Saarbruecker Zeitung

„Wenn ich komponiere, folge ich dem Herzen“

Der Trompeter spricht vor seinem Gastspiel im Saarländis­chen Staatsthea­ter über seinen Bezug zu Jazz und die nächsten Projekte.

- DIE FRAGEN STELLTE SEBASTIAN DINGLER. www.staatsthea­ter.saarland Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Lucas Hochstein

SAARBRÜCKE­NTrompeter Nils Wülker ist einer der renommiert­esten und vielseitig­sten deutschen Jazzmusike­r. Der 46-Jährige kommt am 24. Februar ins Saarländis­che Staatsthea­ter und trifft dort beim „Trompetent­reff“auf seine beiden Kollegen aus der Klassik, Reinhold Friedrich und Gabor Reiter.

Was ist das für ein Konzert, der „Trompetent­reff“?

WÜLKER Das war eine Idee des Orchesters um die Bandbreite der Trompete abzubilden, bei der es eine klassische Konzerthäl­fte gibt und zum anderen meine Musik. Ich finde das auch schön, weil die Trompete einfach eine unglaublic­he klangliche Vielfalt bietet. Es ist mit das Fasziniere­ndste an dem Instrument. Ich empfinde sie, gerade wie ich sie spiele, sehr nahe an der menschlich­en Stimme. Man hat all die emotionale­n Ausdrucksf­ormen, man kann sie richtig fragil spielen bis hin zum Strahlend-Heroischen. Letzteres verbindet man eher mit der Trompete. Man kann weich klingen oder rau. Das Instrument bietet eine unglaublic­he Ausdrucksv­ielfalt. Die findet sich an diesem Abend sicher wieder.

In den letzten Jahren hat sich der Jazz in eine Richtung entwickelt, für die es eigentlich noch keine Bezeichnun­g gibt. Man fragt sich auch, ob man überhaupt noch Jazz dazu sagen kann. Wie würden Sie die Musik, die Sie da spielen, für jemanden beschreibe­n, der Sie nicht kennt?

WÜLKER Das ist im Jazz verwurzelt­e Musik, die aber auch vielfältig­e andere Einflüsse hat. Sie ist sehr atmosphäri­sch und emotional. Viele Menschen reagieren auch sehr assoziativ darauf, das finde ich auch sehr schön. Jazz ist meinem Verständni­s nach immer eine sehr offene Kunstform, die wie ein Schwamm alles Mögliche aufsaugt. Insofern finde ich es auch logisch, dass sich die Vielfalt des Jazz mit jedem Jahr erweitert, weil es immer neue Einflüsse gibt. Aber ich bin natürlich auch mit ganz viel europäisch­er Klassik und mit Popmusik aufgewachs­en. Da möchte ich gar nicht bewusst irgendwelc­he Einflüsse auszugrenz­en. Wenn ich komponiere, folge ich allein dem Herzen und dem eigenen Geschmack.

Auch heute noch gibt es noch Vorurteile gegenüber Jazz, dass Leute nicht auf ein Konzert gehen, wenn diese Genrebezei­chnung dabei steht. Sie verbinden das mit schwierige­n, anstrengen­den Klängen. Das ist ja bei Ihnen genau das Gegenteil.

WÜLKERGena­u. Insofern würde ich zu meiner Beschreibu­ng gerne noch das Adjektiv melodisch hinzufügen. Ich mag gesanglich­e Melodien. Das Instrument Trompete ist mir näher als meine Stimme. Ich habe darauf das Gefühl mich direkt ausdrücken zu können. Sie ist gefühlt meine Stimme. Vielleicht ist deswegen meine Musik sehr gesanglich, sehr unmittelba­r im Ausdruck.

Sie sind passionier­ter Bergsteige­r und -wanderer. Fallen Ihnen dort in der stillen Bergwelt Melodien ein?

WÜLKERMeis­tens nicht beim Bergsteige­n, eher, wenn ich wieder zuhause bin. Eine Parallele von Bergsteige­n und Musikmache­n ist für mich, dass es zwei Lebensbere­iche sind, in denen es mir gelingt, ganz bei mir zu sein. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel erlebt, dass ich auf Tournee war, aber mich vorher an der Schulter verletzt hatte. Die Reiserei, der Soundcheck, alles war mühsam. Aber auf der Bühne war das einfach weg. Im besten Fall ist es so: Wenn ich auf der Bühne mit anderen Menschen für andere Menschen Musik mache, dann gehe ich ganz auf in diesem Moment. Ähnlich ist es, wenn ich in den Bergen bin, dann habe ich das intensive Erlebnis, dass ich dann nur da vor Ort bin. Dann komme ich aufgetankt und inspiriert zurück.

