Das Stadion „ist infrastrukturelles Desaster“
Der neue Saarbrücker Polizeichef erklärt, wie es rund um den Ludwigspark sicherer werden soll.
Anfang des Jahres ist Thomas Dräger-Pitz (57) der neue Chef der Polizeiinspektion Saarbrücken-Stadt in der Karcherstraße und damit Einsatzleiter bei Heimspielen des 1. FCS. Im SZ-Interview erklärt er, wie er rund um den Ludwigspark für Sicherheit sorgen will und an was sich Fans bei Risikospielen gewöhnen müssen.
Herr Dräger-Pitz, am Mittwoch steht für Sie die Fußball-Feuertaufe an beim ausverkauften DFB-PokalViertelfinal-Spiel im Ludwigspark. Denken Sie, Saarbrücken hat eine Chance gegen Gladbach? DRÄGER-PITZ Das hoffe ich doch sehr. Ich hoffe, dass der FC gewinnt und die Siegesserie im Pokal fortsetzt. Klar, was sonst?
Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass es rund um das Spiel ruhig bleibt?
DRÄGER-PITZ Das müsste auch möglich sein, wir sind gut aufgestellt. Es sind gut 300 Polizeibeamte im Einsatz, wir haben Unterstützung aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Sie haben das Spiel als „Risikospiel“eingestuft – was bedeutet das für die Zuschauer konkret?
DRÄGER-PITZ Bei Risikospielen wollen wir die konsequente Fan-Trennung und dazu gehört die Sperrung der Camphauser Straße. Ich weiß, dass die Sperrung für viele Diskussionen und Unverständnis sorgt. Doch sie ist nötig, weil in der Vergangenheit Aufeinandertreffen von Fans manchmal unschön geendet sind. Die Trennung der Fan-Lager ist im Profifußball Standard, es ist keine Willkür der Polizei. Und in Saarbrücken sehe ich absolut keine Alternative zur Sperrung der Camphauser Straße.
Weil?
DRÄGER-PITZ Der Ludwigspark ist auch in seiner schönen neuen Form ein infrastrukturelles Desaster. Das ist so, das hätte man alles anders machen können, aber das ist nicht geschehen. Bei modernen Stadien, die zum Beispiel aufs platte Land gestellt wurden, sind die Fans schon durch die Zuwegung automatisch getrennt, mit unterschiedlichen S-Bahnhöfen und Parkplätzen, es gibt keine Kreuzung von gegnerischen Fans – das haben wir alles nicht. Aus polizeilicher Sicht wäre es besser gewesen, das Stadion an eine andere Stelle zu bauen. Jetzt müssen wir uns die FanTrennung teuer erkaufen durch die Sperrung der Camphauser Straße. Das ist leider so.
Und das wird auch absehbar so bleiben? Wie ist Ihre Strategie bei Risikospielen, Rot-Spielen, Hochrisikospielen – es gibt da ja viele Bezeichnungen?
DRÄGER-PITZ Genau das wird sich bei uns jetzt ändern. Unsere Kommunikation ist verbesserungswürdig an der Stelle. Mir geht es darum, dass man durch eine einfache Begrifflichkeit sofort versteht, was Sache ist, was die Polizei wann warum macht. Künftig gibt es nur noch die Unterscheidung Risikospiel oder kein Risikospiel. Unabhängig von der Polizei-internen Bewertung nach dem Ampelmodell. Und immer, wenn wir zum Ergebnis kommen, es ist ein Risikospiel, wird die Konsequenz sein, dass die Camphauser Straße gesperrt wird. Das wollen wir frühzeitig kommunizieren, mehrere Tage vorher. Dann weiß jeder Bescheid, dann wissen die Saarbrücker Fans, sie müssen über den Rodenhof. Oder über die Treppe runter zum Torhaus. Diesen Zugang wollen wir lassen und speziell absichern, es sei denn, wir haben irgendwelche Sicherheitsstörungen. Also über den Rodenhof und das Torhaus ist das Stadion immer erreichbar, Risikospiel oder nicht.
Warum genau ist das Spiel gegen Gladbach ein Risikospiel?
DRÄGER-PITZ Es ist ein K.o.-Spiel bei Dunkelheit mit womöglich dramatischem Spielverlauf, mit umstrittenen Schiedsrichter-Entscheidungen. Die Einordnung beruht auch auf der Einschätzung unserer szenekundigen Beamten. Wir rechnen mit jeweils mehreren Hundert Mitgliedern der
aktiven Fan-Szene, darunter sind Menschen, die Gewalt nicht aus dem Weg gehen oder die Gewalt suchen.
