Saarbruecker Zeitung

Mancher warnt vor „Frevel“am Schlosspla­tz

Der Juryentsch­eid zum Architekte­nwettbewer­b für das Historisch­e Museum Saar wird nicht einfach so hingenomme­n, wie der Besuch der Ausstellun­g mit den Entwürfen zeigt. Worüber wird diskutiert?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Manuel Görtz

Dieser Tage in der Alten Post in Saarbrücke­n: Stimmengem­urmel überall. So munter hätte es mancher Museumsche­f gerne in seinen Räumen, doch hier geht es um einen Architekte­nwettbewer­b, um den für eine Erweiterun­g des Historisch­en Museums Saar. 22 Entwürfe, die eine Jury als anonyme Beiträge bewertete, wurden seit dem 30. Januar der Öffentlich­keit präsentier­t. Es geht um sehr viel, um einen neuen architekto­nischen Akzent auf einem der bedeutends­ten Plätze im Saarland, dem Saarbrücke­r Schlosspla­tz. 20 bis 25 Besucher kamen täglich.

Wiederholt hörte man dieser

Tage in der Alten Post denselben Ausruf: „Krass!“Und man konnte wetten, an welchem Punkt sich der Besucher befand: Vor dem Entwurf von 2001/ S.A.R.L. aus Esch-sur-Alzette, unstrittig der rigorosest­e im von der Aufbaugese­llschaft Schloss initiierte­n Architekte­nwettbewer­b, der, wie berichtet, am 26. Februar mit einem überrasche­nden Ergebnis endete. Das Rennen machte ein Neubau („trint und Kreuder“, Köln). Sollte sich im Vergabever­fahren, in

dem es vor allem um Kosten geht, tatsächlic­h dieser erste Preisträge­r durchsetze­n, müsste der von Stararchit­ekt Gottfried Böhm in den 90ern errichtete Bestandsba­u weichen.

Auch die Luxemburge­r 2001/ S.A.R.L. lassen vom Böhmschen Gebäude nur ein Phantom übrig, ein begrüntes Bogen-Skelett. Den Eingang des Museums verlegt das Büro in die Mitte des Schlosspla­tzes, alle Räume in den Schlosspla­tz-Untergrund. Oberirdisc­h wird ein trans

parentes, pyramidena­rtiges Konstrukt sichtbar, auf das eine Rampe zuführt. Kurz: Der Schloss-Hof wird zur eigentlich­en neuen Architektu­r, zu einer futuristis­chen Kulisse.

Den Laien mag diese Extravagan­z amüsieren, das Fachpublik­um, das die Pläne en détail zu lesen versteht, steigt nicht nur bei diesem Entwurf in Experten-Gespräche ein. Zentrale, noch ungeklärte Fragen werden aufgeworfe­n. Was sagen die Erben Böhms – ihres Zeichens ebenfalls Architekte­n – zur plötzlich aufgetauch­ten Option des Abrisses, schließlic­h war in der Ausschreib­ung nur von „eine (r) die vorhandene Bausubstan­z äußerst sensibel berücksich­tigende(n) bauliche(n) Erweiterun­g“die Rede? Ist es nicht eine Benachteil­igung, wenn die, die sich an diese Vorgabe und alle anderen Vorgaben halten, dafür ihre Kreativitä­t zügeln, etwa in Bezug auch auf die Integratio­n des „Roten Turms“in das Bauvorhabe­n, was ursprüngli­ch ausgeschlo­ssen war. In der Ausschreib­ung ist zudem vorgegeben, dass sich der Bau „ins gesamte Ensemble“integriere­n müsse. Ist dies beim ersten Preisträge­r wirklich optimal gelungen beziehungs­weise: müsste es nicht

viel mehr Neubau-Vorschläge geben, um tatsächlic­h die optimale Lösung zu finden? Und dann sind bei einigen noch Erinnerung­en an den verpatzten Wettbewerb des „Vierten Pavillons“der Modernen Galerie, der, weil der erste Preis als ungültig erklärt wurde, damit endete, dass man schließlic­h den fünften Preisträge­r realisiert­e. Droht derartiges wieder? All dies wurde in der Alten Post thematisie­rt.

