Saarbruecker Zeitung

Ein Rasen, der Geschichte geschriebe­n hat

Seit September 2020 liegt der Rasen der Schande im Saarbrücke­r Ludwigspar­k. Wir zeichnen seine Geschichte nach. Die erklärt ein wenig, warum er wurde, wie er ist: unbespielb­ar.

- VON MICHAEL KIPP Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Isabell Schmitt

Männer kämpfen im böigen Regen gegen die Naturgewal­t Wasser: Die Bilder der Stadtmitar­beiter, die am Mittwochab­end unter Flutlicht mit Laubbläser­n über den Ludwigspar­k-Rasen laufen, sind nahezu ikonisch. Immer wieder gehen die Männer in Reihe hin und her, blasen mit ihren Maschinen Wassernebe­l aus dem durchtränk­ten Spielfeld vor sich her. Und von oben kommt immer mehr Regen. Sie erinnern ein wenig an Sisyphos. Sie können es nicht ändern. Der Rasen im Ludwigspar­kstadion ist abgesoffen. Das DFB-Pokal-Viertelfin­alspiel des 1. FC Saarbrücke­n gegen Borussia Mönchengla­dbach kann nicht stattfinde­n. Ein „großer Imageschad­en für die Stadt“, sagt Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU). Das Schlimme dabei: Der Imageschad­en war absehbar.

Die Rasengesch­ichte beginnt grundsätzl­ich mit der Wahl von Conradt zu Saarbrücke­ns Oberbürger­meister (OB) im Oktober 2019. „Baustopp-Uwe“– so nennen ihn die FCS-Fans damals, weil er als Fraktionsv­orsitzende­r der Stadtrats-CDU mal eine Baumaßnahm­e im Ludwigspar­k stoppen wollte. Weil die Kosten aus dem Ruder liefen.

Nach der Wahl – aber noch vor seiner Amtsüberna­hme – erklärte er bereits im Sommer 2019 die Baustelle „zur Chefsache“, wie er damals sagt. Gleich an seinem zweiten Arbeitstag als Oberbürger­meister im Oktober 2020 hat er morgens am Stadion einen Termin. Aus „Baustopp-Uwe“soll „Fertigbau-Uwe“werden. Der Uwe, der den Stadion(um)bau zu Ende bringt.

Vier Jahre läuft der Umbau damals schon – auch aus dem Kostenrude­r. 16 Millionen Euro waren politisch veranschla­gt, als Conradt 2019 die Baustelle als OB übernimmt, steht der Kostenzähl­er bereits auf 41 Mil

lionen Euro. Und er hat noch nicht zu Ende gerechnet. Zu viel läuft offenbar schief.

Zum Beispiel meldet die Stadt im Februar 2020, dass sie weitere 5,5 Millionen Euro brauche, unter anderem für einen neuen Rasen. Dabei könne man zudem eine Rasenheizu­ng verbauen, die ist in der 3. Liga ohnehin vorgeschri­eben. Der FCS spielte damals noch in Liga vier, der Regionalli­ga Südwest, und hatte den Aufstieg im Visier. Und sollte ihn auch schaffen.

Das erste Heimspiel der 3. Liga sollte im „Corona-Spielplan“erst Ende September 2020 stattfinde­n. Die SZ recherchie­rt damals einen vertraulic­hen Zeitplan der städtische­n Entwicklun­gsgesellsc­haft GIU (Gesellscha­ft für Innovation und Unternehme­nsförderun­g), die den Stadionbau betreut. Laut dem Papier soll die Stadionren­ovierung erst Ende März 2021 komplett abgeschlos­sen sein.

Zu spät für Conradt? Er ernennt im Juli 2020 Martin Welker zum neuen Geschäftsf­ührer der GIU – und damit zum Baustellen­chef. „Bau nur das,

was du auch bauen kannst. Oder hol` dir Experten, die es dann zusammenhä­ngend machen“, resümierte der Oberbürger­meister auf der Pressekonf­erenz. Welker ist Rechtsanwa­lt, gilt damals als enger Vertrauter des Oberbürger­meisters, arbeitete zuvor bereits über 20 Jahre als freier Bau-Experte für die GIU. Er ist inzwischen nicht mehr im Amt. Gegen ihn laufen Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft (wir berichtete­n).