Welche Gefahren sehen Sie, würden die Fan-Lager nicht getrennt? DRÄGER-PITZ Durch das unkontrollierte Aufeinandertreffen rivalisierender Fan-Szenen würde es mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Verletzten kommen, ich mag mir das gar nicht ausmalen. Leider kam es beim FC in jüngster Zeit auch zu Angriffen auf unbeteiligte Dritte. Das wird zwar regelmäßig bestritten. Aber für uns ist wichtig, dass ein Fußballspiel eine schöne Veranstaltung ist, zu der jeder hingehen kann mit seinen Liebsten, mit Kindern, Enkelkindern. Und wieder gesund nach Hause. Angstfrei hin und angstfrei zurück.
Das geht nur mit einem Großaufgebot der Polizei?
DRÄGER-PITZWir wollen eine solche Veranstaltung nicht durch eine überbordende Polizeipräsenz erdrücken. Aber genauso wenig wollen wir, dass der Opa mit dem Enkel plötzlich zwischen 200 gewaltbereiten Fans oben und 200 Fans unten steht. Wenn die aufeinander losgehen, hält die erst mal keiner mehr. Und wenn dann zum Beispiel ein Kind verletzt würde, das wäre schlimm, das können wir uns nicht leisten, das will keiner.
Fußball sollte primär Festcharakter haben. Dass das beim FC im Ludwigspark möglich ist, hat er im Pokal genial bewiesen mit einer tollen Atmosphäre. Fußball ist extrem identitätsstiftend, bei Siegen ist ein ganzes Volk, ist eine ganze Stadt total happy. Und im Fußball ist im Saarland der FCS ganz klar der Verein der Herzen, der am meisten identitätsstiftend ist.
Die Polizei in Saarbrücken wurde gerade zuletzt mit Sprüchen und Plakaten von Fans übel beschimpft, „Scheiß Bullen!“war noch harmlos. Was sagen Sie dazu?
DRÄGER-PITZEs gab auch ein ominöses Flugblatt, das zum Kampf gegen die Polizei aufgerufen hat. Ich stelle mir die Frage, wer steht wirklich hinter diesem Flugblatt oder hinter diesen Plakaten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die wahre Fan-Szene ist. Das mögen einige sein, vielleicht einige junge Wilde. Ich glaube nicht, dass das eine repräsentative Mehrheit ist. Das glaube ich einfach nicht. Und so schlimm die Entgleisungen waren, man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Für mich ist das Vergangenheit. Ich denke, wir haben jetzt die Gelegenheit, auf einem neuen Fundament, auf einer verlässlichen Basis das Thema Fußballfest beim 1. FC Saarbrücken in eine neue Ära der Zusammenarbeit zu führen.
Vergangene Woche fand auf Initiative des FCS ein erstes Treffen mit Ihnen, Fans und Vereinsverantwortlichen statt. Ein neuer Anfang? Ein guter Anfang?
DRÄGER-PITZ Es war eine eher kleine Runde. Zur Sprache kam unter anderem, dass die Polizei als unzuverlässig wahrgenommen wurde. Details sind mir da nicht bekannt. Aber ich bin gerne immer bereit, mit allen zu reden und Lösungen zu suchen. Ich finde es wichtig, dass man in einen neuen Dialog kommt.
Thomas DrägerPitz ist seit Jahresanfang Polizeichef in der Saarbrücker Karcherstraße.
Unabhängig vom Weiterkommen im DFB-Pokal. Wird es bald weitere Risikospiele im Ludwigspark geben? DRÄGER-PITZ Das Drittliga-Spiel gegen Essen wird auf jeden Fall ein Risikospiel. Halle und Bielefeld möglicherweise auch. Wichtig ist für uns, dass irgendwann jeder weiß: Risikospiel gleich Sperrung der Camphauser Straße. Und dass das akzeptiert wird, dass die Fans sagen: Okay, dann ist es eben so. Wir wollen natürlich so wenige Risikospiele wie möglich. Denn jedes einzelne ist auch für uns ein Kraftakt. Wobei das kein Grund für die Bewertung sein kann. Es kommt einzig und allein auf die realen Risiken und Gefahren der jeweiligen Begegnung an.