Stichwahl in Finnland – Stubb oder Haavisto?
Finnland bekommt nach zwölf Jahren ein neues Staatsoberhaupt. Zwei politische Schwergewichte machen das Rennen unter sich aus.
(dpa) Eine junge Frau und ein Herr Mitte 70 haben Finnland in den vergangenen Jahren auf internationaler Bühne vertreten. Sanna Marin, 2019 zur damals jüngsten Regierungschefin der Welt ernannt, und Präsident Sauli Niinistö haben dem nördlichsten Land der EU in einer unruhigen Welt ein Gesicht gegeben und es nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schnurstracks in die Nato geführt. Trotz Marins Popularität hat an der Regierungsspitze bereits kurz nach dem Beitritt jemand anderes das Sagen übernommen – und auch an der Staatsspitze wird nun ein neuer Mann das Ruder übernehmen.
An diesem Sonntag entscheidet sich, wer Finnlands neuer Präsident wird und damit das politische Erbe des überaus beliebten Niinistö antritt. Nach insgesamt zwölf Jahren als Staatsoberhaupt durfte der 75-Jährige, der als einer der Architekten des finnischen Nato-Beitritts gilt und sich als parteiübergreifende Stimme ausgezeichnet hat, nicht wieder antreten.
Sein Nachfolger wird entweder Alexander Stubb oder Pekka Haavisto heißen: Der konservative frühere Regierungschef und der grüne Ex-Außenminister haben bei einer ersten Wahlrunde vor zwei Wochen die meisten Stimmen aller neun Kandidaten erhalten, eine direkte Mehrheit im ersten Anlauf aber jeweils verpasst. Deshalb kommt es zur Stichwahl zwischen ihnen – mit leichtem Vorteil für Stubb.
Vor einigen Jahren noch war die finnische Politik in der Weltöffentlichkeit höchstens eine Randnotiz. Dann kam Marin, und dann folgte auf den russischen Angriff auf die Ukraine der finnische Entschluss, nach jahrzehntelanger militärischer Bündnisfreiheit eine Nato-Mitgliedschaft zu beantragen. Finnland zeigte klare Kante gegenüber seinem großen, schwierigen Nachbarn im
Osten, alle Ost-West-Balance der Vergangenheit war passé. Im April 2023 wurde das Land in das Verteidigungsbündnis aufgenommen.
Die Großmächte dankten es den Finnen auf unterschiedliche Weise: Während US-Präsident Joe Biden Niinistö im Sommer 2023 Helsinki einen Besuch abstattete, ließen die russischen Behörden später zahlreiche Migranten an die finnische Grenze, um das Nachbarland unter Druck zu setzen. Auch den Wahlabend dürfte man im Kreml genau verfolgen. Gleichzeitig dürfte klar sein, dass sich am finnisch-russischen Verhältnis so schnell nicht viel ändern wird. „Ich glaube nicht, dass es unter einem der beiden eine große Veränderung geben wird“, schätzt der Professor und Experte für politische Ökonomie von der Universität Helsinki, Jari Eloranta, ein. „Stubb wäre ein sehr proeuropäischer Präsident, der vermutlich viel Wert auf die anglo-amerikanische Zusammenarbeit legen würde.“Haavisto sei ebenfalls sehr proeuropäisch, aber etwas kosmopolitischer. „Er würde vielleicht etwas mehr auf Finnlands Rolle im globalen Süden eingehen.“In Sachen Russland jedoch, so ist sich Eloranta sicher, wird keiner der beiden Kandidaten von der bisherigen Linie abrücken.
Stubb und Haavisto gelten in Finnland als politische Schwergewichte. Stubb war von Mitte 2014 bis Mitte 2015 Ministerpräsident und hatte davor und danach verschiedene Ministerposten inne. Als Kandidat der konservativen Nationalen Sammlungspartei von Regierungschef Petteri Orpo erhielt der 55-Jährige in der ersten Wahlrunde 27,2 Prozent der Stimmen und damit 1,4 Prozentpunkte mehr als Haavisto. Unter Marin war er finnischer Außenminister und unterzeichnete in dieser Funktion auch Finnlands Nato-Beitrittsurkunde. Der bisherige Höhepunkt seiner langen politischen Karriere.
Der Präsident wird in Finnland für sechs Jahre und anders als in der Bundesrepublik Deutschland direkt vom Volk gewählt.
„Ich glaube nicht, dass es unter einem der beiden eine große Veränderung geben wird“Jari Eloranta Professor für politische Ökonomie an der Universität Helsinki