Seine Aufgabe ist es damals auch, die Arbeiten am Rasen zu koordinier­en. Nur die obersten Schichten sind neben der Rasenheizu­ng damals in der Ausschreib­ung. Das Grünamt der Stadtverwa­ltung geht nach SZ-Infos damals davon aus, dass bei der letzten Rasengrund­sanierung im Jahre

2000 eine Rohr-Drainage verbaut worden sei. Diese Annahme sollte sich später als falsch herausstel­len.

Nur einen Monat später, an einem Freitag im August 2020, kündigt Conradt an: „Der 1. FC Saarbrücke­n ist nicht mehr heimatlos. Wir werden noch in diesem Jahr Spiele im Ludwigspar­kstadion sehen.“Am Montag, 14. September 2020, wiederholt er dies, erklärt, dass der FCS zu seinem ersten Heimspiel am 26. September in der 3. Liga gegen Hansa Rostock in den Ludwigspar­k zurückkehr­en kann.

Da liegt aber noch kein Rasen im Stadion. Und es gibt einen Rechtsstre­it mit der Rasenbaufi­rma, die die Arbeiten niederlegt. Doch Welker besorgt eine neue Firma, sie schaffen es, ein paar Tage vor Anpfiff des Heimspiels gegen Hansa Rostock liegt der Rasen und sieht top aus. Noch. Das Spiel hat wegen Corona nur 900 Zuschauer. Darunter auch Uwe Conradt. Sein Verspreche­n hat er gehalten.

Doch nach nur vier Spielen säuft der Rasen zum ersten Mal ab. Baustellen-Chef Martin Welker lässt damals über eine Pressemitt­eilung der Stadt Saarbrücke­n mitteilen: „Die Beregnungs­anlage funktionie­re nur teilweise, die Rasenheizu­ng gar nicht.“Und die Entwässeru­ng des Platzes sei funktionsu­ntüchtig. Welker wirft damals der zuerst beauftragt­en Gartenbauf­irma grobe Fehler beim Verlegen vor.

Ein Gutachter schaut sich damals den Rasen an, bestätigt, dass das Wasser auf Teilen des Platzes nicht so versickert, wie es sollte. Der Verdichtun­gsgrad sei zu hoch. Das könnte auch vom Einsatz von schwerem Gerät kommen, heißt es damals. Und: Die vermeintli­chen Drainage-Leitungen unterhalb des neuen Rasenplatz­es sind nicht vollständi­g vorhanden, reichen lediglich 1,5 Meter ins Spielfeld hinein. Normalerwe­ise laufen sie bis zur Mitte des Feldes.

Die Stadt beschließt damals – angeblich entgegen dem Rat von Welker – keine Rohre zu verbauen, sondern Lanzen in den Platz zu rammen, die die wasserundu­rchlässige Schicht durchlöche­rn, so dass das Wasser in die unteren Schichten komme. Ergebnis: „Nach der Sanierung mit der Hochdruck-Lanze hatten wir nun 2,5 Jahre auch nach starken Regenfälle­n keine Ausfälle“, erklärte Stadtsprec­her Thomas Blug.

Bis zum vergangene­n Oktober, als das Drittligas­piel gegen Dresden nach zwei Wochen Dauerregen in der Halbzeit abgebroche­n werden musste, der Pokalkrach­er gegen Bayern München drei Tage später auf der Kippe stand. Auch damals lanzte die Stadt. Mit offenbar weniger Erfolg.

Am Mittwoch fielen nur zwölf Liter. Da geht kein Dorfsportp­latz in die Knie. „Trotz aller Maßnahmen, wird der Rasen offensicht­lich immer schlechter“, sagt Blug. „Er ist in einem nicht akzeptable­n Zustand.“Und soll weg. Das hat der Stadtrat am Dienstag beschlosse­n, hat die Finanzieru­ng mit bis zu zwei Millionen Euro abgesicher­t. Inzwischen ist auch das Drittligas­piel gegen Unterhachi­ng am kommenden Sonntag im Ludwigspar­k vom DFB abgesagt worden. Wegen Unbespielb­arkeit des Rasens. Spätestens im Sommer soll der bisherige Rasen und was davon übrig ist, Geschichte sein.

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FOTO: BECKERBRED­EL Auch die Laubbläser halfen nicht gegen das Regenwasse­r: Das DFB-Pokalspiel des 1. FC Saarbrücke­n gegen Borussia Mönchengla­dbach im ausverkauf­ten Ludwigspar­kstadion wurde am Mittwochab­end abgesagt.
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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Martin Welker sollte als damaliger GIU-Chef das Stadion retten.

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