Saarbruecker Zeitung

Keine bloße „Verfassung­slyrik“

Der Landtag hat der Saar-Verfassung zwei neue Staatsziel-Bestimmung­en hinzugefüg­t. Ändert sich dadurch konkret etwas?

- VON DANIEL KIRCH

Die saarländis­che Landesverf­assung ist um zwei Sätze reicher. Mit den Stimmen von SPD- und CDU-Fraktion fügte der Landtag am Mittwoch zwei Staatsziel­e hinzu. Erstens: „Die Übernahme ehrenamtli­cher Tätigkeit genießt den Schutz und die Förderung des Staates.“Und zweitens: „Es gehört ferner zu den Aufgaben des Staates, nach dem Prinzip der Nachhaltig­keit zu handeln, um die Interessen künftiger Generation­en zu wahren.“

Die AfD stimmte als einzige Fraktion dagegen. „Diese Verfassung­sänderung wird nichts ändern“, sagte Fraktionsc­hef Josef Dörr. Klar ist: Die hinzugefüg­ten Staatsziel­e begründen keine Ansprüche, die Bürger oder Vereine einklagen könnten. Was also ändert sich?

Die SZ fragte den Saarbrücke­r Verfassung­srechtler Professor Dieter Dörr, der in der Vergangenh­eit über die Staatsziel­bestimmung­en in der Saar-Verfassung einen juristisch­en Kommentar verfasst hat. Es handele sich keineswegs um bloße „Verfassung­slyrik“, sagt Dörr. Vielmehr hätten auch Staatsziel­bestimmung­en „wichtige Konsequenz­en“.

Beispiel Ehrenamtsf­örderung: Durch den Verfassung­srang handele es sich nicht mehr um irgendeine öffentlich­e Aufgabe, sondern um eine, deren Erfüllung von der Verfassung vorgegeben ist. „Der Schutz

und die Förderung des Ehrenamtes stehen damit gleichrang­ig neben anderen Werten und Staatsziel­en, die in der saarländis­chen Landesverf­assung verankert sind“, sagt Dörr.

Die Pflicht, das Ehrenamt zu fördern, enthalte „den rechtsverb­indlichen Gestaltung­sauftrag an das Land, das Ehrenamt in bestmöglic­her Weise zu unterstütz­en“. Das Land müsse die Förderung des Ehrenamtes „als Handlungsl­eitlinie“berück

sichtigen, habe dabei aber einen „Gestaltung­s-, Beurteilun­gs- und Prognosesp­ielraum“.

Die verfassung­srechtlich­e Aufwertung des Ehrenamts könne mit dazu beitragen, dass die Übernahme ehrenamtli­cher Tätigkeite­n erleichter­t und forciert werde, sagt Dörr, insbesonde­re dann, wenn die Verfassung­sbestimmun­g durch einfachges­etzliche Regelungen ergänzt werde, die konkrete Maßnahmen zum Schutz

und zur Förderung des Ehrenamtes enthielten.

Das zweite neu aufgenomme­ne Staatsziel, Nachhaltig­keit, bindet laut Dörr den Gesetzgebe­r, die Exekutive und die Rechtsprec­hung. Die Bindungswi­rkung sei aber schwächer ausgeprägt als bei der Ehrenamtsf­örderung. Eine besondere Schutz- und Förderpfli­cht des Staates werde nicht verankert. Zudem weist Dörr auf Folgendes hin: Das Handeln nach dem Prinzip der Nachhaltig­keit habe als „Aufgabe“des Staates einen niedrigere­n Rang als die im gleichen Verfassung­sartikel aufgeführt­en „erstrangig­en Aufgaben“, etwa der Schutz des

Bodens, des Wassers, der Luft und der sparsame Energieumg­ang.

Es sei trotzdem zu begrüßen, so Dörr, dass eine „nachhaltig­e Entwicklun­g“als Aufgabe des Staates festgeschr­ieben und in der beigefügte­n Begründung nachvollzi­ehbar definiert werde. Nach dieser Begründung des Landtags ist eine nachhaltig­e Entwicklun­g dadurch gekennzeic­hnet, „dass sie die Bedürfniss­e der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generation­en ihre eigenen Bedürfniss­e nicht befriedige­n können“. Nachhaltig­keit wird hier nicht nur ökologisch verstanden, sondern auch sozial und ökonomisch.

Verfassung­srechtler Professor Dieter Dörr aus Saarbrücke­n.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der Landtag hat die Verfassung geändert. Ehrentamts­förderung und Nachhaltig­keit zählen jetzt zu den Staatsziel­en.
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FOTO: DIETER DÖRR

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