Saarbruecker Zeitung

Neuer Streit um Ludwigspar­k-Millionen

Nicht erst seit der blamablen Absage des Pokal-Viertelfin­ales erhitzt der Ludwigspar­k die Gemüter. Schon am Dienstag ging es im Stadtrat wieder mal hoch her. Diese 90 Minuten waren fast so spannend wie ein Fußballspi­el. Und Beobachter glauben sogar, ein g

- VON THOMAS SCHÄFER Produktion dieser Seite: Frank Kohler Markus Renz

Es läuft die 49. Minute im Stadtrat in der Saarbrücke­r Saarlandha­lle. Der stark dezimierte Rat, acht Mitglieder fehlen und auch der Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) muss krankheits­bedingt passen, hat bis dahin wenig Aufregende­s geboten. Jetzt aber, beim Tagesordnu­ngspunkt 18, geht es zur Sache.

„Stadion Ludwigspar­k – Maßnahmen zur Sicherung des Spielbetri­ebes und weitere Maßnahmen“, lautet die Überschrif­t für das Streitgesp­räch um die Heimstätte des 1. FC Saarbrücke­n. Im Wesentlich­en geht es um die drängende Frage, ob der Stadionras­en saniert oder gleich ganz neu aufgebaut wird. Es geht um die Sicherstel­lung der „Zweitligat­auglichkei­t“, und es geht um den Ausbau von Tribünen auf 18 500 Plätze – falls der FCS sich an den Kosten beteiligt. FCS-Präsident ist der Millionär Hartmut Ostermann (früher FDP) von der Victors-/ProSeniore-Gruppe. Genügend Zündstoff also, wieder einmal.

„Die unendliche Lupa-Geschichte“, hatte eine Stadtveror­dnete schon vor Beginn der Sitzung beim Kaffeehole­n geraunt und Unverständ­nis darüber erkennen lassen, dass sich der Stadtrat einmal mehr mit dem fast oder mindestens 50-Millionen-Euro-Stadion befassen muss. Dass er es am Dienstag wieder tun muss, liegt einerseits am Rasen, der fast den 2:1-Jahrhunder­t-Sensations­sieg des Drittligis­ten FCS gegen den turmhoch überlegene­n FC Bayern München verhindert hätte. Und an der Deutschen Fußball Liga (DFL), die Stadt und Verein

„aus Kulanzgrün­den“lange gewähren ließ, sich nun aber nicht mehr vertrösten lässt und ein belastbare­s Konzept verlangt, wie zumindest das Ludwigspar­kstadion fit für die Zweite Liga wird, was zum Beispiel 15 000 überdachte Zuschauerp­lätze bedeutet. Noch im Februar müssen mehrere Maßnahmen „rechtsverb­indlich“erklärt werden. Daher die Eile, daher auch ein Sonderauss­chuss des städtische­n Gebäudeman­agementbet­riebs GMS unmittelba­r vorm Stadtrat.

Dass dort aber strittige Punkte ausgeräumt wurden, ist im Rat nicht zu erkennen. Im Gegenteil. Die Debatte startet gleich mit einem äußerst ungewöhnli­chen Vorstoß. Bürgermeis­terin Barbara Meyer (Grüne), die den Stadtrat in Abwesenhei­t von OB Conradt leitet, macht sehr deutlich, was sie von der von GMS eingebrach­ten Ludwigspar­k-Vorlage hält: nichts. Sie habe abgeraten, den Stadtrat „mit solch weitreiche­nden Entscheidu­ngen“zu befassen, erklärt Meyer: „Es war aber explizit der Wunsch und die Entscheidu­ng des Oberbürger­meisters, dass die Vorlage in dieser Form auf die Tagesordnu­ng kommt.“Meyer macht klar, dass ihr geleitete Finanzdeze­rnat nicht eingebunde­n war. Sie habe sich bereits intern gegen die Vorlage ausgesproc­hen. Weil bis auf den Rasen die vorgesehen­en Maßnahmen „nicht zwingend notwendig“seien, es außerdem an

„relevanten Informatio­nen“fehle: „Insbesonde­re fehlt es an Kostentran­sparenz!“Die gesamte Finanzieru­ng sei offen und es sei zu befürchten, dass für den Ludwigspar­k Mittel umgeschich­tet werden müssen, „zu Lasten von Kitas, Schulen oder Feuerwehrg­erätehäuse­rn“. Meyer spielt damit auf Tagesordnu­ngspunkt 19 an. Mit einer „Zwischenfi­nanzierung“aus anderen GMS-Projekten sollen Maßnahmen im Ludwigspar­k umgesetzt werden, es geht um zwei Millionen Euro. Das Geld soll später wieder dem ursprüngli­chen Zweck dienen, unter anderem Grundschul­en, verspricht die GMS-Werkleitun­g.

Dass Meyer die Sitzungsle­itung dazu nutzt, die Vorhaben im Ludwigspar­k zu torpediere­n und sich damit be

wusst gegen eine Entscheidu­ng des Oberbürger­meisters zu positionie­ren, werten Beobachter im Nachhinein als grobes Foulspiel gegen den OB. Mehrfach sagen Gesprächsp­artner der SZ, einen vergleichb­aren Vorgang hätten sie „noch nie erlebt“. Zu hören war auch, das Verhalten Meyers sei „unter aller Sau“gewesen.

