Modellprojekt gegen Armut in Burbach
Der Armutsbericht von 2022 hat die SPD-Landesregierung im Saarland wach gerüttelt. Immer mehr Menschen verlieren den Anschluss. Die SPD-Regierung reagiert jetzt mit einem Programm zur Armutsbekämpfung in benachteiligten Stadtvierteln. Drei Modell-Quartier
Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Betroffen sind vor allem alte und kranke Menschen, Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Einwanderer und insbesondere Kinder. Im wohlhabenden Deutschland bedeutet Armut vor allem einen Mangel an sozialer Teilhabe und schlechtere Bildungs- und Aufstiegschancen.
Dass sich die Lebenschancen für immer mehr Menschen vor allem in Brennpunktvierteln verschlechtern, kann man im zweiten Armuts- und Reichtumsbericht für das Saarland vom Juni 2022 schwarz auf weiß nachlesen. Um dem entgegenzuwirken, hat Saar-Sozialminister Magnus Jung (SPD) ein neues Programm ins Leben gerufen: „Armutsbekämpfung im Quartier“.
Es ist ein Modellprojekt für zunächst drei saarländische Brennpunkt-Stadtteile: Burbach sowie Teile der Völklinger Innenstadt und Neunkirchens. Das quartiersbezogene Programm ist auf zehn Jahre angelegt, um nachhaltige Struktu
ren der Armutsbekämpfung erproben und etablieren zu können.
Die Referatsleiterin für Armutsberichterstattung im Sozialministerium, Sandrine Boudot, stellte den Ansatz, der seit 2022 in einer interministeriellen Arbeitsgruppe entwickelt worden war, kürzlich im Sozialausschuss des Saarbrücker Stadtrates vor. „Das Ziel ist, dass Quartiere mit verfestigter Armut zu aufstrebenden Quartieren werden“, sagte sie.
Das „vernetzungsorientierte Konzept“soll dieses Jahr starten, kündigte Boudot an. Demnächst
werde dazu eine Absichtserklärung (ein „letter of intent“) unterzeichnet. In Burbach habe man bereits Gespräche mit Akteuren auf vielen Ebenen geführt, darunter der Bezirksrat und die Stadtverwaltung, der Regionalverband, Vereine und Gemeinwesenprojekte.
In Burbach wird es nun also konkret: Das Projektgebiet ist definiert
und umfasst die Hochstraße und den Füllengarten, den Burbacher Markt, den Pfaffenkopf, und auch den IT-Park. In dem Quartier leben rund 11 500 Menschen, von denen knapp 53 Prozent eine Migrationsgeschichte haben. 43 Prozent von ihnen sind auf Sozialleistungen angewiesen.
Zunächst werde eine „Sozial
raum-Analyse“gemacht. Dafür sollen Interviews sowohl mit Experten als auch mit Menschen aus dem Viertel geführt werden, erläuterte Boudot. Anschließend wird ermittelt, was das Quartier braucht, welche Vorschläge die vielen Gemeinwesenprojekte machen, was Bürger und Bürgerinnen wünschen.
„Wir wollen eine Vernetzungsstelle im Quartier eröffnen, ergänzend zum vorhandenen Quartiersmanagement“, so Boudot. Dort sollen nicht nur etablierte Hilfsangebote koordiniert, sondern auch der Draht in die mitwirkenden Verwaltungen und Ministerien sichergestellt werden. Doppelstrukturen wolle man ausdrücklich vermeiden.
Wichtig sei die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung des Ansatzes durch die HTW Saar (Soziale Arbeit), die bereits auf dem Gebiet forscht. Ab Ende 2026 soll das Konzept praxistauglich sein und dann in weiteren benachteiligten Quartieren im Saarland für Verbesserungen von „Verwirklichungs-Chancen“sorgen.
Gerade für Kinder unter 18 Jahren hat sich die Situation verschlechtert. „Die Einkommensarmuts-Risikoquote von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist im Verhältnis zur Quote in der Gesamtbevölkerung des Saarlandes seit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht überproportional stark gestiegen“, heißt es im aktuellen Armutsbericht, der Daten bis 2020 auswertet.
„Während die am Landesmedian bemessene Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung im Zeitraum von 2013 bis 2020 um 0,3 Prozentpunkte auf 16,2 Prozent gewachsen ist, verzeichneten die entsprechenden Quoten der Kinder und Jugendlichen im selben Zeitraum einen Zuwachs von 2,3 Prozentpunkten auf 20,8 Prozent im Jahr 2020.“Jeder fünfte junge Mensch im Saarland ist also armutsgefährdet – im bundesweiten Vergleich ist dies die dritthöchste Quote.
Deutlich überproportional von (relativer) Armut bedroht waren im Saarland zudem Haushalte von Alleinerziehenden, Paarhaushalte mit drei oder mehr Kindern sowie sonstige Haushaltsformen mit Kindern. Die Einkommensarmuts-Risikoquote von Personen in Alleinerziehendenhaushalten hat sich im Jahr 2019 mit einem Wert von 47,9 Prozent um immerhin 13,6 Prozentpunkte gegenüber 2005 erhöht, ist im Bericht zu lesen. Viele dieser Menschen leben in Stadtteilen wie Burbach.
„Das Ziel ist, dass Quartiere mit verfestigter Armut zu aufstrebenden Quartieren werden.“Sandrine Boudot Referatsleiterin für Armutsberichterstattung im Sozialministerium des Saarlands über das Modellprojekt „Armutsbekämpfung im Quartier“