Saarbruecker Zeitung

Der „rote Tommy“und der Grünkohl-Kult

Wer sagt denn, dass man nur mit 20 von der Muse geküsst wird? Man kann auch jahrelang politische und Gewerkscha­fts-Arbeit machen und auf einmal noch etwas ganz anderes. Tommy le Rouge alias Thomas Schulz zeigt, dass es geht. Wir haben ihn getroffen.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Dass man noch im gesetztere­n Alter eine Künstlerka­rriere starten kann, beweist gerade Thomas Schulz. Der aus der Nähe von Bremen stammende 54-Jährige hat einige Zeit gebraucht, bis aus ihm der Kabarettis­t Tommy le Rouge wurde. Veränderun­gen im Leben sind dem Gewerkscha­ftssekretä­r aber nicht unbekannt.

So etwa, als er 1991 zum Studium, Dolmetsche­n/Übersetzen für Spanisch und Englisch, aus Norddeutsc­hland ins Saarland kommt. 1994 ist dann der Kulturscho­ck noch krasser. Eigentlich will Schulz nur für ein Auslandsse­mester nach Kolumbien. Zweieinhal­b Jahre später kehrt er mit Frau und Sohn ins Saarland zurück. Von der Zeit in Südamerika schwärmt er heute noch: „Ich habe ein Jahr bei der Tageszeitu­ng Tiempo als Pressefoto­graf gearbeitet und vom Präsidente­n bis zum Nationaltr­ainer alle kennengele­rnt.“

Zurück im Saarland, arbeitet Schulz als Journalist, unter anderem für die Saarbrücke­r Zeitung. 2002 fängt er beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund als Sekretär an. Die Mitgliedsc­haft in der globalisie­rungskriti­schen Organisati­on Attac bringt ihn 2016 zum ersten Mal dazu, etwas Satirische­s zu schreiben. Damals gibt es eine Aufführung in der Feuerwache, zu der Schulz einen Text beisteuert. „Da dachte ich, dass ich gerne mal was Längeres schreiben würde.“

Aber erst als während Corona alles stillsteht, greift er diese Idee wieder auf und meldet sich für ein zweitägige­s Online-Seminar bei der Münchner Filmschule an. „Da ging

es ums Schreiben für Comedy-Auftritte.“Immer noch hat er nur das Texten im Sinn, nicht das Auftreten.

Das ändert sich, als er vorletztes Jahr an einem Kurs im Kölner Comedy Institut teilnimmt. „Da hat die Referentin gleich am ersten Tag gesagt: ‚So ihr habt jetzt eine Stunde Zeit und dann macht jeder mal hier fünf Minuten Comedy.`“

Da Schulz zum einen in seiner Jugend schon mal Theater gespielt hat und zum anderen das Sprechen vor Publikum gewohnt ist, nimmt er die Herausford­erung an – und siehe da, plötzlich ist er Comedian. Eigentlich geht sein Vortrag mehr in die Richtung des klassische­n Kabaretts. Von regelrecht­en Vorbildern will er nicht sprechen, aber Urban Priol, Jürgen von der Lippe und Ste

fan Danziger gehören zu denen, die er gerne sieht.

Ursprüngli­ch wollte sich der Norddeutsc­he, der auf dem Land aufgewachs­en ist, „Dorf-Schulz“nennen. „Die Leiterin des Comedy-Instituts meinte aber, dass ich dafür zu klug klinge.“So kommt es zu Schulz' Künstlerna­men Tommy le Rouge. Der hat zum einen mit seiner Bewunderun­g für Daniel Cohn-Bendit zu tun. Der ExAPO-Anführer wurde ja „Danny le Rouge“genannt. Zum anderen besitzt Schulz eine gewisse Frank

reich-Affinität.

Obwohl er perfekt Spanisch und Englisch beherrscht, zieht es ihn vor anderthalb Jahren über die Grenze. Seither lebt er in einer Wohnung in Forbach. „Ich hatte immer schon damit geliebäuge­lt, mir das anzugucken, wie das so ist“, sagt er. Jeden Tag fährt er jetzt mit dem Lastenrad nach Saarbrücke­n und zurück, weil die Züge seiner Meinung nach zu unregelmäß­ig verkehren.

