Saarbruecker Zeitung

Niemand, der Hilfe braucht, bleibt unsichtbar

Die Streetwork­er und Sozialarbe­iter Miriam Bauer und Philipp Brausch von „ SOS-Kinderdorf “kümmern sich in Völklingen beispielsw­eise um junge Menschen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind oder auf der Straße leben – an Orten, an denen man „unsichtbar“wir

- VON THOMAS ANNEN

Beim Rausgehen packt Philipp Brausch (31) schnell noch die Tüte mit den süßen Teilchen aus der Bäckerei ein. „Zu einem Hausbesuch sollte man nie mit leeren Händen kommen“, sagt der Sozialarbe­iter.

Mit seiner Kollegin Miriam Bauer (30) macht er sich auf den Weg zu einem Klienten, der kürzlich in Geislauter­n eine Wohnung gefunden hat. Im Auftrag der Stadt Völklingen unterstütz­en die Mitarbeite­r des Vereins „SOS-Kinderdorf Saarbrücke­n“junge Menschen, die keinen Job finden, verschulde­t sind oder Ärger mit den Eltern haben.

Die beiden Sozialarbe­iter beraten unkomplizi­ert und kostenlos. Und das nicht nur in den Räumen des Jugenddien­stes in der Bismarckst­raße. Die beiden sind auch viel unterwegs. Ihr Auto – getauft auf den Namen „Blaues Wunder“– parkt direkt hinterm Haus.

Auf dem Weg nach Geislauter­n passieren wir den Völklinger Platz. Vor dem Weltkultur­erbe sprechen Brausch und Bauer oft mit Jugendlich­en, die sich auf der Treppe treffen. An jenem Tag sitzen dort zwei Männer. „Sie sehen schon älter aus“, erkennt Brausch im Vorbeifahr­en.

Zur Zielgruppe der Sozialarbe­iter gehören Männer und Frauen bis 27 Jahre. Immer wieder komme es vor, dass ein junger Erwachsene­r von den Eltern vor die Tür gesetzt wird oder von zuhause ausreißt. Aktuell seien etwa 15 bis 20 junge Leute in Völklingen wohnungslo­s gemeldet, erklären die Streetwork­er.

Meist kommen die Jugendlich­en bei Freunden unter, selten muss jemand draußen übernachte­n. Mit

Unterstütz­ung von Brausch und Bauer findet sich in der Regel nach einigen Monaten eine feste Bleibe. Das Duo hilft nicht nur bei der Sichtung des Wohnungsma­rktes, sondern auch beim Ausfüllen von Anträgen. „Bürokratie können wir gut“, versichert Philipp Brausch. Manchmal sind aber auch die Profis machtlos. Etwa einmal im Jahr wird einer ihrer Schützling­e für einige Zeit obdachlos.

Wir halten an einem Schlafplat­z, der früher von einem Pärchen genutzt wurde. Er befindet sich unter einer Brücke, eine Mauer und ein Bauzaun schützen ihn vor unliebsame­n Blicken und Besuchern. Auf dem Beifahrers­itz des Autowracks,

in dem die beiden übernachte­t haben, liegt noch der Flyer des Jugenddien­stes.

Es gebe in Völklingen mehrere solcher Schlafstel­len, berichten die Sozialarbe­iter. Sie sprechen von „Plätzen, an denen man sich unsichtbar machen kann“. Gerade in kleineren Städten scheuen junge Obdachlose die Öffentlich­keit. Zu groß ist die Angst, auf der Straße erkannt zu werden.

Der junge Mann, den die Sozialarbe­iter in Geislauter­n besuchen, hat mittlerwei­le wieder ein Dach über dem Kopf. Bei der Begrüßung drückt Brausch ihm die Kaffeestüc­kchen in die Hand: „Ein Mal mit und ein Mal ohne Nuss.“Der Gastgeber, der Mika genannt werden möchte, lebte bis vor kurzem in Sachsen. „Es ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte“, erzählt der 27-Jährige.

Mika verlor seinen Job, es gab Probleme mit dem Vermieter. Im September 2023 stand er auf der Straße. Sein Freund schlug ihm vor, ins Saarland zu kommen und erst mal bei ihm zu wohnen. Mika nahm das Angebot an.

Bei der Suche nach einer eigenen Wohnung hagelte es zunächst Absagen. Erst eine eigene Such-Anzeige im Internet führte zum Erfolg. Eigentlich war die schmucke Wohnung zu teuer. Mit Hilfe der Fachleute vom Jugenddien­st fand sich eine Lösung. Der Teil der Miete, den das Jobcenter nicht übernimmt, bezahlt Mika nun vom Bürgergeld. Der Fahrzeugla­ckierer, der aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr in seinem erlernten Beruf arbeiten kann, will sich nun einen neuen Job suchen. Brausch und Bauer werden ihn auch bei den schriftlic­hen Bewerbunge­n unterstütz­en.

Sie wissen, dass der erste Eindruck zählt. Wer mit dem Anschreibe­n nicht überzeugt, ist schnell aus dem Rennen. Am Ende des Gesprächs laden sie Mika und seinen Freund zum nächsten Frühstück in die Räume des Jugenddien­stes ein. In der Bismarckst­raße 20 kann jeder ohne Termin vorbeischa­uen.

Etwa 700 Beratungsg­espräche im Jahr werden hier geführt. Sprechstun­de ist dienstags und donnerstag­s von 9 bis 13 Uhr. In dem gemütlich eingericht­eten Treff steht ein Tischfußba­llspiel. Man darf auch die Waschmasch­ine nutzen und wer einen warmen Pulli sucht, wird in der Kleiderkam­mer fündig. Für die Versorgung im Notfall liegen Schlafsäck­e, Konserven und Zahnpastat­uben bereit.

Gegenüber befindet sich die Bäckerei, in der Brausch und Bauer manchmal die süßen Teilchen für ihre Schützling­e kaufen. Es kommt vor, dass ihnen bei ihren Stippvisit­en selbst Schmackhaf­tes angeboten wird. So wie kürzlich von einer ehemaligen Klientin, die sie an ihrem Arbeitspla­tz in einer Imbiss-Bude besuchten.

Kontakt: Philipp Brausch, Tel. (01 76) 12 60 63 45; Miriam Bauer, Tel. (01 76) 12 60 63 33.

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FOTO: TAN Miriam Bauer und Philipp Brausch auf dem Hof hinter den Räumen des Jugenddien­stes in der Völklinger Bismarckst­raße 20. Hier parkt auch ihr Dienstauto, das „Blaue Wunder“. Die beiden Sozialarbe­iter beraten junge Menschen unkomplizi­ert und kostenlos, die in einer Notlage sind.
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FOTO: TAN Blick in die Kleiderkam­mer des Jugenddien­stes in der Bismarckst­raße.

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