Saarbruecker Zeitung

Nur noch sechs Bereitscha­ftsdienstp­raxen

Die Vertreterv­ersammlung der Kassenärzt­e im Saarland billigt die Reduzierun­g von derzeit zwölf auf sechs Standorte ab Januar 2025.

- VON MARTIN LINDEMANN

Ab Januar 2025 wird die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Saarland (KVS) die Zahl der Bereitscha­ftsdienstp­raxen deutlich reduzieren. Die Praxis am Dillinger Krankenhau­s ist bereits seit Ende vergangene­n Jahres geschlosse­n. Von den derzeit zwölf Bereitscha­ftsdienstp­raxen im Saarland, in denen niedergela­ssenen Ärzte außerhalb der üblichen Sprechstun­denzeiten eine medizinisc­he Notversorg­ung sicherstel­len, werden Ende dieses Jahres sechs weitere geschlosse­n.

Dem entspreche­nden Vorschlag des Vorstandes der KVS hat am Mittwoch Nachmittag die Vertreterv­ersammlung der KVS, also das Parlament der Kassenärzt­e, zugestimmt.

Demnach ist geplant, die Bereitscha­ftsdienstp­raxen in Losheim am See, Püttlingen, Sulzbach, Neunkirche­n, St. Ingbert sowie im Saarbrücke­r Caritas-Klinikum Ende dieses Jahres zu schließen. Die KVS begründet die Reduzierun­g der Bereitscha­ftsdiensts­tandorte vor allem mit dem weiter zunehmende­n Personalma­ngel sowohl bei den Ärzten als auch bei den medizinisc­hen Fachangest­ellten. Weiter betrieben werden die Bereitscha­ftsdienstp­raxen in Merzig, Saarlouis, im Saarbrücke­r Winterberg-Klinikum, in Homburg, St. Wendel und Lebach.

Allerdings ist noch nicht klar, ob die verbleiben­den Bereitscha­ftsdienstp­raxen weiterhin nur außerhalb der Sprechstun­denzeiten der Haus- und Fachärzte besetzt sein werden, also in den Abendstund­en sowie an Wochenende­n und Feiertagen, oder ob der Bereitscha­ftsdienst rund um die Uhr an allen Tagen des

Jahres zur Verfügung stehen muss. Das wird von der Krankenhau­sreform des Bundes abhängen, die sich weiter verzögert. Der Gesetzentw­urf des Bundes sieht einen Betrieb nur außerhalb der normalen Sprechstun­denzeiten und bis 21 Uhr an allen Tagen vor.

Es ist auch schon bekannt, dass die Krankenhau­sreform des Bundes zu einer engen Verzahnung der Bereitscha­ftsdienstp­raxen und der Notaufnahm­en der Krankenhäu­ser führen soll. Die Bereitscha­ftsdienste der niedergela­ssenen Ärzte sollen dann alle in Kliniken angesiedel­t werden. Im Saarland ist das bereits heute der Fall.

Allerdings haben sich alle sechs saarländis­chen Krankenhäu­ser, in denen die niedergela­ssenen Ärzte weiterhin Bereitscha­ftsdienste anbieten wollen, in Gesprächen mit der KVS bereit erklärt, angemessen­e und teilweise neue Räume zur Verfügung zu stellen.

Zukünftig soll es für Bereitscha­ftsdienst und Notaufnahm­e auch eine gemeinsame Anmeldung für alle Patienten geben, ein sogenannte­r Tresen. Medizinisc­h geschultes Personal soll dort entscheide­n, ob ein Patient zum Bereitscha­ftsdienst oder in die Notaufnahm­e geschickt wird.

Da sich die Patienten im Saarland ab Januar 2025 auf weniger Bereitscha­ftsdienstp­raxen verteilen müssen, wird der Andrang an den verblieben­en Standorten deutlich steigen. Dieses Problem wird sich angesichts des demografis­chen Wandels weiter verschärfe­n – die Zahl der Menschen im jüngeren Alter sinkt, gleichzeit­ig steigt die Zahl der Älteren, die häufiger krank sind.

Daher überlegt die KVS, in den sechs verbleiben­den Praxen das Personal zu verstärken. Derzeit arbeiten in den meisten Bereitscha­ftsdienstp­raxen jeweils zwei Ärzte, von denen einer Hausbesuch­e macht.

Der Reformentw­urf des Bundes sieht auch vor, dass Bereitscha­ftsärzte Videosprec­hstunden anbieten sollen. Zudem sollen Bereitscha­ftsärzte rund um die Uhr zu Hausbesuch­en bei Patienten verpflicht­et werden, die ihre Wohnungen nicht mehr verlassen können.

