AfD-Antrag zur „Remigration“zugelassen
Der SPD-Fraktionschef wollte verhindern, dass der Antrag in dieser Form auf die Tagesordnung kommt. Die CDU hielt sich raus, weil sie fürchtete, dass diese Diskussion der AfD nützt. In einer kuriosen Konstellation landete der Antrag am Ende doch auf der T
Das Wort „Remigration“ist nicht neu. Wissenschaftler benutzen es für die „Rückkehr in das Land, aus dem eine Person zuvor emigriert ist“(Duden), auch die Bundesregierung hat es schon verwendet. Nun aber entzündet sich daran, wie die AfD den Begriff umzudeuten versucht, eine Debatte über den Umgang damit im Landtag.
SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon war wegen des R-Worts dagegen, den AfD-Antrag „Remigration und Reintegration stärken, Recht durchsetzen und die Heimatländer durch Rückkehr stärken“in diesem Wortlaut auf die Tagesordnung der Landtagsdebatte am Dienstag aufzunehmen. Das Wort habe durch einen Bericht von Correctiv-Journalisten „eine völlig andere Aufladung“bekommen, sagte er.
„Hinter diesem Begriff, der verharmlosend verwendet werden soll, verbergen sich offenkundig sogar konkrete Planungen, massenhaft, millionenfach Deportationen vorzubereiten, dafür Lager zu errichten. In diesem Zusammenhang ist es – glaube ich – notwendig, dass sich
ein Parlament damit beschäftigt, wie man mit so einem Punkt umgeht.“Denn eine Tagesordnung erwecke nach außen hin den Eindruck, „ein gemeinsames Dokument des Landtags“zu sein.
Die Landtagsverwaltung bekam übers Wochenende einen Prüfauftrag, Landtagspräsidentin Heike Winzent (SPD) riet in einer Präsidiumssitzung am Montag aber davon ab, den AfD-Antrag von der Tagesordnung zu streichen. Dies würde „das nicht unerhebliche Risiko eines Verfassungsverstoßes bergen“, notierte Landtagsdirektor Christof Zeyer. Weil Commerçon die Sache wichtig war, machte er der AfD-Fraktion sogar Vorschläge, wie sie ihren Antragstitel ändern könnte. Als Fraktionschef Josef Dörr das ablehnte (anfangs dachte er offenbar darüber nach), schlug Commerçon vor, in der Tagesordnung
der Landtagssitzung nur die Nummer der Drucksache (17/793) aufzuführen, nicht aber den Titel – dafür wollte er auch die CDU gewinnen. Laut SPDFraktionschef ging die Landtagsverwaltung davon aus, dass das Risiko, vor dem Verfassungsgerichtshof zu unterliegen, dann „sehr viel geringer“wäre, während die CDU sich anders erinnert. Aus CDU-Sicht wäre dieses Vorgehen jedenfalls „genauso gefährlich“gewesen wie eine Komplett-Streichung, weil der AfD-Antrag dann anders behandelt worden wäre als Anträge von SPD und CDU.
Commerçon zeigte sich vor der Landespressekonferenz am Montag enttäuscht von der CDU-Fraktion: „Ich hätte mir gewünscht, argumentativ unterstützt zu werden, dass sie gesagt hätte, wir wollen diesen Begriff auch nicht haben. Nicht mal das kam von der CDU. Das wäre das
Mindeste gewesen.“Die CDU habe im Landtagspräsidium keine Position bezogen und im Gegenteil die Position der SPD-Fraktion angegriffen. „Das macht man unter Demokraten nicht.“Die CDU mache „Spielchen“, dazu sei die Lage aber inzwischen zu gefährlich.
CDU-Fraktionsvize Roland Theis schilderte den Verlauf der Präsidiumssitzung anders. „Wir heben unsere Hand nicht für einen Verstoß gegen die Verfassung, und wir leisten dem Narrativ der AfD, dass man ja in diesem Land nichts mehr sagen dürfe, keinen Vorschub dadurch, dass wir mit Geschäftsordnungstricks à la Ulrich Commerçon versuchen, diese Begriffe zu verbannen“, sagte Theis. Die Debatte nütze nur der AfD, deshalb habe sich die CDU inhaltlich nicht daran beteiligt. „Das, was heute stattgefunden hat, ist ein Bärendienst an der Demokratie“, sagte Theis, der die Ideen der AfD als „verabscheuungswürdig“bezeichnete.
Commerçon („Bei dem Thema bin ich emotional“) bestritt den CDUVorwurf, dass er sich verrannt habe und dass die ganze Sache am Ende nur der AfD nütze. Einigen in der CDU gehe es darum, „Gift zu versprühen“, die Partei sei bei den Demos gegen die AfD nicht stark vertreten, und einige in der Saar-CDU setzten darauf, nach der Kommunalwahl „hier im Land andere Mehrheiten unter Einschluss von Teilen der AfD“zu bilden. Dazu sagte Theis, dies sei so „ehrabschneidend“, dass er das gar nicht kommentieren könne.
Und die AfD als Antragstellerin? Sie definierte Remigration dahingehend, dass Menschen, die illegal in Deutschland seien, nach Recht und Gesetz abgeschoben werden müssten. Da gehe es „gar nicht um viele Menschen“, sagte Fraktionschef Dörr, die AfD wolle „keine Massenauswanderung“. „Unser Anliegen ist einfach, dass die Gesetze eingehalten werden“, sagte Dörr. Und die Forderung von AfD-Landeschef Carsten Becker, auch ausländische Sozialhilfeempfänger – im Saarland über 40 000 Menschen – abzuschieben, was kein Gesetz verlangt? „Wenn das nicht Recht und Gesetz ist, fällt das nicht unter das, was wir wollen“, sagte Dörr.
Am Ende ging die Präsidiumssitzung wie folgt aus: Die CDU beteiligte sich an der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt „Remigration“nicht, die SPD enthielt sich, weil sie unbedingt den Eindruck vermeiden wollte, dass sie mit ihrer absoluten Mehrheit „die Opposition plattmachen“will. So kam es, dass der Remigrations-Antrag mit den Stimmen der AfD auf die Tagesordnung der Landtagssitzung kam.