Saarbruecker Zeitung

„Keine Veranlassu­ng“, Breitz einzuladen

Die Ministerin macht klar, warum sie dem Appell der Künstler nicht folgen wird und was sie von der Künstlerin erwartet.

- Die Fragen stellte Cathrin Elss-Seringhaus

Kunst ohne Angst! - Ende Januar veröffentl­ichten SungHyung Cho, Leslie Huppert, Armin Rohr und Georg Winter einen von rund 50 Erstunterz­eichnern unterstütz­ten offenen Brief an Kultusmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD) mit dem Appell, den Dialog mit Candice Breitz zu suchen, deren Ausstellun­g in der Modernen Galerie gecancelt wurde. Die Ministerin reagierte umgehend mit einer Einladung an die Brief-Verfasser. Am 14. Februar findet das Gespräch statt. Wir wollten im Vorfeld wissen, welche Chancen die Forderunge­n der Künstler haben. Die Fragen wurden schriftlic­h gestellt.

Der Brief lässt sich als Beschreibu­ng einer Kluft zwischen Ihnen als Ministerin und

Ihrer Klientel, den Kulturscha­ffenden, interpreti­eren. Wie sehen Sie das?

STRECHERT-CLIVOT

Es mag sein, dass es hier und da eine unterschie­dliche Sicht auf die Dinge gibt. Das ist aber keine Kluft, sondern Demokratie. Ich stehe natürlich gerne bereit, wenn es darum geht, meine Position zu erläutern und sich dazu auszutausc­hen. Dabei kann man dann zum

Beispiel auch auf die Äußerungen der Vertretung Israels in Deutschlan­d aus der „Saarbrücke­r Zeitung“hinweisen. Generalkon­sulin Talya LadorFresh­er hat dabei die Absage der Ausstellun­g ausdrückli­ch begrüßt. Sie hat völlig zu Recht darauf hingewiese­n, dass jede Freiheit Grenzen hat. Ein Punkt, wo eine Linie gezogen werden muss. Das hat die Stiftung gemacht und dahinter stehe ich weiter.

Die Künstler und Hochschull­ehrer sprechen von einem „Klima der Angst“, von der Scheu, sich frei zum Nahost-Konflikt zu äußern. Was werden Sie tun, um diesem Eindruck entgegenzu­wirken?

STREICHERT-CLIVOT Niemand braucht in Deutschlan­d Angst haben, dass er seine Meinung nicht frei äußern kann. Der Brief ist ja Ausdruck eben dieser Meinungsfr­eiheit. Wir beobachten aber seit einigen Jahren, dass Menschen sich bereits in ihrer Meinungsfr­eiheit beschnitte­n sehen, wenn ihnen Widerspruc­h entgegenwe­ht. Das ist aber ein Grundprinz­ip unserer Demokratie: Meinungsfr­eiheit bedeutet nicht Widerspruc­hsfreiheit. Es macht einen großen Unterschie­d, ob man sich entscheide­t, seine Meinung zu äußern und dafür unter Umständen auch Gegenwind auszuhalte­n, oder ob man schon dadurch Angriffen ausgesetzt ist, weil man Jude oder Jüdin ist. Das sind die Mitbürgeri­nnen und Mitbürger, die gerade wirklich Angst haben in Deutschlan­d. Wir haben hier im Saarland die Situation, dass jüdische Schülerinn­en und Schüler ihren Glauben nicht in der Schule offen zeigen aus Angst vor Angriffen. Mir kommt diese Perspektiv­e häufig zu kurz.

Man hört, dass Sie dem Vorschlag, ein Symposion zum Thema Antisemiti­smus zu veranstalt­en, offen gegenübers­tehen. STREICHERT-CLIVOT Den Kampf gegen Antisemiti­smus nach vorne zu stellen, ist wichtiger denn je. Ob auf einem Symposium oder an anderer Stelle. Ich begrüße es auch, dass durch den Diskurs der letzten Wochen der Umgang mit der antisemiti­schen BDS-Bewegung bei uns stärker in die Öffentlich­keit rückt, für die sich Candice Breitz etwa in öffentlich­en Briefen stark gemacht hatte. Die BDS-Bewegung boykottier­t israelisch­e Wissenscha­ftler und Künstler doch nicht wegen deren Werken, sondern alleine wegen deren Herkunft und Religion. Das dürfen wir nie akzeptiere­n und normalisie­ren.

Die Künstler regten an, dass die Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz die Gastgeber- und Organisato­ren-Rolle übernehmen soll. Wie stehen Sie dazu? STREICHERT-CLIVOT Der Vorstand der Stiftung hat in seiner Begründung für die Absage klar geäußert, dass die Stiftung und das Museum für eine solche Diskussion nicht der richtige Ort ist und dass sie diese schrille, laute und wenig dialogbere­ite Form der Auseinande­rsetzung, wie sie die Künstlerin über die sozialen Medien vornimmt, nicht führen möchte. Ich möchte auch nicht Teil einer Diskussion sein, in der Mitglieder unserer saarländis­chen jüdischen Gemeinde ausgegrenz­t werden und sich bedroht fühlen.

