Niemand, der Hilfe braucht, bleibt unsichtbar
Die Streetworker und Sozialarbeiter Miriam Bauer und Philipp Brausch von „ SOS-Kinderdorf “kümmern sich in Völklingen beispielsweise um junge Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind oder auf der Straße leben – an Orten, an denen man „unsichtbar“wir
Beim Rausgehen packt Philipp Brausch (31) schnell noch die Tüte mit den süßen Teilchen aus der Bäckerei ein. „Zu einem Hausbesuch sollte man nie mit leeren Händen kommen“, sagt der Sozialarbeiter.
Mit seiner Kollegin Miriam Bauer (30) macht er sich auf den Weg zu einem Klienten, der kürzlich in Geislautern eine Wohnung gefunden hat. Im Auftrag der Stadt Völklingen unterstützen die Mitarbeiter des Vereins „SOS-Kinderdorf Saarbrücken“junge Menschen, die keinen Job finden, verschuldet sind oder Ärger mit den Eltern haben.
Die beiden Sozialarbeiter beraten unkompliziert und kostenlos. Und das nicht nur in den Räumen des Jugenddienstes in der Bismarckstraße. Die beiden sind auch viel unterwegs. Ihr Auto – getauft auf den Namen „Blaues Wunder“– parkt direkt hinterm Haus.
Auf dem Weg nach Geislautern passieren wir den Völklinger Platz. Vor dem Weltkulturerbe sprechen Brausch und Bauer oft mit Jugendlichen, die sich auf der Treppe treffen. An jenem Tag sitzen dort zwei Männer. „Sie sehen schon älter aus“, erkennt Brausch im Vorbeifahren.
Zur Zielgruppe der Sozialarbeiter gehören Männer und Frauen bis 27 Jahre. Immer wieder komme es vor, dass ein junger Erwachsener von den Eltern vor die Tür gesetzt wird oder von zuhause ausreißt. Aktuell seien etwa 15 bis 20 junge Leute in Völklingen wohnungslos gemeldet, erklären die Streetworker.
Meist kommen die Jugendlichen bei Freunden unter, selten muss jemand draußen übernachten. Mit
Unterstützung von Brausch und Bauer findet sich in der Regel nach einigen Monaten eine feste Bleibe. Das Duo hilft nicht nur bei der Sichtung des Wohnungsmarktes, sondern auch beim Ausfüllen von Anträgen. „Bürokratie können wir gut“, versichert Philipp Brausch. Manchmal sind aber auch die Profis machtlos. Etwa einmal im Jahr wird einer ihrer Schützlinge für einige Zeit obdachlos.
Wir halten an einem Schlafplatz, der früher von einem Pärchen genutzt wurde. Er befindet sich unter einer Brücke, eine Mauer und ein Bauzaun schützen ihn vor unliebsamen Blicken und Besuchern. Auf dem Beifahrersitz des Autowracks,
in dem die beiden übernachtet haben, liegt noch der Flyer des Jugenddienstes.
Es gebe in Völklingen mehrere solcher Schlafstellen, berichten die Sozialarbeiter. Sie sprechen von „Plätzen, an denen man sich unsichtbar machen kann“. Gerade in kleineren Städten scheuen junge Obdachlose die Öffentlichkeit. Zu groß ist die Angst, auf der Straße erkannt zu werden.
Der junge Mann, den die Sozialarbeiter in Geislautern besuchen, hat mittlerweile wieder ein Dach über dem Kopf. Bei der Begrüßung drückt Brausch ihm die Kaffeestückchen in die Hand: „Ein Mal mit und ein Mal ohne Nuss.“Der Gastgeber, der Mika genannt werden möchte, lebte bis vor kurzem in Sachsen. „Es ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte“, erzählt der 27-Jährige.
Mika verlor seinen Job, es gab Probleme mit dem Vermieter. Im September 2023 stand er auf der Straße. Sein Freund schlug ihm vor, ins Saarland zu kommen und erst mal bei ihm zu wohnen. Mika nahm das Angebot an.
Bei der Suche nach einer eigenen Wohnung hagelte es zunächst Absagen. Erst eine eigene Such-Anzeige im Internet führte zum Erfolg. Eigentlich war die schmucke Wohnung zu teuer. Mit Hilfe der Fachleute vom Jugenddienst fand sich eine Lösung. Der Teil der Miete, den das Jobcenter nicht übernimmt, bezahlt Mika nun vom Bürgergeld. Der Fahrzeuglackierer, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in seinem erlernten Beruf arbeiten kann, will sich nun einen neuen Job suchen. Brausch und Bauer werden ihn auch bei den schriftlichen Bewerbungen unterstützen.
Sie wissen, dass der erste Eindruck zählt. Wer mit dem Anschreiben nicht überzeugt, ist schnell aus dem Rennen. Am Ende des Gesprächs laden sie Mika und seinen Freund zum nächsten Frühstück in die Räume des Jugenddienstes ein. In der Bismarckstraße 20 kann jeder ohne Termin vorbeischauen.
Etwa 700 Beratungsgespräche im Jahr werden hier geführt. Sprechstunde ist dienstags und donnerstags von 9 bis 13 Uhr. In dem gemütlich eingerichteten Treff steht ein Tischfußballspiel. Man darf auch die Waschmaschine nutzen und wer einen warmen Pulli sucht, wird in der Kleiderkammer fündig. Für die Versorgung im Notfall liegen Schlafsäcke, Konserven und Zahnpastatuben bereit.
Gegenüber befindet sich die Bäckerei, in der Brausch und Bauer manchmal die süßen Teilchen für ihre Schützlinge kaufen. Es kommt vor, dass ihnen bei ihren Stippvisiten selbst Schmackhaftes angeboten wird. So wie kürzlich von einer ehemaligen Klientin, die sie an ihrem Arbeitsplatz in einer Imbiss-Bude besuchten.
Kontakt: Philipp Brausch, Tel. (01 76) 12 60 63 45; Miriam Bauer, Tel. (01 76) 12 60 63 33.