Neuer Streit um Ludwigspark-Millionen
Nicht erst seit der blamablen Absage des Pokal-Viertelfinales erhitzt der Ludwigspark die Gemüter. Schon am Dienstag ging es im Stadtrat wieder mal hoch her. Diese 90 Minuten waren fast so spannend wie ein Fußballspiel. Und Beobachter glauben sogar, ein g
Es läuft die 49. Minute im Stadtrat in der Saarbrücker Saarlandhalle. Der stark dezimierte Rat, acht Mitglieder fehlen und auch der Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) muss krankheitsbedingt passen, hat bis dahin wenig Aufregendes geboten. Jetzt aber, beim Tagesordnungspunkt 18, geht es zur Sache.
„Stadion Ludwigspark – Maßnahmen zur Sicherung des Spielbetriebes und weitere Maßnahmen“, lautet die Überschrift für das Streitgespräch um die Heimstätte des 1. FC Saarbrücken. Im Wesentlichen geht es um die drängende Frage, ob der Stadionrasen saniert oder gleich ganz neu aufgebaut wird. Es geht um die Sicherstellung der „Zweitligatauglichkeit“, und es geht um den Ausbau von Tribünen auf 18 500 Plätze – falls der FCS sich an den Kosten beteiligt. FCS-Präsident ist der Millionär Hartmut Ostermann (früher FDP) von der Victors-/ProSeniore-Gruppe. Genügend Zündstoff also, wieder einmal.
„Die unendliche Lupa-Geschichte“, hatte eine Stadtverordnete schon vor Beginn der Sitzung beim Kaffeeholen geraunt und Unverständnis darüber erkennen lassen, dass sich der Stadtrat einmal mehr mit dem fast oder mindestens 50-Millionen-Euro-Stadion befassen muss. Dass er es am Dienstag wieder tun muss, liegt einerseits am Rasen, der fast den 2:1-Jahrhundert-Sensationssieg des Drittligisten FCS gegen den turmhoch überlegenen FC Bayern München verhindert hätte. Und an der Deutschen Fußball Liga (DFL), die Stadt und Verein
„aus Kulanzgründen“lange gewähren ließ, sich nun aber nicht mehr vertrösten lässt und ein belastbares Konzept verlangt, wie zumindest das Ludwigsparkstadion fit für die Zweite Liga wird, was zum Beispiel 15 000 überdachte Zuschauerplätze bedeutet. Noch im Februar müssen mehrere Maßnahmen „rechtsverbindlich“erklärt werden. Daher die Eile, daher auch ein Sonderausschuss des städtischen Gebäudemanagementbetriebs GMS unmittelbar vorm Stadtrat.
Dass dort aber strittige Punkte ausgeräumt wurden, ist im Rat nicht zu erkennen. Im Gegenteil. Die Debatte startet gleich mit einem äußerst ungewöhnlichen Vorstoß. Bürgermeisterin Barbara Meyer (Grüne), die den Stadtrat in Abwesenheit von OB Conradt leitet, macht sehr deutlich, was sie von der von GMS eingebrachten Ludwigspark-Vorlage hält: nichts. Sie habe abgeraten, den Stadtrat „mit solch weitreichenden Entscheidungen“zu befassen, erklärt Meyer: „Es war aber explizit der Wunsch und die Entscheidung des Oberbürgermeisters, dass die Vorlage in dieser Form auf die Tagesordnung kommt.“Meyer macht klar, dass ihr geleitete Finanzdezernat nicht eingebunden war. Sie habe sich bereits intern gegen die Vorlage ausgesprochen. Weil bis auf den Rasen die vorgesehenen Maßnahmen „nicht zwingend notwendig“seien, es außerdem an
„relevanten Informationen“fehle: „Insbesondere fehlt es an Kostentransparenz!“Die gesamte Finanzierung sei offen und es sei zu befürchten, dass für den Ludwigspark Mittel umgeschichtet werden müssen, „zu Lasten von Kitas, Schulen oder Feuerwehrgerätehäusern“. Meyer spielt damit auf Tagesordnungspunkt 19 an. Mit einer „Zwischenfinanzierung“aus anderen GMS-Projekten sollen Maßnahmen im Ludwigspark umgesetzt werden, es geht um zwei Millionen Euro. Das Geld soll später wieder dem ursprünglichen Zweck dienen, unter anderem Grundschulen, verspricht die GMS-Werkleitung.
Dass Meyer die Sitzungsleitung dazu nutzt, die Vorhaben im Ludwigspark zu torpedieren und sich damit be
wusst gegen eine Entscheidung des Oberbürgermeisters zu positionieren, werten Beobachter im Nachhinein als grobes Foulspiel gegen den OB. Mehrfach sagen Gesprächspartner der SZ, einen vergleichbaren Vorgang hätten sie „noch nie erlebt“. Zu hören war auch, das Verhalten Meyers sei „unter aller Sau“gewesen.