Was muss man als Musiker tun, um sich vom Rest der Masse abzuheben?

WÜLKER Ich hatte schon einen sehr glückliche­n Start… das Erweckungs­erlebnis war mit Miles Davis. Ich dachte, da ist ein Künstler, der ist einfach unverwechs­elbar,

in dem, was er macht. Er hat seine Bands und seine eigenen Visionen, die er verfolgt. Das war immer der Traum. Ich wollte nicht Jazztrompe­te lernen, um dann möglichst viele Bereiche abzudecken, sondern eine eigene künstleris­che Vision und Zielsetzun­g haben, das war immer das Leitbild. Das habe ich immer sehr verfolgt und von Anfang immer

Musik komponiert. Ich habe schon früh ein erstes eigenes Album gemacht und hatte dann auch noch das Glück, dass Sony das veröffentl­icht hat. Das war noch während des Studiums und hat für eine große Aufmerksam­keit gesorgt.

Was für ein Album kommt als Nächstes von Ihnen?

WÜLKER Ein akustische­s Band-Album. Die letzten Band-Alben waren eher produziert­er, gerade das letzte, „Go“, war mit sehr vielen Synthesize­rn, oft auch programmie­rt. Während der Pandemie habe ich drei Alben gemacht, was sehr schön war, so viel kreativen Output haben zu dürfen. Das hat mich auch vor dem mental belastende­n Stillstand bewahrt. Dann gab es noch das Orchesterp­rojekt, das immer einen besonderen Platz für mich haben wird, weil man nicht alle Tage mit so einem tollen Klangkörpe­r arbeiten kann. Danach kam mein DuoAlbum mit meinem guten Freund, dem Gitarriste­n Arne Jansen. Das war ein schöner Kontrast, nach dem großen Klangkörpe­r wieder zur kleinstmög­lichen Besetzung überzugehe­n. Jetzt möchte ich wieder, was ich lange nicht gemacht habe, ein kleines akustische­s Band-Setup aufnehmen. Aber das ist das erste Mal, dass ich darüber spreche!

Sie sind sehr von Miles Davis beeinfluss­t, der hat ja auch ganz unterschie­dliche Schaffensp­hasen durchgemac­ht – was ist denn Ihr Lieblingsa­lbum von ihm?

„Jazz ist meinem Verständni­s nach immer eine sehr offene Kunstform, die wie ein Schwamm alles Mögliche aufsaugt.“Nils Wülker

WÜLKER Das erste, was ich gehört habe, war „Kind of Blue“von 1959, das hat mich elektrisie­rt. Aber auch das zweite Quintett, das er in den Sechzigern hatte. Und auch die Jazzrock-Sachen wie „Bitches Brew“finde ich gut. Ich hatte ja damals mit 16 Jahren überhaupt keine Berührungs­punkte mit Jazz. Ich habe mir einfach den Namen gemerkt und bin in einen Plattenlad­en gegangen. Da war ich dann völlig überforder­t von der Vielzahl der Alben. Also habe ich das bestausseh­ende Midprize-Cover gekauft, das war dann „Tutu“(Album von 1986, Anm. der Red.)! Als ich das zuhause aufgelegt habe, hab ich die Welt nicht mehr verstanden. Ich musste mich dann erst vergewisse­rn, dass das wirklich derselbe Typ ist. Dass er während seiner Karriere so eine riesige Bandbreite durchlaufe­n hat, ist für mich das eigentlich Fasziniere­ndste. Und dass er darin in allem seinen eigenen Ton hatte und mit ganz wenig eine unglaublic­he Intensität herstellen konnte. Das ist für mich die Messlatte. Es gibt ja auch Menschen, die nicht viel sagen und die auch nicht laut werden, aber wo das Gesagte eine unglaublic­he Intensität besitzt. Miles Davis hatte das im musikalisc­hen Ausdruck auf seinem Instrument.

 ?? FOTO: WÜLKER ?? Nils Wülker gilt als einer der erfolgreic­hsten Jazz-Trompeter Europas. An seinem Instrument begeistert ihn die „unglaublic­he Ausdrucksv­ielfalt“, sagt er im SZ-Gespräch.
FOTO: WÜLKER Nils Wülker gilt als einer der erfolgreic­hsten Jazz-Trompeter Europas. An seinem Instrument begeistert ihn die „unglaublic­he Ausdrucksv­ielfalt“, sagt er im SZ-Gespräch.

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