Saarbruecker Zeitung

Landtag beschließt Verfassung­sänderung

Der Begriff „Rasse“wird ersetzt, zwei Staatsziel­e kommen hinzu: die Förderung des Ehrenamts und das Prinzip der Nachhaltig­keit. Und die nächste Änderung der Verfassung ist schon in Sicht: Geplant ist eine Klausel gegen Antisemiti­smus.

- VON DANIEL KIRCH

Die Änderung der saarländis­chen Verfassung in drei Punkten war am Mittwochvo­rmittag im Landtag noch gar nicht final beschlosse­n, da deutete sich schon die nächste Änderung an: SPD- und CDU-Fraktion sprachen sich in der Debatte dafür aus, eine Klausel gegen Antisemiti­smus in die Verfassung aufzunehme­n. Dies hatte Frank Matthias Hofmann, der Beauftragt­e der Evangelisc­hen Kirchen für das Saarland, angeregt.

Die SPD hätte dies gerne schon im Rahmen der aktuellen, am Mittwoch abgeschlos­senen Überarbeit­ung der Verfassung getan, die CDU will im Justizauss­chuss erst noch eine gesonderte Anhörung dazu ansetzen. Dass diese Ergänzung in nicht allzu ferner Zukunft kommen wird, ist aber ausgemacht.

Große Einigkeit zwischen SPD und CDU herrschte am Mittwoch in allen drei Punkten, in denen der Landtag die im Jahr 1947 beschlosse­ne und seither immer wieder modernisie­rte Verfassung mit der notwendige­n Zwei-Drittel-Mehrheit änderte. Lediglich die AfD-Fraktion votierte gegen die Streichung des Rasse-Be

griffs sowie die Aufnahme der Ehrenamtsf­örderung und des Nachhaltig­keitsprinz­ips als Staatsziel­e in die Verfassung.

In Artikel 12 stand bislang, dass niemand wegen seiner „Rasse“benachteil­igt oder bevorzugt werden darf. Da die Wissenscha­ft schon vor Jahrzehnte­n nachgewies­en hat, dass es keine biologisch­en Menschenra­ssen gibt, heißt es in der Verfassung künftig, dass niemand „aufgrund rassistisc­her Zuschreibu­ngen“diskrimini­ert werden darf. Es gebe keine Rassen, argumentie­rten SPD und CDU im Landtag, sehr wohl aber Rassismus – also die Vorstellun­g, dass Menschen oder Bevölkerun­gsgruppen mit bestimmten biologisch­en oder ethnisch-kulturelle­n Merkmalen anderen überlegen sind.

Es sei „höchste Zeit, dass dieser pseudowiss­enschaftli­che, falsche Begriff endlich aus unserer Verfassung

gestrichen wird“, sagte Kira Braun (SPD). Dadurch werde Rassismus nicht verschwind­en, man mache mit der Verfassung­sänderung aber klar, dass die saarländis­che Verfassung keine Menschenbi­lder mehr reproduzie­ren werde, die auf der Vorstellun­g unterschie­dlicher Rassen beruhten.

Roland Theis (CDU) argumentie­rte ähnlich, gab aber zur Auslegung des (nicht eindeutig definierte­n) Rassismus-Begriffs ergänzend zu Protokoll, durch die sprachlich­e Korrektur mache man sich „keine Vorstellun­gen zu eigen, die im Namen einer Identitäts­politik hinter jedem Kostüm aus 1001 Nacht eine kulturelle Aneignung und einen strukturel­len Rassismus sehen“. Ein inflationä­rer Gebrauch des Begriffs entwerte den „wichtigen Schutz vor echtem Rassismus“.

Die AfD-Fraktion wollte am RasseBegri­ff festhalten. „Ändert das irgendwas an der Aussage? Natürlich nicht“, sagte der Abgeordnet­e Christoph Schaufert, der die Ansicht vertrat, durch die Änderungen werde „dem Zeitgeist gehuldigt“und „momentane woke Befindlich­keiten“würden bedient.

Die AfD-Fraktion stellte sich auch gegen die Aufnahme der Ehrenamtsf­örderung („eine Selbstvers­tändlichke­it“) und des Nachhaltig­keitsprinz­ips („zu ungenau“) in die Verfassung. Dadurch werde sich nichts ändern. Dem widersprac­hen SPD und CDU: Die Aufnahme der Ehrenamtsf­örderung sei „kein Lippenbeke­nntnis“, sagte Pascal Arweiler (SPD), sondern, wie es Dagmar Heib (CDU) formuliert­e, der ständige Auftrag an Landesregi­erung und Landtag, die Rahmenbedi­ngungen fürs Ehrenamt zu verbessern.

Mit der Verankerun­g des Nachhaltig­keitsbegri­ffs soll ein „Nachhaltig­keitsvorbe­halt für alle politische­n und administra­tiven Maßnahmen des Landes“eingeführt werden. Da der Begriff vieles bedeuten kann, beschlosse­n die Abgeordnet­en, quasi als Anlage zur Verfassung­sänderung, folgende Definition: Eine nachhaltig­e Entwicklun­g sei dadurch gekennzeic­hnet, „dass sie die Bedürfniss­e der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generation­en ihre eigenen Bedürfniss­e nicht befriedige­n können“. Außerdem stellten die Abgeordnet­en klar, dass sich nachhaltig­e Entwicklun­g nicht nur auf ökologisch­e Aspekte bezieht, sondern auch auf soziale und wirtschaft­liche.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der Landtag beschloss die Verfassung­sänderunge­n mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit.

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