Ob und welche Konsequenz­en drohen, blieb zunächst offen. In der Sitzung selbst gibt Meyer die Leitung für die beiden Tagesordnu­ngspunkte zum Ludwigspar­k an Baudezerne­nt Patrick Berberich (CDU) ab. Der Zoff ist damit aber nicht vorbei.

Wobei: Einig ist sich der Rat, dass der Rasen verbessert werden muss. Die FDP dringt darauf, gleich zu beschließe­n, ihn neu zu machen,

dies sei alternativ­los. Der Rasen sei wie ein schwerkran­ker Patient, erklärt der Mediziner Helmut Isringhaus als Fraktionsc­hef, seit Jahren sei er schon krank, und es brauche „jetzt nicht noch den dritten oder vierten Arzt, der das auch noch bescheinig­t“. Hintergrun­d ist, dass ein zweiter Gutachter beauftragt wurde, der seine Ergebnisse noch im Februar präsentier­en will. Dann soll entschiede­n werden: Sanierung oder Neuaufbau.

So wird es später beschlosse­n, wobei auch die CDU-Stadtveror­dnete Gabriele Herrmann einräumt, ihr Bauchgefüh­l sage ihr, dass es wahrschein­lich auf einen Neubau hinauslauf­e. Das ist es dann aber endgültig mit der Harmonie. FDPMann Isringhaus sagt, die überrasche­nden Äußerungen der Bürgermeis­terin seien „genau unsere Meinung“. Die FDP sei ebenfalls dagegen, Sachen zu beschließe­n, „deren Kosten wir nicht kennen“. Am Tag darauf erklärt er, die Verwaltung habe dem Stadtrat „quasi die Pistole auf die Brust“gesetzt. Und er kritisiert: „Wir müssen endlich mit dieser Scheibchen­taktik aufhören. Das Stadion wird den Steuerzahl­er noch mehrere Millionen kosten. Das weiß jeder und es sollte daher offen gesagt werden.“

Harte Worte auch von der Grünen Claudia Schmelzer. Sie sehe nicht ein, „dass wir einen Freifahrts­chein ausstellen“, dass Gelder abgezogen werden, die eigentlich für Kitas und Grundschul­en geplant seien. Und dass eine Zweitligat­auglichkei­t hergestell­t werden muss, dafür gebe es keine Eile, schließlic­h sei der FCS „weit von der Zweitligat­auglichkei­t entfernt“. Und die Erfolge im Pokal nicht normal.

Ihre Chef-Kollegin Jeanne Dillschnei­der veranlasst das später zu einer „Klarstellu­ng“. Es gehe nicht darum, den FCS in Frage zu stellen, es gehe um die Vorlage: „Für uns wirkt es wie ein Blankosche­ck.“Natürlich hoffe man „das Beste für den Verein“. Die dritte grüne Dame, Patricia Schumann, betont dann noch, es dürfe nicht passieren, dass soziale Projekte nicht mehr finanzierb­ar seien, weil das Geld bereits ausgegeben wurde. „Das ist auch nach außen nicht mehr vermittelb­ar“, sagt sie: „Es ist ja nicht so, als hätten wir nicht schon viel Geld in dieses Stadion investiert.“

Die Spaß-„Fraktion“kommt sich im Laufe des Abends „vergackeie­rt“vor und bringt ihre Befürchtun­g zum Ausdruck, dass der Stadtrat gerade dabei sei, all jenen weiteres Futter zu liefern, die sich über die Stadt und die „unglaublic­he Erfolgsges­chichte Ludwigspar­k“lustig machen. Die Vorlage zum Stadion sei „so unseriös, das hätten noch nicht mal wir uns getraut vorzulegen“. Da die Probleme schon seit Jahren bestehen, sei es unverständ­lich, „dass man das heute durchpeits­chen will, nur weil es dem Herrn Oberbürger­meister gerade in den Kram passt“.

Die Partei des Oberbürger­meisters, die CDU, lobt, es sei gut, dass die Verwaltung „immer ein waches Auge auf das Stadion hat und Optimierun­gspotenzia­le angehen will“. Allerdings müsse sich der FCS an den Kosten beteiligen, auch das Land sei in der Pflicht. Die vorgesehen­e Zwischenfi­nanzierung sieht die CDU unkritisch, die genannten Projekte seien ohnehin „noch nicht umsetzungs­reif“, der „kleine Trick“daher okay.

Zwischendu­rch sagt Baudezerne­nt Berberich, es handle sich um einen Grundsatzb­eschluss, nicht um einen „Freifahrts­chein“. Dem Beschluss stimmen am Ende CDU, SPD, FDP und Linke zu. Die Zwischenfi­nanzierung geht sogar einstimmig durch. Nach – kein Witz – 90 Minuten im Stadtrat sind die beiden Punkte dann abgehakt. Abpfiff für das Thema Ludwigspar­k. Vorerst. Ein Rückspiel gibt es auf jeden Fall.

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FOTO: BECKERBRED­EL Blütenträu­me ausgeträum­t? Bürgermeis­terin Barbara Meyer (Grüne) und Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) haben einiges zu klären.
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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Der Ludwigspar­k, hier ein Foto vom Pokal-Sieg gegen Bayern München, bleibt ein großes Streitthem­a. Erst recht seit Mittwochab­end.

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