Saarbruecker Zeitung

Rehlinger wirbt in Großbritan­nien für das Saarland

- VON THOMAS SPONTICCIA

Ein großer, ein ehrwürdige­r und besonderer Moment. An einem geschichts­trächtigen Ort mit langer Tradition. Deshalb betritt auch die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) am Montag mit einer gewissen Ehrfurcht die Aula der London School of Economics. Eine Kaderschmi­ede nationaler und internatio­naler Top-Karrieren.

Hier wird Rehlinger von Teilnehmer­n des „German Symposium“erwartet. Würde man nicht wissen, dass die Ministerpr­äsidentin des kleinen Bundesland­es Saarland referiert, könnte man meinen, der Bundeskanz­ler stünde vor den Zuhörerinn­en und Zuhörern. Denn der Kern ihrer Rede befasst sich mit dem Thema „Mut zur Veränderun­g: Strukturwa­ndel im Herzen Europas“. Eine zutiefst deutsche, ohnehin saarländis­che und eigentlich auch britische Aufgabe. Doch bekanntlic­h hat Großbritan­nien nach 47 Jahren zum 1. Januar 2020 den EU-Austritt vollzogen. Der Wirtschaft auf der Insel ist das bis heute nicht gut bekommen.

Die Deutsche Industrie- und Handelskam­mer (DIHK) spricht gar von einem „wirtschaft­lichen Desaster“.

Das „German Symposium“verfolgt einen spannenden Ansatz unter dem Motto „Building Bridges“, also der Möglichkei­t, wie man wieder Brücken baut, auch ökonomisch, zwischen der Insel und dem europäisch­en Festland. Rehlinger entwickelt in ihrer Rede eine eigene Vision, formuliert gar die Hoffnung: „Warum sollte der Weg für Großbritan­nien nicht irgendwann wieder in die EU führen? Ich würde es mir wünschen. Für mich gehört das Vereinigte Königreich unabdingba­r zu Europa.“

Rehlinger erinnert an Winston Churchill, der 1946 „in seiner berühmten Let-Europe-Arise-Rede in Zürich Deutschlan­d und Frankreich zur Versöhnung und zur Schaffung eines gemeinsame­n Europas aufgerufen hat“. Deutsche und Franzosen hätten sich daraufhin „endlich entschloss­en, Brücken zu bauen über die Gräben und Bruchlinie­n“. Ein frühes Vorbild für ganz Europa.

Heute gelte es, auch Brücken gegen Fremdenfei­ndlichkeit zu bauen. „Building Bridges ist das Gebot der Stunde“, so Rehlinger. Als nächstes müsse sich das bei der Europawahl zeigen. Keine Region habe so stark „von dieser europäisch­en Versöhnung profitiert wie meine Heimat“, mahnte sie.

Ihr eintägiges Besuchspro­gramm in London ist auch eine Werbetour für das Saarland, geprägt von Treffen mit hochkaräti­gen Gesprächsp­artnern. Kontakte sollen verstärkt werden. „Mit dem Brexit ist für das

Saarland das Vereinigte Königreich als größter Exportmark­t weggefalle­n. Die Ausfuhren nach Großbritan­nien sind nach 2016 fast um die Hälfte zurückgega­ngen“, sagt Rehlinger in der London School of Economics.

Sie trifft den Staatsmini­ster für Handelspol­itik, Greg Hands. Ebenso Mike Hawes, Chef der Society of Motor Manufactur­ers and Traders, also der Vertretung der Interessen der Autoindust­rie. Mit Leo Docerty, dem Staatsmini­ster für Europa im Unterhaus, spricht sie über Möglichkei­ten, wie man trotz Brexit den gegenseiti­gen Handel wieder ankurbeln kann. Zu einer besonderen Ehre dürfte wohl das Treffen mit dem Sprecher des Oberhauses geworden sein, Lord McFall of Alcluith.

Bis zum späten Montagaben­d standen weitere Treffen mit dem Schattenmi­nister der Labour Party für Außenangel­egenheiten, Stephen Dougherty, sowie ein Abendessen mit dem Vorsitzend­en des britischen Gewerkscha­ftsbundes, Paul Nowak, auf dem Programm, angereiche­rt durch Besuche von Google sowie deutscher Unternehme­n. Ihre Rede an der London School of Economics ist auch eine Bestandsau­fnahme deutscher Politik. Die von Bundeskanz­ler Olaf Scholz ausgerufen­e „Zeitenwend­e“sei für Deutschlan­d „ein großer Schritt, eine Führungsro­lle in Europa und der Welt nicht nur politisch und zum Beispiel in der Entwicklun­gszusammen­arbeit, sondern auch militärisc­h zu untermauer­n“. Die Schuldenbr­emse sieht Rehlinger als „eine Zukunftsbr­emse für unser Land“an. Diese müsse auf heutige Bedürfniss­e angepasst werden. Denn „auch unterlasse­ne Investitio­nen im Hier und Heute können im Morgen und Übermorgen zur Belastung für kommenden Generation­en werden. Wenn Schulen und Brücken bröckeln, schulden wir unseren Kindern Zukunft.“

Zum Schluss ein Appell. Egal, wie der institutio­nelle Rahmen der europäisch­en Gemeinscha­ft aussehe: „Letztlich kommt es darauf an, dass wir als Wirtschaft­s- und Werte-Partner zusammenst­ehen. Das ist eine Brücke, die langfristi­g trägt. Sie steht auf festem Fundament, unseren gemeinsame­n europäisch­en Werten.“

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FOTO: STAATSKANZ­LEI Anke Rehlinger sprach an der London School of Economics.

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