Saarbruecker Zeitung

AfD-Antrag zur „Remigratio­n“zugelassen

Der SPD-Fraktionsc­hef wollte verhindern, dass der Antrag in dieser Form auf die Tagesordnu­ng kommt. Die CDU hielt sich raus, weil sie fürchtete, dass diese Diskussion der AfD nützt. In einer kuriosen Konstellat­ion landete der Antrag am Ende doch auf der T

- VON DANIEL KIRCH

Das Wort „Remigratio­n“ist nicht neu. Wissenscha­ftler benutzen es für die „Rückkehr in das Land, aus dem eine Person zuvor emigriert ist“(Duden), auch die Bundesregi­erung hat es schon verwendet. Nun aber entzündet sich daran, wie die AfD den Begriff umzudeuten versucht, eine Debatte über den Umgang damit im Landtag.

SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon war wegen des R-Worts dagegen, den AfD-Antrag „Remigratio­n und Reintegrat­ion stärken, Recht durchsetze­n und die Heimatländ­er durch Rückkehr stärken“in diesem Wortlaut auf die Tagesordnu­ng der Landtagsde­batte am Dienstag aufzunehme­n. Das Wort habe durch einen Bericht von Correctiv-Journalist­en „eine völlig andere Aufladung“bekommen, sagte er.

„Hinter diesem Begriff, der verharmlos­end verwendet werden soll, verbergen sich offenkundi­g sogar konkrete Planungen, massenhaft, millionenf­ach Deportatio­nen vorzuberei­ten, dafür Lager zu errichten. In diesem Zusammenha­ng ist es – glaube ich – notwendig, dass sich

ein Parlament damit beschäftig­t, wie man mit so einem Punkt umgeht.“Denn eine Tagesordnu­ng erwecke nach außen hin den Eindruck, „ein gemeinsame­s Dokument des Landtags“zu sein.

Die Landtagsve­rwaltung bekam übers Wochenende einen Prüfauftra­g, Landtagspr­äsidentin Heike Winzent (SPD) riet in einer Präsidiums­sitzung am Montag aber davon ab, den AfD-Antrag von der Tagesordnu­ng zu streichen. Dies würde „das nicht unerheblic­he Risiko eines Verfassung­sverstoßes bergen“, notierte Landtagsdi­rektor Christof Zeyer. Weil Commerçon die Sache wichtig war, machte er der AfD-Fraktion sogar Vorschläge, wie sie ihren Antragstit­el ändern könnte. Als Fraktionsc­hef Josef Dörr das ablehnte (anfangs dachte er offenbar darüber nach), schlug Commerçon vor, in der Tagesordnu­ng

der Landtagssi­tzung nur die Nummer der Drucksache (17/793) aufzuführe­n, nicht aber den Titel – dafür wollte er auch die CDU gewinnen. Laut SPDFraktio­nschef ging die Landtagsve­rwaltung davon aus, dass das Risiko, vor dem Verfassung­sgerichtsh­of zu unterliege­n, dann „sehr viel geringer“wäre, während die CDU sich anders erinnert. Aus CDU-Sicht wäre dieses Vorgehen jedenfalls „genauso gefährlich“gewesen wie eine Komplett-Streichung, weil der AfD-Antrag dann anders behandelt worden wäre als Anträge von SPD und CDU.

Commerçon zeigte sich vor der Landespres­sekonferen­z am Montag enttäuscht von der CDU-Fraktion: „Ich hätte mir gewünscht, argumentat­iv unterstütz­t zu werden, dass sie gesagt hätte, wir wollen diesen Begriff auch nicht haben. Nicht mal das kam von der CDU. Das wäre das

Mindeste gewesen.“Die CDU habe im Landtagspr­äsidium keine Position bezogen und im Gegenteil die Position der SPD-Fraktion angegriffe­n. „Das macht man unter Demokraten nicht.“Die CDU mache „Spielchen“, dazu sei die Lage aber inzwischen zu gefährlich.

CDU-Fraktionsv­ize Roland Theis schilderte den Verlauf der Präsidiums­sitzung anders. „Wir heben unsere Hand nicht für einen Verstoß gegen die Verfassung, und wir leisten dem Narrativ der AfD, dass man ja in diesem Land nichts mehr sagen dürfe, keinen Vorschub dadurch, dass wir mit Geschäftso­rdnungstri­cks à la Ulrich Commerçon versuchen, diese Begriffe zu verbannen“, sagte Theis. Die Debatte nütze nur der AfD, deshalb habe sich die CDU inhaltlich nicht daran beteiligt. „Das, was heute stattgefun­den hat, ist ein Bärendiens­t an der Demokratie“, sagte Theis, der die Ideen der AfD als „verabscheu­ungswürdig“bezeichnet­e.

Commerçon („Bei dem Thema bin ich emotional“) bestritt den CDUVorwurf, dass er sich verrannt habe und dass die ganze Sache am Ende nur der AfD nütze. Einigen in der CDU gehe es darum, „Gift zu versprühen“, die Partei sei bei den Demos gegen die AfD nicht stark vertreten, und einige in der Saar-CDU setzten darauf, nach der Kommunalwa­hl „hier im Land andere Mehrheiten unter Einschluss von Teilen der AfD“zu bilden. Dazu sagte Theis, dies sei so „ehrabschne­idend“, dass er das gar nicht kommentier­en könne.

Und die AfD als Antragstel­lerin? Sie definierte Remigratio­n dahingehen­d, dass Menschen, die illegal in Deutschlan­d seien, nach Recht und Gesetz abgeschobe­n werden müssten. Da gehe es „gar nicht um viele Menschen“, sagte Fraktionsc­hef Dörr, die AfD wolle „keine Massenausw­anderung“. „Unser Anliegen ist einfach, dass die Gesetze eingehalte­n werden“, sagte Dörr. Und die Forderung von AfD-Landeschef Carsten Becker, auch ausländisc­he Sozialhilf­eempfänger – im Saarland über 40 000 Menschen – abzuschieb­en, was kein Gesetz verlangt? „Wenn das nicht Recht und Gesetz ist, fällt das nicht unter das, was wir wollen“, sagte Dörr.

Am Ende ging die Präsidiums­sitzung wie folgt aus: Die CDU beteiligte sich an der Abstimmung über den Tagesordnu­ngspunkt „Remigratio­n“nicht, die SPD enthielt sich, weil sie unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, dass sie mit ihrer absoluten Mehrheit „die Opposition plattmache­n“will. So kam es, dass der Remigratio­ns-Antrag mit den Stimmen der AfD auf die Tagesordnu­ng der Landtagssi­tzung kam.

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FOTOS: BECKERBRED­EL SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon ließ prüfen, ob ein AfD-Antrag verhindert werden kann.
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CDU-Fraktionsv­ize Roland Theis warnte davor, dass die Diskussion am Ende nur der AfD nützt.
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„Unser Anliegen ist einfach, dass die Gesetze eingehalte­n werden“, sagte AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr.

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