Rehlinger wirbt in Großbritannien für das Saarland
Ein großer, ein ehrwürdiger und besonderer Moment. An einem geschichtsträchtigen Ort mit langer Tradition. Deshalb betritt auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) am Montag mit einer gewissen Ehrfurcht die Aula der London School of Economics. Eine Kaderschmiede nationaler und internationaler Top-Karrieren.
Hier wird Rehlinger von Teilnehmern des „German Symposium“erwartet. Würde man nicht wissen, dass die Ministerpräsidentin des kleinen Bundeslandes Saarland referiert, könnte man meinen, der Bundeskanzler stünde vor den Zuhörerinnen und Zuhörern. Denn der Kern ihrer Rede befasst sich mit dem Thema „Mut zur Veränderung: Strukturwandel im Herzen Europas“. Eine zutiefst deutsche, ohnehin saarländische und eigentlich auch britische Aufgabe. Doch bekanntlich hat Großbritannien nach 47 Jahren zum 1. Januar 2020 den EU-Austritt vollzogen. Der Wirtschaft auf der Insel ist das bis heute nicht gut bekommen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) spricht gar von einem „wirtschaftlichen Desaster“.
Das „German Symposium“verfolgt einen spannenden Ansatz unter dem Motto „Building Bridges“, also der Möglichkeit, wie man wieder Brücken baut, auch ökonomisch, zwischen der Insel und dem europäischen Festland. Rehlinger entwickelt in ihrer Rede eine eigene Vision, formuliert gar die Hoffnung: „Warum sollte der Weg für Großbritannien nicht irgendwann wieder in die EU führen? Ich würde es mir wünschen. Für mich gehört das Vereinigte Königreich unabdingbar zu Europa.“
Rehlinger erinnert an Winston Churchill, der 1946 „in seiner berühmten Let-Europe-Arise-Rede in Zürich Deutschland und Frankreich zur Versöhnung und zur Schaffung eines gemeinsamen Europas aufgerufen hat“. Deutsche und Franzosen hätten sich daraufhin „endlich entschlossen, Brücken zu bauen über die Gräben und Bruchlinien“. Ein frühes Vorbild für ganz Europa.
Heute gelte es, auch Brücken gegen Fremdenfeindlichkeit zu bauen. „Building Bridges ist das Gebot der Stunde“, so Rehlinger. Als nächstes müsse sich das bei der Europawahl zeigen. Keine Region habe so stark „von dieser europäischen Versöhnung profitiert wie meine Heimat“, mahnte sie.
Ihr eintägiges Besuchsprogramm in London ist auch eine Werbetour für das Saarland, geprägt von Treffen mit hochkarätigen Gesprächspartnern. Kontakte sollen verstärkt werden. „Mit dem Brexit ist für das
Saarland das Vereinigte Königreich als größter Exportmarkt weggefallen. Die Ausfuhren nach Großbritannien sind nach 2016 fast um die Hälfte zurückgegangen“, sagt Rehlinger in der London School of Economics.
Sie trifft den Staatsminister für Handelspolitik, Greg Hands. Ebenso Mike Hawes, Chef der Society of Motor Manufacturers and Traders, also der Vertretung der Interessen der Autoindustrie. Mit Leo Docerty, dem Staatsminister für Europa im Unterhaus, spricht sie über Möglichkeiten, wie man trotz Brexit den gegenseitigen Handel wieder ankurbeln kann. Zu einer besonderen Ehre dürfte wohl das Treffen mit dem Sprecher des Oberhauses geworden sein, Lord McFall of Alcluith.
Bis zum späten Montagabend standen weitere Treffen mit dem Schattenminister der Labour Party für Außenangelegenheiten, Stephen Dougherty, sowie ein Abendessen mit dem Vorsitzenden des britischen Gewerkschaftsbundes, Paul Nowak, auf dem Programm, angereichert durch Besuche von Google sowie deutscher Unternehmen. Ihre Rede an der London School of Economics ist auch eine Bestandsaufnahme deutscher Politik. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“sei für Deutschland „ein großer Schritt, eine Führungsrolle in Europa und der Welt nicht nur politisch und zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch militärisch zu untermauern“. Die Schuldenbremse sieht Rehlinger als „eine Zukunftsbremse für unser Land“an. Diese müsse auf heutige Bedürfnisse angepasst werden. Denn „auch unterlassene Investitionen im Hier und Heute können im Morgen und Übermorgen zur Belastung für kommenden Generationen werden. Wenn Schulen und Brücken bröckeln, schulden wir unseren Kindern Zukunft.“
Zum Schluss ein Appell. Egal, wie der institutionelle Rahmen der europäischen Gemeinschaft aussehe: „Letztlich kommt es darauf an, dass wir als Wirtschafts- und Werte-Partner zusammenstehen. Das ist eine Brücke, die langfristig trägt. Sie steht auf festem Fundament, unseren gemeinsamen europäischen Werten.“