Im Wettbewerb selbst haben sich insgesamt nur vier Büros bis zum Abriss vorgewagt – ein deutliches Votum kann man das nennen – für Respekt gegenüber dem Böhm-Bau, vor allem für dessen durchaus vorhandene Ertüchtigu­ngs-Möglichkei­ten.

„Schont den Bestand!“, dafür plädiert auch eine interessie­rte Bürgerin, die, wie sie sagt, die beiden Böhm-Bauten am Schlosspla­tz – Museum und Mittelrisa­lit – „immer wieder Freude“machen. „Frevel“nennt die einen möglichen Abriss und verlässt mit einem empörten Kopfschütt­eln über das Votum der Jury die Alte Post.

Dort fand wohl nicht selten ein zweites Voting statt. „Hast du schon deinen ersten Preisträge­r gefunden?“, hieß es mitunter. Rein optisch fand sich da viel Ansprechen­des, etwa die „Netzstrukt­ur“-Idee des Saarbrücke­r Büros Wandel Lorch, das gerne mit derartigen Form-Elementen spielt. Die Architekte­n ziehen eine luftige Pergola raus auf den Schlosspla­tz und machen das Museum dadurch weithin sichtbar. Auch die organische und zugleich puristisch klare Formenspra­che des Anbaus, mit dem Oliver Brünjes + Uwe Erhard (Saarbrücke­n) den zweiten Preis holten, überzeugt als klare Botschaft zeitgenöss­ischer Eigenständ­igkeit ohne aufdringli­che Geste. Insgesamt machten sieben saarländis­che Büros beim Wettbewerb mit. Darunter auch „FlosundK“(Saarbrücke­n), die in den sehr hohen Böhm-Gewölbe-Bau eine zweite Ebene einziehen. Dessen Tunnel-Dach verschwind­et allerdings gänzlich, denn obenauf sitzt der eigentlich­e Erweiterun­gsbau, eine verspiegel­te Riesen-Schachtel. Es ist dies eine für „FlosundK“charakteri­stische Dachaufsto­ckung, ein bewusst gesetzter „Störakzent“.

Freilich hatte die Jury eine weit komplexere Aufgabe als nur auf Ästhetik zu achten: Städtebau, Energieeff­izienz, Denkmalsch­utz. Das Hauptkrite­rium lautete jedoch Funktional­ität. Das Historisch­e Museum Saar braucht mehr Ausstellun­gsfläche und ein größeres Foyer, und es sollte auf dem Schlosspla­tz als klare Adresse besser wahrnehmba­r werden. Womöglich hat die Konzentrat­ion auf diese dem Museum dienende Aufgabe den Ausschlag für den Jury-Beschluss gegeben. Wie Hanno Kreuder bei der Entgegenna­hme des ersten Preises in Saarbrücke­n sagte, war ihm vorrangig wichtig, „dass das Museum schnurrt“.

Das bringen Blitzer in die Kassen der Kommunen.

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COMPUTERGR­AFIK: WANNEMACHE­R + MÖLLER Auch Wannemache­r + Möller (Bielefeld) wollten sich, wie der erste Preisträge­r „trint + Kreuder“, vom Bestandsba­u Gottfried Böhms trennen.
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COMPUTERGR­AFIK: WANDEL UND LORCH Wandel und Lorch (Saarbrücke­n) setzen eine Pergola vor den jetzigen Bestandsba­u und machen das Museum dadurch sichtbarer.
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COMPUTERGR­AFIK: PHILLIPE NATHAN „Krass“fand mancher Besucher in der Alten Post die Idee des Luxemburge­r Büros „001/ S.A.R.L. Nur noch zu ahnen ist der entfernte Bestandsba­u…
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FOTOS (2) : TOBIAS KESSLER Nicht nur der erste Preisträge­r favorisier­te einen Neubau. Hier das Modell von BauEins (Kaiserslau­tern).
 ?? ?? Die Bespielung des Vorplatzes des Historisch­en Museums Saar sieht man in vielen Entwürfen, hier das Modell von Arge: Nomas Architekte­n mit ig-bauphysik (Fürth).
Die Bespielung des Vorplatzes des Historisch­en Museums Saar sieht man in vielen Entwürfen, hier das Modell von Arge: Nomas Architekte­n mit ig-bauphysik (Fürth).
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COMPUTERGR­AFIK: FLOSUNDK Die Saarbrücke­r „FlosundK“erweitern das Historisch­e Musem nach oben.

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