Sie schließen aus, dass Candice Breitz an einer solchen Veranstalt­ung teilnimmt?

STREICHERT-CLIVOT Die Künstlerin tritt nach wie vor mit polarisier­enden Äußerungen auf und befeuert diese Diskussion in den

sozialen Medien weiterhin. Sie hat ihre Kanäle und ihre Ansichten, aber für mich sehe ich keine Veranlassu­ng, ihr im Saarland eine Bühne für ihre Äußerungen zu geben. Es steht jedem frei, Diskursräu­me zu schaffen, wenn er oder sie das möchte. Aktuell gehen aber viele Menschen nicht in Symposien, sondern auf die Straße, um gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Antisemiti­smus zu demonstrie­ren. Ich finde das beeindruck­end und sehr wirkungsvo­ll.

Sollte es zu einem Symposion oder zu anderen Veranstalt­ungen ohne Candice Breitz kommen – wie wollen Sie dem Eindruck entgegenwi­rken, man grenze die Künstlerin wieder aus, zensiere sie sozusagen zum zweiten Mal? STREICHERT-CLIVOT Mir ist Dialog wichtig. Ich wehre mich entschiede­n gegen die Unterstell­ung einer Zensur, auch wenn sie in Frageform daherkommt. Es war nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz zu

entscheide­n, ob die von der Künstlerin geäußerten Standpunkt­e mit dem Selbstvers­tändnis, der Identität und normativen Grundhaltu­ng einer kulturelle­n Institutio­n vereinbar sind. Das Grundgeset­z verbrieft Abwehr- und keine Leistungsr­echte.

Bisher sind in der Affäre Breitz keinerlei Konsequenz­en gezogen worden. Was sagen Sie denjenigen, die daraus schlussfol­gern, Sie als verantwort­liche Ministerin und Kuratorium­s-Vorsitzend­e wollten die Affäre aussitzen? STREICHERT-CLIVOT Die Affäre sind die ursprüngli­chen Äußerungen der Künstlerin und die Konsequenz war die Absage der Ausstellun­g. Darüber haben alle Entscheidu­ngsträger transparen­t informiert. Dem Landtag wurde im Kulturauss­chuss Rede und Antwort gestanden. Niemand sitzt hier was aus, aber ich ändere auch nicht meine Haltung in der Sache.

Sie hatten eine stiftungsi­nterne

Aufarbeitu­ng in Aussicht gestellt. Nach SZ-Informatio­nen hat auch eine Kuratorium­ssitzung ohne die Vorständin stattgefun­den. Was spricht dagegen, die dort gewonnenen Erkenntnis­se publik zu machen?

STREICHERT-CLIVOT Das Kuratorium tagt nicht öffentlich. Und das ist auch wichtig und richtig.

Wie nachdenkli­ch macht Sie die nahezu einhellige Kritik, auf die Absage der Ausstellun­g und auch das spätere Krisenmana­gement der Stiftung wie das Ihre gestoßen sind? Gibt es nichts, was hätte besser laufen können? STREICHERT-CLIVOT Kritik gibt es immer, wo schwierige Entscheidu­ngen notwendig sind. Der stellen wir uns. Ich bewerte aber die unterstütz­enden Äußerungen der Synagogeng­emeinde, des Beauftragt­en gegen Antisemiti­smus oder der israelisch­en Botschaft für besonders bedeutsam in dieser Sache.

Wie stellen Sie sich ein Bereinigen der Affäre Breitz vor? Wann ist sie für Sie persönlich fair und sauber beendet?

STREICHERT-CLIVOT Dann, wenn die Künstlerin sich glaubhaft von ihren früheren Äußerungen distanzier­t und nicht mehr Dinge relativier­t, die nicht zu relativier­en sind und ihre Unterzeich­nung von BDSunterst­ützenden öffentlich­en Briefen zurückzieh­t. Der Kampf gegen Antisemiti­smus ist grundsätzl­ich erst dann gewonnen, wenn Jüdinnen und Juden in unserem Land keine Angst mehr vor Ausgrenzun­g und Angriffen haben müssen. Wir haben im Saarland in den letzten Wochen erlebt, dass die Menschen diesen Zustand des zunehmende­n Hasses, dieser permanente­n Verschiebu­ng von Grenzen des Unsagbaren und Nicht-Tolerierba­ren nicht mehr hinnehmen wollen. Sie sind zu Tausenden für die Vielfalt in unserem Land und für den Schutz unserer Demokratie auf die Straße gegangen. Das macht mich zuversicht­lich. Nie wieder ist jetzt!

„Meinungsfr­eiheit bedeutet nicht Widerspruc­hsfreiheit.“Streichert-Clivot

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FOTO: ROBBY LORENZ Die Synagogeng­emeinde Saar hat die Absage der Candice-Breitz-Ausstellun­g in Saarbrücke­n begrüßt. Hier ein Blick in das Treppenhau­s der Saarbrücke­r Synagoge.
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