Ampel streitet um Entlastungen für Wirtschaft
In der Regierungskoalition werden zwischen Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner grundlegende Unterschiede über den weiteren wirtschaftspolitischen Regierungskurs offensichtlich. Kanzler Scholz kann die Kontroverse bisher nicht in vernünft
Dieselbe Diagnose, aber völlig unterschiedliche Rezepte: In der Wirtschaftspolitik geht es derzeit ähnlich kontrovers zu wie oft in der Medizin. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ( Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind zwar einig darüber, dass Deutschland ein gravierendes Wachstumsproblem hat und der Standort für viele Unternehmen nicht mehr attraktiv genug ist. Einvernehmen besteht auch darüber, dass die Unternehmenssteuern im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern zu hoch sind. Doch wie die Senkung der Firmensteuern finanziert werden und was die Regierung noch darüber hinaus leisten müsste, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, darüber gibt es grundlegende Meinungsunterschiede zwischen Habeck und Lindner.
Auf dem Tisch liegt seit Monaten das so genannte Wachstumschancengesetz Lindners, das die Wirtschaft ursprünglich um gut sieben Milliarden Euro pro Jahr steuerlich entlasten sollte. Die Länder blockierten es aber im Bundesrat, weil die Maßnahmen zuvor nicht mit ihnen abgesprochen worden seien und sie überproportionale Einnahmeverluste für Länder und Kommunen befürchten. Nun soll der
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am 21. Februar einen Kompromiss beschließen. Zu erwarten ist, dass die Entlastung dann nur noch bei etwa drei Milliarden Euro liegen wird – die ohnehin schon kleine Chance auf mehr Wirtschaftswachstum würde damit nochmals marginalisiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte, man solle sich jetzt erst einmal auf dieses „sehr gute Projekt“konzentrieren.
Doch die Entlastungswirkung des Wachstumschancengesetzes wird von Ökonomen als viel zu gering eingestuft, um in der Gesamtwirtschaft spürbare Investitionseffekte auszulösen. Auch Habeck sieht das so – und forderte deshalb vergangene Woche im Bundestag die Vervielfachung der Steuerentlastungen, gegenfinanziert durch ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen.
Das wiederum rief FDP-Chef Lindner auf den Plan, der sich ge
gen Steuerentlastungen auf Pump stemmt. Eine höhere Verschuldung, wie sie SPD und Grünen vorschwebt, würde die Zinslast vergrößern. „Wir würden unseren Haushalt rasch strangulieren“, warnte er im Handelsblatt. Der Finanzminister will aber rasch ein „Dynamisierungspaket“auflegen. Ein Konzept dafür könne bereits im Jahreswirtschaftsbericht 2024 stehen, den Habeck am 21. Februar vorlegen wird. Lindner wirbt für ein Wachstumschancenge
setz, das wieder das volle Volumen von sieben Milliarden Euro erreicht. Zudem will er den Solidaritätszuschlag für Unternehmen abschaffen. Das würde die Wirtschaft zusätzlich um gut zwölf Milliarden Euro 2025 entlasten. Der Vorteil der Soli-Abschaffung wäre, dass die Länder nicht mitreden dürften. Lindner will die Einnahmeausfälle durch neue Einsparungen gegenfinanzieren. Schon jetzt klafft im Etat 2025 aber ein Loch in zweistelliger Milliardenhöhe. Durch die Soli-Abschaffung würde die Konsolidierungsaufgabe nochmals größer, räumte Lindner ein. Eine Aufgabe, der sich SPD und Grüne nicht stellen wollen.
„Die Vorschläge für das Wachstumschancengesetz liegen auf dem Tisch, eine Einigung sollte schnellstmöglich gelingen. Das kann allerdings nicht alles sein“, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Markus Herbrand. „Wir brauchen mehr, um eine Trendwende im Wachstumsbereich zu erreichen. Die FDP steht allen Forderungen offen gegenüber, die steuerliche Entlastung bringen und nicht über neue Schulden finanziert werden müssen“, betonte er. „Wir bleiben dabei, dass die Abschaffung des Solidaritätszuschlags Teil einer Lösung wäre.“
Für Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge geht dagegen zur Lösung des Wachstumsproblems der Weg an mehr Staatsschulden nicht vorbei. „Die USA und China investieren Milliarden in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen auch wir in die Modernisierung unseres Landes investieren“, sagte Dröge.
„Die USA und China investieren Milliarden in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen auch wir in die Modernisierung unseres Landes investieren.“Katharina Dröge Grünen-Fraktionschefin