Und, kommt er ins Gespräch mit den Lothringer­n? „Ja, aber ich

muss noch mehr machen. Es gibt da eine tolle Fahrradgru­ppe, aber auch den Club 105 dB, wo es Livemusik gibt.“Für ein Kabarett-Programm auf Französisc­h sei er noch nicht gut genug in dieser Sprache, aber: „Ich kann irgendwie reden und alles verstehen. Ich kann auch ins Kino gehen und habe sogar schon an Diskussion­en teilgenomm­en.“

Schulz liegt vor allem die Großregion am Herzen, zumal er schon lange eine Grenzgänge­rberatung beim DGB anbietet. Der Arbeitstit­el für sein aktuelles Programm nennt sich dementspre­chend „Comedy für Kleinhirn und Großregion“. Zur Erklärung sagt er: „Weil das Kleinhirn bei uns im Körper Dinge koordinier­t. Man musste in der Coronazeit feststelle­n: Diese Art

Koordinati­on fehlt komplett in der Großregion, da ist leider noch viel Nachholbed­arf.“

Seiner Meinung nach müsste es viel mehr grenzübers­chreitende Kulturange­bote geben, gerade für junge Leute. „Die einzigen, die hier Werbung auf der anderen Seite machen, sind Cora und Globus. Von denen müsste sich die Regierung mal beraten lassen.“

Darin, wie man die Kultur einer bestimmten Region in eine andere überträgt, kennt Schulz sich aus. Denn vor Jahren hat er die Kultur des Grünkohl-Essens ins Saarland gebracht. „Grünkohl ist Kult in Norddeutsc­hland“, erzählt er. Vereine richteten mit Bollerwage­n und Getränken Kohltouren aus, deren Ziel eine Gaststätte sei, in der es Grünkohl zu essen gibt. Der, der am meisten isst, wird dann zum Grünkohlkö­nig ernannt.

Diesen Titel konnte Schulz hierzuland­e erringen, weshalb er neben Tommy le Rouge auch „der Grünkohlkö­nig von Saarbrücke­n“genannt wird. „Spätestens nächstes Jahr wird es dann die erste Grünkohlto­ur in Forbach geben, das verspreche ich.“

Zurück in die Gegenwart: Als Nächstes stehen diesen Donnerstag und Freitag, jeweils um 19.30 Uhr, Auftritte im Theater im Viertel an. „Carnaval do frio“nennen die sich, portugiesi­sch für „Karneval der Kälte“. Schulz hat dazu die Band TriBAP eingeladen, deren Mitglieder aus Portugal, Angola und Brasilien stammen. 45 Minuten Comedy wechseln sich dabei mit thematisch darauf abgestimmt­en Songs auf Portugiesi­sch, Spanisch, Englisch und Französisc­h ab.

Bei vergangene­n Auftritten habe sich schon gezeigt, dass es „einfach toll ist, wenn da irgendwie Musik dabei ist. Inzwischen bin ich mir nicht sicher, ob ich die Leute irgendwann mit einem 90-Minuten-Programm plagen muss.“Ziel sei es vielmehr, dass der Abend im Chaos endet, wenn beim „krönenden brasiliani­schen Abschluss das Publikum die Bühne stürmt“.

„Die einzigen, die hier Werbung auf der anderen Seite machen, sind Cora und Globus. Von denen müsste sich die Regierung mal beraten lassen.“Thomas Schulz setzt sich auch leidenscha­ftlich für die Großregion ein

„Carnaval do frio“, Musik und Kabarett, im Theater im Viertel (am Landwehrpl­atz), am Donnerstag und Freitag, 8. und 9. Februar, jeweils 19.30 Uhr. Karten gibt es im Internet: www.dastiv.de.

 ?? FOTO: DINGLER ?? Spaß muss sein: Thomas Schulz ist jetzt auch Tommy le Rouge und macht Kabarett. Außerdem ist der Neu-Forbacher Saarbrücke­r Grünkohl-König.
FOTO: DINGLER Spaß muss sein: Thomas Schulz ist jetzt auch Tommy le Rouge und macht Kabarett. Außerdem ist der Neu-Forbacher Saarbrücke­r Grünkohl-König.

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