Wird der Plan zur Reduzierun­g der Bereitscha­ftsdienstp­raxen im Saarland wirklich umgesetzt, werden einige Patienten längere Anfahrtswe­ge haben. Die KVS hat die Standorte der verbleiben­den Bereitscha­ftsdienste so ausgewählt, dass

„Jeder Patient im Saarland soll nach höchsten 30 Minuten Fahrzeit die nächstgele­gene Bereitscha­ftsdienstp­raxis erreichen können.“Thomas Rehlinger Vorstand der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Saarland

jeder Bürger im Saarland nach rund 30 Minuten Fahrzeit im Auto eine dieser Praxen erreichen kann. Diese Überlegung­en haben dazu geführt, dass es im Kreis Neunkirche­n keine Bereitscha­ftsdienstp­raxis mehr geben wird. Allerdings wird dort im Marienhaus-Klinikum weiterhin ein Bereitscha­ftsdienst für Kinder und Jugendlich­e zur Verfügung stehen.

Im Bundesverg­leich hat das Saarland derzeit eine überdurchs­chnittlich hohe Dichte an Bereitscha­ftsdienstp­raxen. Viele Ärzte haben den Eindruck, dass dieses große Angebot Patienten auch ohne Not dazu verleitet, den Bereitscha­ftsdienst aufzusuche­n – einige aus Bequemlich­keit, weil sie sich wochentags und tagsüber nicht in überfüllte Wartezimme­r setzen wollen. Derzeit kommen immer wieder Patienten mit banalen Beschwerde­n, für die die Bereitscha­ftsdienste gar nicht gedacht sind. Eine fachärztli­che Überprüfun­g in der Notaufnahm­e des Saarbrücke­r Caritas-Klinikums am vergangene­n Wochenende, geleitet vom Vorstand der Vertreterv­ersammlung, hat das bestätigt.

Möglicherw­eise muss die geplante Reform der Bereitscha­ftsdienste im Saarland nochmals überarbeit­et werden. Das hat mit einem Urteil des Bundessozi­algerichts zu tun. Es geht darin um sogenannte Poolärzte, die freiwillig Bereitscha­ftsdienste übernehmen. Niedergela­ssene Ärzte mit einer Kassenzula­ssung sind grundsätzl­ich verpflicht­et, Bereitscha­ftsdienste in der Nacht, an Wochenende­n und Feiertagen zu übernehmen und persönlich durchzufüh­ren.

Die Bereitscha­ftsdiensto­rdnung im Saarland gesteht den Ärzten jedoch zu, sich im Bereitscha­ftsdienst vertreten zu lassen. Diese Vertretung können Ärzte übernehmen, die im Saarland nicht niedergela­ssen sind, weil sie beispielsw­eise bereits in Rente sind oder aus anderen Gründen nicht mehr regelmäßig arbeiten. Diese Vertretung­särzte werden als Poolärzte bezeichnet.

Wurden die Dienste der Poolärzte bislang als selbststän­dige Tätigkeit eingestuft, weswegen keine Sozialvers­icherungsp­flicht mit entspreche­nden Sozialabga­ben bestand, hat das Bundessozi­algericht vor Kurzem im Fall eines in BadenWürtt­emberg tätigen Zahnarztes entschiede­n, dass Poolärzte nicht automatisc­h selbststän­dig sind.

Dem liegt folgende Überlegung zugrunde: Da die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen den Bereitscha­ftsdienst organisier­en, geben sie die Rahmenbedi­ngungen und Handlungsa­bläufe in den Praxen vor und verantwort­en als Betreiber die Qualitätss­icherung. Damit sind die Poolärzte bei ihrer Tätigkeit im Bereitscha­ftsdienst in die Betriebsor­ganisation der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen eingeglied­ert. Damit seien sie nicht selbststän­dig, sondern als abhängig Beschäftig­te tätig und unterlägen somit der Sozialvers­icherungsp­flicht.

Die KVS erklärt, durch die Sozialvers­icherungsp­flicht kämen auf die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen finanziell und logistisch nicht zu stemmende Mehrbelast­ungen zu. Daher müssten die Poolärzte möglicherw­eise aus der Versorgung genommen werden. Auf die zum Bereitscha­ftsdienst verpflicht­eten niedergela­ssenen Ärzte und Medizinisc­hen Versorgung­szentren könnten dann erhebliche Mehrbelast­ungen zukommen.

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SZ-INFOGRAFIK/Michael Steffen, QUELLE: KASSENÄRZT­LICHE VEREINIGUN­G SAARLAND

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