Landtag beschließt Verfassungsänderung
Der Begriff „Rasse“wird ersetzt, zwei Staatsziele kommen hinzu: die Förderung des Ehrenamts und das Prinzip der Nachhaltigkeit. Und die nächste Änderung der Verfassung ist schon in Sicht: Geplant ist eine Klausel gegen Antisemitismus.
Die Änderung der saarländischen Verfassung in drei Punkten war am Mittwochvormittag im Landtag noch gar nicht final beschlossen, da deutete sich schon die nächste Änderung an: SPD- und CDU-Fraktion sprachen sich in der Debatte dafür aus, eine Klausel gegen Antisemitismus in die Verfassung aufzunehmen. Dies hatte Frank Matthias Hofmann, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen für das Saarland, angeregt.
Die SPD hätte dies gerne schon im Rahmen der aktuellen, am Mittwoch abgeschlossenen Überarbeitung der Verfassung getan, die CDU will im Justizausschuss erst noch eine gesonderte Anhörung dazu ansetzen. Dass diese Ergänzung in nicht allzu ferner Zukunft kommen wird, ist aber ausgemacht.
Große Einigkeit zwischen SPD und CDU herrschte am Mittwoch in allen drei Punkten, in denen der Landtag die im Jahr 1947 beschlossene und seither immer wieder modernisierte Verfassung mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit änderte. Lediglich die AfD-Fraktion votierte gegen die Streichung des Rasse-Be
griffs sowie die Aufnahme der Ehrenamtsförderung und des Nachhaltigkeitsprinzips als Staatsziele in die Verfassung.
In Artikel 12 stand bislang, dass niemand wegen seiner „Rasse“benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Da die Wissenschaft schon vor Jahrzehnten nachgewiesen hat, dass es keine biologischen Menschenrassen gibt, heißt es in der Verfassung künftig, dass niemand „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“diskriminiert werden darf. Es gebe keine Rassen, argumentierten SPD und CDU im Landtag, sehr wohl aber Rassismus – also die Vorstellung, dass Menschen oder Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen oder ethnisch-kulturellen Merkmalen anderen überlegen sind.
Es sei „höchste Zeit, dass dieser pseudowissenschaftliche, falsche Begriff endlich aus unserer Verfassung
gestrichen wird“, sagte Kira Braun (SPD). Dadurch werde Rassismus nicht verschwinden, man mache mit der Verfassungsänderung aber klar, dass die saarländische Verfassung keine Menschenbilder mehr reproduzieren werde, die auf der Vorstellung unterschiedlicher Rassen beruhten.
Roland Theis (CDU) argumentierte ähnlich, gab aber zur Auslegung des (nicht eindeutig definierten) Rassismus-Begriffs ergänzend zu Protokoll, durch die sprachliche Korrektur mache man sich „keine Vorstellungen zu eigen, die im Namen einer Identitätspolitik hinter jedem Kostüm aus 1001 Nacht eine kulturelle Aneignung und einen strukturellen Rassismus sehen“. Ein inflationärer Gebrauch des Begriffs entwerte den „wichtigen Schutz vor echtem Rassismus“.
Die AfD-Fraktion wollte am RasseBegriff festhalten. „Ändert das irgendwas an der Aussage? Natürlich nicht“, sagte der Abgeordnete Christoph Schaufert, der die Ansicht vertrat, durch die Änderungen werde „dem Zeitgeist gehuldigt“und „momentane woke Befindlichkeiten“würden bedient.
Die AfD-Fraktion stellte sich auch gegen die Aufnahme der Ehrenamtsförderung („eine Selbstverständlichkeit“) und des Nachhaltigkeitsprinzips („zu ungenau“) in die Verfassung. Dadurch werde sich nichts ändern. Dem widersprachen SPD und CDU: Die Aufnahme der Ehrenamtsförderung sei „kein Lippenbekenntnis“, sagte Pascal Arweiler (SPD), sondern, wie es Dagmar Heib (CDU) formulierte, der ständige Auftrag an Landesregierung und Landtag, die Rahmenbedingungen fürs Ehrenamt zu verbessern.
Mit der Verankerung des Nachhaltigkeitsbegriffs soll ein „Nachhaltigkeitsvorbehalt für alle politischen und administrativen Maßnahmen des Landes“eingeführt werden. Da der Begriff vieles bedeuten kann, beschlossen die Abgeordneten, quasi als Anlage zur Verfassungsänderung, folgende Definition: Eine nachhaltige Entwicklung sei dadurch gekennzeichnet, „dass sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“. Außerdem stellten die Abgeordneten klar, dass sich nachhaltige Entwicklung nicht nur auf ökologische Aspekte bezieht, sondern auch auf soziale und wirtschaftliche.