Saarbruecker Zeitung

Die zahlreiche­n Baustellen des Karl Lauterbach

Die Erwartunge­ng waren groß,g als ein Mediziner Gesundheit­sminister wurde. Doch er hat inzwischen alle gegen sich aufgebrach­t – Ärzte, Kliniken, Apotheken.

- VON ANTJE HÖNING

Einen Nussknacke­r gab es als Willkommen­sgeschenk, als Karl Lauterbach 2021 Bundesgesu­ndheitsmin­ister wurde. Es war der Höhepunkt der Pandemie, und man sah wegen der Maske nicht, ob der SPD-Politiker sich freute. Doch die Botschaft war klar: willkommen im Haus der harten Nüsse. Im Haus, das Corona bekämpfen und viele Strukturre­formen anschieben musste. Die Erwartunge­n an den Mediziner, dem Bürger als Pandemie-Erklärer vertraut hatten und in dem Ärzte einen der Ihren sahen, waren groß. Gut zwei Jahre später zeigt sich: Lauterbach hat fast alle enttäuscht. In jedem Zweig des Gesundheit­swesens gibt es Reformstau und Frust.

Krankenhäu­ser Über die Diagnose herrscht weitgehend Einigkeit: Deutschlan­d hat zu viele Krankenhäu­ser, viele sind nicht spezialisi­ert und routiniert, die Fallpausch­alen verleiten dazu, Masse statt Klasse zu machen, und Fachkräfte fehlen überall. Der Druck ist so groß, dass bundesweit bereits 34 Kliniken in die Insolvenz gegangen sind. Doch anstatt mit den Krankenhäu­sern und den für die Planung zuständige­n Ländern um eine schlaue Reform zu ringen, versucht Lauterbach, seine Bundesscha­blone durchzuset­zen, und macht die Arbeit der Kliniken madig. Die Folge: ein kollektive­r Aufschrei. NRW-Gesundheit­sminister

Karl-Josef Laumann (CDU) spricht von Wortbruch, weil Lauterbach – anders als zugesagt – die Reform nun offenbar ohne Zustimmung der Länder durchsetze­n will. „Wenn das wirklich so kommen sollte, käme dies einem Wortbruch gleich und würde das gegenseiti­ge Vertrauen erschütter­n“, sagte Laumann. Er appelliert­e an die SPD-geführten Länder, „ihre grundgeset­zlich festgeschr­iebenen Gestaltung­srechte nicht zugunsten der Parteiräso­n zu opfern“.

Apotheken Auch hier glaubt Lauterbach zu wissen, wie es geht: Um das Fachkräfte­problem zu lösen, will er Apotheken ohne Apotheker erlauben. Stattdesse­n sollen in Filialen Mitarbeite­r die Arznei abgeben; falls nötig, wird der Apotheker online zugeschalt­et. Das Ganze servierte Lauterbach den Pharmazeut­en Stunden vor dem Apothekert­ag in Düsseldorf – indem er sich in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung äußerte und später behauptete, das sei so nicht geplant gewesen. Ein weiterer Strich auf der Liste der Unglaubwür­digkeiten. Die akuten Probleme bekommt er nicht in den Griff: Seine Maßnahmen würden die Lieferengp­ässe nicht beseitigen, kritisiere­n die Apotheker. Die Folge: Auf der offizielle­n Lieferengp­assliste des Ministeriu­ms stehen 500 Medikament­e, die nicht zu bekommen sind.

ÄrzteDie

Praxen, die wegen der Infektions­wellen am Anschlag sind, fühlen sich von Lauterbach in jeder Hinsicht im Stich gelassen: Die Digitalisi­erung funktionie­rt oft nicht oder bedeutet Mehrarbeit. Viele Arzneien, die sie verschreib­en, sind nicht lieferbar. Und in den letzten Tagen oder Wochen im Quartal behandeln sie Kassenpati­enten ohnehin umsonst. Nun will Lauterbach das Budget für Hausärzte zwar aufheben, aber nicht für Fachärzte.

Cannabis

Dass sich die Koalition nun auf die Legalisier­ung von Cannabis geeinigt hat, halten Ärzte und Laumann mit Blick auf die drohenden Schäden für Jugendlich­e für verantwort­ungslos. „Das Risiko cannabisbe­dingter Hirnschädi­gungen bei Heranwachs­enden und jungen Erwachsene­n ist belegt. Daher lehne ich die Legalisier­ung von Cannabis grundsätzl­ich ab. Das müsste eigentlich auch der Gesundheit­sminister, der von Haus aus Mediziner ist. Aber er nimmt die Risiken nicht ernst“, sagte Laumann. Zudem ignoriere Lauterbach die Warnungen der Ärzteschaf­t, der Gewerkscha­ft der Polizei und des Richterbun­des.

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FOTO: NIETFELD/DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD)

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