Haltung gegen Antisemitismus braucht klare Zeichen
Lippenbekenntnisse sind nicht genug im Kampf gegen Antisemitismus. Der Verweis auf Paragrafen im Hochschulrecht ebenso wenig. Was es braucht, sind klare Zeichen, klare Handlungen. Nur dadurch wird eine eigentlich selbstverständliche Haltung erst mit Leben gefüllt – und zu einem wertvollen Beitrag im Kampf gegen Antisemitismus.
Die Freie Universität in Berlin lässt dieses tatsächliche Einstehen für ihre Regeln und Prinzipien bislang vermissen. Seit Wochen steht die Hochschulleitung in der Kritik, weil beispielsweise ein Hörsaal besetzt wurde durch die Gruppe „FU Students for a Free Palestine“.
Der jüngste Vorfall ist allerdings von anderer Dimension und erfordert knallharte Reaktionen: Am Wochenende war der 30 Jahre alte, jüdische FU-Student Lahav Shapira mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23 Jahre alter propalästinensischdeutscher Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben.
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, die Tat werde derzeit sowohl als antisemitisch eingestuft als auch im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt. Der Tatverdächtige soll unter anderem im Dezember bereits bei der Hörsaalbesetzung propalästinensischer Aktivisten beteiligt gewesen sein.
Wenn so etwas geschieht, darf es keinen Zweifel an der Haltung geben. Die Tat ereignete sich zwar nicht auf dem Uni-Gelände. Dennoch: Sollte sich Antisemitismus als Motiv erhärten, muss die Universitätsleitung sich fragen lassen, ob an der FU eine Atmosphäre herrscht, in der antisemitische Weltbilder Verbreitung finden können. Und ob an der FU ein Klima der Angst herrscht unter jüdischen Studierenden. Dass dies so sei, berichten Betroffene bereits seit dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres.
Das Unsicherheitsgefühl von Jüdinnen und Juden hat stark zugenommen – auch an den Unis, nicht nur in Berlin. Dass die Berliner Landesregierung und die FU-Leitung bislang darüber rätseln, ob das Hochschulgesetz geändert werden sollte, um eine Exmatrikulation zu ermöglichen, zeigt ihre Hilflosigkeit. Ähnlich hatten auch schon die Spitzen US-amerikanischer Universitäten gehandelt, als es um antisemitische Hetze unter ihren Studierenden ging. Schwammige Verweise auf bislang geltende Regeln reichen nicht.
Sowohl der Senat als auch die FU-Leitung müssen Farbe bekennen. Sind sie dafür, den Rauswurf von Studierenden zu ermöglichen, wenn die eine antisemitische Straftat begehen? Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmern kündigen, wenn die sich antisemitisch äußern – auch dann, wenn es nicht im Arbeitsumfeld geschieht.
Warum sollte also eine Universität solche Studierenden in ihren Reihen dulden müssen? Erst recht, wenn sie gar gewalttätig werden? Die Freiheit der Lehre und der Wissenschaft ist ein hohes Verfassungsgut und besonders geschützt. Das ist gut so. Doch Universitäten sind natürlich kein rechtsfreier Raum. Es ist nun dringend geboten, dass sich Universitäten nicht verunsichern lassen vom Vorwurf der einseitigen Solidaritätsbekundung – und Haltung zeigen.