Ob und welche Konsequenzen drohen, blieb zunächst offen. In der Sitzung selbst gibt Meyer die Leitung für die beiden Tagesordnungspunkte zum Ludwigspark an Baudezernent Patrick Berberich (CDU) ab. Der Zoff ist damit aber nicht vorbei.
Wobei: Einig ist sich der Rat, dass der Rasen verbessert werden muss. Die FDP dringt darauf, gleich zu beschließen, ihn neu zu machen,
dies sei alternativlos. Der Rasen sei wie ein schwerkranker Patient, erklärt der Mediziner Helmut Isringhaus als Fraktionschef, seit Jahren sei er schon krank, und es brauche „jetzt nicht noch den dritten oder vierten Arzt, der das auch noch bescheinigt“. Hintergrund ist, dass ein zweiter Gutachter beauftragt wurde, der seine Ergebnisse noch im Februar präsentieren will. Dann soll entschieden werden: Sanierung oder Neuaufbau.
So wird es später beschlossen, wobei auch die CDU-Stadtverordnete Gabriele Herrmann einräumt, ihr Bauchgefühl sage ihr, dass es wahrscheinlich auf einen Neubau hinauslaufe. Das ist es dann aber endgültig mit der Harmonie. FDPMann Isringhaus sagt, die überraschenden Äußerungen der Bürgermeisterin seien „genau unsere Meinung“. Die FDP sei ebenfalls dagegen, Sachen zu beschließen, „deren Kosten wir nicht kennen“. Am Tag darauf erklärt er, die Verwaltung habe dem Stadtrat „quasi die Pistole auf die Brust“gesetzt. Und er kritisiert: „Wir müssen endlich mit dieser Scheibchentaktik aufhören. Das Stadion wird den Steuerzahler noch mehrere Millionen kosten. Das weiß jeder und es sollte daher offen gesagt werden.“
Harte Worte auch von der Grünen Claudia Schmelzer. Sie sehe nicht ein, „dass wir einen Freifahrtschein ausstellen“, dass Gelder abgezogen werden, die eigentlich für Kitas und Grundschulen geplant seien. Und dass eine Zweitligatauglichkeit hergestellt werden muss, dafür gebe es keine Eile, schließlich sei der FCS „weit von der Zweitligatauglichkeit entfernt“. Und die Erfolge im Pokal nicht normal.
Ihre Chef-Kollegin Jeanne Dillschneider veranlasst das später zu einer „Klarstellung“. Es gehe nicht darum, den FCS in Frage zu stellen, es gehe um die Vorlage: „Für uns wirkt es wie ein Blankoscheck.“Natürlich hoffe man „das Beste für den Verein“. Die dritte grüne Dame, Patricia Schumann, betont dann noch, es dürfe nicht passieren, dass soziale Projekte nicht mehr finanzierbar seien, weil das Geld bereits ausgegeben wurde. „Das ist auch nach außen nicht mehr vermittelbar“, sagt sie: „Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht schon viel Geld in dieses Stadion investiert.“
Die Spaß-„Fraktion“kommt sich im Laufe des Abends „vergackeiert“vor und bringt ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass der Stadtrat gerade dabei sei, all jenen weiteres Futter zu liefern, die sich über die Stadt und die „unglaubliche Erfolgsgeschichte Ludwigspark“lustig machen. Die Vorlage zum Stadion sei „so unseriös, das hätten noch nicht mal wir uns getraut vorzulegen“. Da die Probleme schon seit Jahren bestehen, sei es unverständlich, „dass man das heute durchpeitschen will, nur weil es dem Herrn Oberbürgermeister gerade in den Kram passt“.
Die Partei des Oberbürgermeisters, die CDU, lobt, es sei gut, dass die Verwaltung „immer ein waches Auge auf das Stadion hat und Optimierungspotenziale angehen will“. Allerdings müsse sich der FCS an den Kosten beteiligen, auch das Land sei in der Pflicht. Die vorgesehene Zwischenfinanzierung sieht die CDU unkritisch, die genannten Projekte seien ohnehin „noch nicht umsetzungsreif“, der „kleine Trick“daher okay.
Zwischendurch sagt Baudezernent Berberich, es handle sich um einen Grundsatzbeschluss, nicht um einen „Freifahrtschein“. Dem Beschluss stimmen am Ende CDU, SPD, FDP und Linke zu. Die Zwischenfinanzierung geht sogar einstimmig durch. Nach – kein Witz – 90 Minuten im Stadtrat sind die beiden Punkte dann abgehakt. Abpfiff für das Thema Ludwigspark. Vorerst. Ein Rückspiel gibt es auf jeden Fall.