien vereinzelt als Indianer verkleidete Narren bei Bällen oder Sitzungen gar nicht erst hereingelassen worden, berichtet Groß. So etwas werde es bei den Narrekäpp nicht geben. Im Gegenteil: Sein Verein zeige sich seit Jahren integrativ. Es sei überhaupt kein Thema, „dass jemand mit nicht weißer Hautfarbe im Männerballett mittanzt“. Und außerdem sei sein Verein Vorreiter bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen. „Wir waren saarlandweit die Ersten, die ein schwules Prinzenpaar hatten.“In der Session 2015/16 übernahmen
Thomas Nils Bastuck und sein Mann Sadik Kabashi die Rolle der Tollitäten beim Theleyer Verein.
Die Teilnahme des Paares an der Wahl der saarländischen Prinzenpaares scheiterte an Satzungsfragen. Der Verband saarländischer Karnevalsvereine ( VSK) wollte das gleichgeschlechtliche Paar aus Satzungsgründen nicht antreten lassen. Das sei mit ein Grund dafür gewesen, warum man bislang nicht dem Dachverband angehöre. Mittlerweile ist die VSK-Satzung entsprechend geändert.
Dessen Präsident Stefan Regert äußert sich auch wegen der fehlenden Zuständigkeit sehr zurückhaltend zum aktuellen Fall. Der VSK-Chef auf SZ-Anfrage zum Theleyer Motto: „Ich finde es ungeschickt. Karneval provoziert nicht, sondern hält den Spiegel vor.“Groß entgegnet, dass es nicht die Absicht gewesen sei zu provozieren. Er fühle sich und sein Team zu Unrecht in die rechtsextreme Ecke gedrückt. Besonders getroffen habe es ihn, dass sogar seine Tochter, die nichts damit zu tun habe, in der Schule darauf angesprochen wurde.
Bei Facebook sind die Meinungen gespalten. So schreibt ein Nutzer auf der Fanseite des Vereins: „Euer Motto ist einfach ekelhaft.“Ein weiterer: „Das Karnevalsmotto ist rassistisch. Null Punkte.“In die gleiche Richtung zielt dieser Kommentar: „Traurig, wie ein ganzer Verein vor den gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen dieser Zeit kapituliert und sich dabei noch für besonders schlau hält.“Rückhalt erhält der Verein aber auch: „In keinem anderen Land werden solche Themen so hochgekocht wie hier.“Dazu heißt es weiter: „Was mittlerweile alles in Frage gestellt wird, unfassbar. Gibt`s keine anderen Probleme in diesem Land?“Ob man sich angesichts der Debatte erneut für das Motto entscheiden würden? „Ich glaube nicht. Uns war die Tragweite damals nicht bewusst.“Heute würde er dafür plädieren, die Sache unverfänglicher anzugehen. Etwa mit einem Regenbogen als Zeichen, für jeden offen zu sein. Egal welcher Religion, Nationalität jemand angehöre oder seiner Sexualität.