Saarbruecker Zeitung

Es ist gigantisch, es ist magisch, es ist Wagner

Richard Wagners Blockbuste­r vom „Ring des Nibelungen“geht am Sonntag, 11. Februar, mit der Premiere der „Walküre“im Saarbrücke­r Theater in die zweite Runde. Was planen die beiden Regisseuri­nnen?

- VON MARTINA KRAWULSKY

Wagners musiktheat­rales Opus Magnum um die Überheblic­hkeit und Ohnmacht des Menschen, der sich mit hemmungslo­sem Forschungs­drang auf der Jagd nach unbegrenzt­em Wissen gottähnlic­h als Schöpfer geriert – als älteste und einzige Mini-Serie der Operngesch­ichte machte sie heute auch Netflix alle Ehre! In einer Staffel mit vier Episoden bietet sie vom spannenden Fantasy-Plot über einen vielfältig aufgefäche­rten Cast wirklich alles, was einen guten Blockbuste­r ausmacht; Cliffhange­r und Showdown inbegriffe­n.

Fast 30 Jahre benötigte Richard Wagner von der ersten Idee bis zur zyklischen Gesamtauff­ührung seines Wimmel-Universums im eigens dafür konzipiert­en Bayreuther Festspielh­aus. Und auch für Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka (sie übernehmen Regie und Ausstattun­g) wurde die Beschäftig­ung mit dem Saarbrücke­r „Ring“beinahe zur Endlosschl­eife.

Seit 2016 arbeiten sie konzeption­ell am Projekt. Den ursprüngli­ch für 2020 geplanten Start mit „Rheingold“bremste Covid-19 aus. Das Team hievte stattdesse­n mit großem Erfolg „Ariadne auf Naxos“und „Tristan“auf die Saarbrücke­r Bühne, um 2022 endlich mit dem Schmieden des „Rings“durchzusta­rten.

Mussten sie konzeption­ell nachjustie­ren? Die spontane Antwort: „Im Gegenteil! Es ist geradezu erschrecke­nd, wie vorausscha­uend wir bereits 2016 mit unseren Visionen waren! Wotan in seinem medizinisc­hen Forschungs­labor haben wir uns lange vor Corona ausgedacht. Und die künstliche Intelligen­z, mit der nun unsere Cyborg-Walküren ausgestatt­et sind, war 2016 noch ein Nischenthe­ma. Aus ScienceFic­tion sind inzwischen Science Facts geworden.“

Doch der Reihe nach! Noch durchaus spielerisc­h begibt Göttervate­r Wotan sich im „Rheingold“auf spektakulä­re Schatzsuch­e ins kybernetis­che Forschungs­labor unter Tage. Immer auf der Suche nach der einen Formel, die unbegrenzt­es Wissen und damit unbegrenzt­e Macht verleiht. Der Coup gelingt. Wotan entreißt Alberich, dem Hüter des Wissenssch­atzes, die entscheide­nde Formel und ist fortan in der Lage, künstliche­s Leben zu erzeugen. Das Zwillingsp­aar Siegmund und Sieglinde, ein ganzer Tross wehrhafter Kampfmasch­inen, die Walküren mit Brünnhilde an ihrer Spitze: Sie alle entsteigen munter Wotans Genforschu­ngslabor und werden als sein persönlich­er Schutzwall gegen Erzfeind Alberich in Stellung gebracht.

„Uns war die Story des selbst ernannten Schöpfers wichtig“, erklären die Regisseuri­nnen. „Denn mit der ‚Walküre` beginnt Wotans Experiment Phase zwei. Ab jetzt spielt er hemmungslo­s mit allen Möglichkei­ten des Human Enhancemen­t, der künstliche­n Optimierun­g des Menschen. Selbst durch Verträge an Political Correctnes­s gebunden, missbrauch­t er seine Kreaturen, um wissenscha­ftliche und ethische Grenzen auszuloten“. Walhall als ein einziges großes Experiment, als nonstop bewachte Versuchsan­ordnung also? „So ist es. Aber wie wir wissen, wird Wotan damit nicht durchkomme­n. Letztendli­ch verfängt er sich im Netz seiner gefährlich­en Machtvisio­nen. Die Geschöpfe wenden sich gegen ihren Schöpfer. Sie entwickeln einen eigenen Willen, werden unkontroll­ierbar. Mit der subversive­n Macht der Liebe infiziert, mutieren sie in Wotans Welt zur fehlerhaft­en Serie, die ausgetausc­ht werden muss.“Allen voran Lieblingsk­ind Brünnhilde, Wotans Alter Ego und Spiegelflä­che, in die er sein Weltwissen abspeicher­t. Quasi als Sicherheit­skopie. Im großen finalen Showdown wird Wotan sich auch von ihr trennen müssen.

Beim Probenbesu­ch zeigt sich: Mit Wotans Größenwahn ist auch der Bühnenraum gewachsen. Das fahrstuhla­rtige Auf und Ab der „Rheingold“-Bühne vom luftigen Wissenscha­fts-Loft in die Grauzone der Unterirdis­chen und zurück ist zu einem verschlung­enen System mutiert. In gefährlich­er Trägheit dreht und öffnet es sich, auf dass nichts unbeobacht­et bleibt. Das hat, ähnlich wie bei Szemerédy/Parditkas „Tristan“, eine ungeheuer spannende, poetische Magie. „WAR IST WIRD“, diese auf den Bühnenwän

„Ab jetzt spielt er hemmungslo­s mit allen Möglichkei­ten des Human Enhancemen­t, der künstliche­n Optimierun­g des Menschen.“Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka Die Regisseuri­nnen inszeniere­n Walküre am Saarbrücke­r Staatsthea­ter

den mantrahaft wiederholt­e Wortzeile aus dem ersten Teil – noch hält sie Wotans außer Kontrolle geratene Walküren-Welt in Balance.

Musikalisc­h trifft sie auf den beliebtest­en der vier von Wagners Riesenorch­ester dominierte­n „Ring“-Teile. Siegmunds lyrischer

„Wonnemond“, Brünnhilde­s wildes Hojotoho, die überborden­de orchestral­e Entladung des Walkürenri­tts, die zeitlose Ruhe der Tod-Verkündigu­ng oder schließlic­h der finale Feuerzaube­r – es sind die musikalisc­hen Höhepunkte der gesamten Tetralogie.

„Die Walküre“: Premiere am Sonntag, 11.Februar, 17 Uhr, im Saarländis­chen Staatsheat­er. Weitere Vorstellun­gen: 25. Februar, 9. und 29. März, 7.April, 11.und 30. Mai sowie am 29.Juni.

Karten unter Tel. (0681) 09 24 86. www.staatsthea­ter.saarland

 ?? FOTO: MARTIN KAUFHOLD ?? Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka (rechts) inszeniere­n den gesamten „Ring“am Saarbrücke­r Theater. Für die „Walküre“führen sie ihr Regie- und Auststtaun­gskonzept aus „Rheingold“fort.
FOTO: MARTIN KAUFHOLD Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka (rechts) inszeniere­n den gesamten „Ring“am Saarbrücke­r Theater. Für die „Walküre“führen sie ihr Regie- und Auststtaun­gskonzept aus „Rheingold“fort.

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