Saarbruecker Zeitung

Hitzige Debatte um AfD und „Remigratio­n“

SPD und CDU nahmen am Dienstag die AfD-Fraktion im Landtag gemeinsam in die Zange. Einen CDU-Antrag lehnte die SPD-Mehrheit dann aber ab.

- VON FLORIAN RECH

Lautstark hat der saarländis­che Landtag am Dienstag über die Bedeutung der Massendemo­nstratione­n der letzten Wochen gegen die AfD und Rechtsextr­emismus und einen Antrag der AfD zur sogenannte­n „Remigratio­n“gestritten. Letzteren hatte die SPD-Fraktion ursprüngli­ch von der Tagesordnu­ng streichen lassen wollen. Die Plenardeba­tte wurde dabei zu einer Befragung der AfD-Fraktion und besonders des saarländis­chen AfD-Vorsitzend­en Carsten Becker durch Abgeordnet­e der SPD und CDU. Die wollten vor allem wissen, wie Becker und seine AfD zu den, durch Recherchen des Netzwerks Correctiv bekannt gewordenen, Plänen zur Ausweisung von Asylbewerb­ern und Deutschen mit Migrations­hintergrun­d stehen.

„Herr Becker, wie ist Ihr Verhältnis zur rechtsextr­emen Identitäre Bewegung, von der Sie gerne mal T-Shirts tragen? Was sagen Sie zu den Plänen zur Ausweisung von Menschen mit deutschem Pass? Ist das Ihre Vorstellun­g des Begriffs Remigratio­n?“fragt die SPD-Abgeordent­e Sevim Kaya-Karada und fügt hinzu, dass sie von Becker keine Antwort erwartet. „Weil Sie nämlich feige sind und lieber dort die Maske fallen lassen, wo Sie sich sicher fühlen“, sagt Kaya-Karada und meint damit rechtsextr­eme Medien, für die Becker Beiträge verfasste.

Becker und der Saar-AfD gehe es mit dem Begriff Remigratio­n nicht um die Abschiebun­g ausreisepf­lichtiger Ausländer, sondern schlicht um die Vertreibun­g von Menschen mit Migrations­hintergrun­d. „Die bekannt gewordenen Pläne sind eine Schande! Sie sind ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die maßgeblich zum Wohlstand unseres Landes beigetrage­n haben“, sagt die SPD-Abgeordnet­e.

AfD-Chef Carsten Becker gibt zu Protokoll, dass er und seine Fraktion „Remigratio­n“gänzlich anders deuten. „Der Begriff Remigratio­n ist für mich attraktiv, weil das bedeutet, etwas rückgängig zu machen“, so Becker. Er setzt Remigratio­n mit der Abschiebun­g von ausreisepf­lichtigen Ausländern gleich. Die Landes- und vor allem die Bundesregi­erung müsse sich dafür starkmache­n, dass die aktuell 300 000 ausreisepf­lichtigen Ausländer (davon haben 248 000 den Status geduldet) abgeschobe­n werden. Gut integriert­e Menschen mit Migrations­hintergrun­d will man dagegen nicht ausweisen, sondern: „uns darum bemühen, dass wir die für die AfD begeistern können“, sagt Becker.

Alle Vorwürfe der SPD und CDU seien absurd und reine Polemik. Nicht die AfD schüre Hass und Hetze, das tue ausschließ­lich die SPD, so Becker. „Von Ihnen höre ich immer nur Nazi, Nazi, Nazi“, sagt Becker am Rednerpult. „Weil Sie einer sind!“, ruft der SPD-Abgeordnet­e Pascal Arweiler dazwischen, „Sie sind wirklich ein Nazi!“. Landtagsvi­zepräsiden­tin Dagmar Heib (CDU) ruft den SPD-Mann nicht zur Ordnung. Aber der Landtag gibt im Nachgang an, Heib habe den Zwischenru­f nicht gehört. Das Landtagspr­äsidium wolle sich nachträgli­ch noch einmal mit der Einlassung befassen.

„Sie sind wirklich ein Nazi!“Der SPD-Abgeordnet­e Pascal Arweiler zu Saar-AfD-Chef Carsten Becker

Zu seinen Verbindung­en zur rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung ging Becker auf mehrfache Nachfrage ein. „Das ist eine patriotisc­he Jugend. Wir stehen hier und da im Dialog. Sie hetzen nur den Verfassung­sschutz auf diese jungen Menschen“, so Becker in Richtung der SPD-Fraktion.

Gewaltig gegen den Strich gehen der AfD die Massenprot­este der vergangene­n Wochen. Als „Demonstrat­ionen gegen das Volk“bezeichnet sie der AfD-Vorsitzend­e Josef Dörr. Carsten Becker geht noch weiter

und spricht von einer Inszenieru­ng. „Es ist ja nicht so, dass das alles unabhängig­e Leute sind“, sagt Becker über die Demonstran­ten. Vielmehr erinnerten die Anti-AfD-Demos an Proteste gegen Rechts in der DDR, zu denen regimetreu­e SEDler von der Regierung geschickt worden seien.

SPD und CDU loben dagegen die Demonstrat­ionen. Er sei stolz auf die Demos „für Demokratie und einen starken Rechtsstaa­t“, sagt der CDU-Mann Raphael Schäfer, „wir erleben gerade Großartige­s!“.

In einem eigenen Antrag spricht sich die CDU-Fraktion erneut für eine umfassende Reform des Asylrechts aus und findet dabei die Zustimmung der AfD.

Die SPD-Mehrheit im saarländis­chen Landtag lehnt das ab. Am Ende setzt sich ein Antrag der SPDFraktio­n durch. Darin fordern die Sozialdemo­kraten einen Beauftragt­en gegen Rassismus im Saarland, mehr Geld für politische Bildung, mehr Schutz für Synagogen sowie mehr Personal für den Verfassung­sschutz im Saarland.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der Vorsitzend­e der AfD im Saarland, Carsten Becker, im Plenum des saarländis­chen Landtags. Er musste sich heftige Vorwürfe aus den Reihen von SPD und CDU anhören.

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