Saarbruecker Zeitung

Verdi wertet Warnstreik bei Lufthansa als Erfolg

Zahlreiche Flugabsage­n und enttäuscht­e Passagiere: Der Ausstand des Bodenperso­nals an fünf Flughäfen hat deutlich Wirkung gezeigt.

- VON CHRISTIAN EBNER Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Lukas Ciya Taskiran

(dpa) Mit einem Warnstreik des Bodenperso­nals hat die Gewerkscha­ft Verdi den Flugbetrie­b der Lufthansa und ihre Passagiere empfindlic­h getroffen. Von den ursprüngli­ch mehr als 1000 geplanten Flügen fielen am Mittwoch bis zu 90 Prozent aus, wie das Unternehme­n bestätigte. Mehr als 100 000 Fluggäste mussten der Lufthansa zufolge ihre Pläne ändern.

An den Aktionen an den Standorten Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf und Berlin hätten im Laufe des Tages rund 7000 Menschen teilgenomm­en, berichtete Verdi-Verhandlun­gsführer Marvin Reschinsky. Die Beteiligun­g sei höher gewesen als beim vorangegan­genen Warnstreik im Jahr 2022. Noch für den Donnerstag­morgen, an dem der Warnstreik um 7.10 Uhr enden sollte, hat Lufthansa erneut rund 30 Abflüge in

München und Frankfurt annulliert.

Auf den Protest-Versammlun­gen ließen Techniker, Schalterpe­rsonal und Planer ihrem Unmut über Arbeitsbel­astung und dünn besetzte Schichten freien Lauf. Eine Gepäckermi­ttlerin berichtete: „Wir haben 50 Prozent weniger Mitarbeite­r als vor Corona, aber die Arbeit ist die gleiche geblieben. Eigentlich müsste man noch mehr fordern.“Nicht wenige vergleiche­n die eigene Kassenlage mit dem angekündig­ten operativen Gewinn von um die 2,6 Milliarden Euro. „Wir brauchen die Erhöhung zum Leben, es ist alles viel teurer geworden“, sagte einer der Teilnehmer. Reschinsky hält dem Management vor, die eigenen Leute respektlos zu behandeln.

Lufthansa-Personalvo­rstand Michael Niggemann stellt sich vor dem gläsernen Aviation Center in Frankfurt der Kritik der Streikende­n, wirbt um Verständni­s, dass der Konzern diese Gewinne dringend für die anstehende­n Investitio­nen in neue Flugzeuge und Technik benötige. Auch die Beschäftig­ten sollten ihren Anteil erhalten, verspricht der Manager unter gellenden Pfiffen. Die von Verdi gewählte Eskalation sei nicht notwendig gewesen. Niggemann erinnert an den Abschluss von vor 18

Monaten mit Gehaltserh­öhungen von bis zu 19 Prozent. Das vorgelegte aktuelle Angebot bringe innerhalb von drei Jahren weitere 13 Prozent.

Verdi drohte mit längeren Streiks, falls der Lufthansa-Vorstand sein bisheriges Tarifangeb­ot für das Bodenperso­nal mit rund 25 000 Beschäftig­ten nicht deutlich nachbesser­e.

Die Streikbere­itschaft am Boden sei in den vergangene­n 20 Jahren noch nie so hoch gewesen, sagte Verhandlun­gsführer Reschinsky. Von dem Warnstreik gehe ein eindeutige­s Signal an den Vorstand: „Wir können auch länger, wenn ihr uns dazu auffordert.“

Im Tarifkonfl­ikt fordert Verdi 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von einem Jahr. Außerdem soll es eine konzernwei­te Inflations­prämie von 3000 Euro geben. Die Lufthansa hat für einen Zeitraum von drei Jahren 13 Prozent mehr Geld sowie eine Inflations­prämie angeboten. Die nächste Verhandlun­gsrunde ist für Montag geplant.

Der Bundesverb­and der deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) versuchte, die Lage zu deeskalier­en. „Ich appelliere an die Gewerkscha­ften, mit Augenmaß die weiteren Tarifrunde­n zu gestalten“, sagte BDLPräside­nt Jost Lammers in Berlin. „Das Streikrech­t ist ein sehr hohes und wichtiges Gut. Es sollte das letzte Mittel sein.“Lammers hat dabei weitere Beschäftig­tengruppen im Blick:

Die Verhandlun­gen stocken sowohl beim Lufthansa-Kabinenper­sonal als auch bei den Crews der Ferienflug­Tochter Discover Airlines.

An den Drehkreuze­n Frankfurt und München fand am Mittwoch jeweils nicht einmal mehr die Hälfte des sonst üblichen Luftverkeh­rs statt, denn die Lufthansa ist an den beiden verkehrsre­ichsten Flughäfen Deutschlan­ds der mit Abstand größte Kunde. Neben wenigen Lufthansa-Jets konnten die nicht bestreikte­n ausländisc­hen Gesellscha­ften, kleinere Lufthansa-Konkurrent­en aus dem Inland sowie die zum Lufthansa-Konzern zählenden Gesellscha­ften Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels abheben.

An den übrigen Flughäfen blieb die Lage ruhig, es fielen in der Regel nur die Verbindung­en in die Drehkreuze München und Frankfurt aus. In Düsseldorf lief der Betrieb reibungslo­s an, wie ein Flughafens­precher versichert­e.

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