Der große Streit um das Rasen-Desaster
Die Absage des Viertelfinalspiels im DFB-Pokal zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Borussia Mönchengladbach am Mittwochabend war ein Schock. Am Tag danach fallen deftige Worte.
Noch 40 Minuten bis zum Anpfiff im Ludwigspark. Der Regen prasselt unaufhörlich hernieder auf den furchtbar aussehenden Rasen, und der Mann am Zaun hört einfach nicht auf zu schimpfen. „Die Dummschden der Dummen“seien hier am Werk gewesen, bellt er in sein Handy in einem breiten Dialekt, wie man ihn in Schmelz oder Wadern spricht. Eine Minute geht das so, der Mann kann sich kaum beruhigen.
Wie so viele Fans, die am Mittwoch von überall aus dem Saarland nach Saarbrücken gekommen sind, um den FCS wieder siegen zu sehen, ist er frustriert und fassungslos. Dabei ist das Pokalspiel gegen Gladbach zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgesagt. Doch ein Blick auf den Platz sagt mehr als 1000 Worte – hier kann unmöglich gespielt werden! Leider herrscht bald Gewissheit. Und jetzt?
Am Tag nach dem Schock schwankt die Stadtpolitik zwischen heftiger Kritik und dem Blick in eine hoffentlich bessere Zukunft. Die CDU ist darum bemüht, Parteifreund Uwe Conradt aus der Schusslinie zu nehmen, der sich noch am Mittwochabend für das Rasen-Desaster entschuldigt. Die Verantwortung für die Probleme „tragen die miserable Planung und Ausschreibung der Bauleistungen, die noch aus der Amtszeit von Charlotte Britz stammen“, sagt CDU-Fraktionschef Alexander Keßler. Damals sei versäumt worden, für die Erstellung des Spielfelds eine Drainage in die Ausschreibung aufzunehmen: „Ob absichtlich, um Kosten zu sparen, oder aus Unachtsamkeit und Unwissen um die Notwendigkeit einer funktionierenden Entwässerung, das sei mal dahingestellt.“Oberbürgermeister Conradt jedenfalls habe die Mängel „geerbt“.
Umso wichtiger, so die CDU, sei die am Tag vor dem Spiel im Stadtrat eingebrachte Initiative des OB, den Rasen jetzt schnellstmöglich anzugehen. Das noch ausstehen
de Gutachten werde zeigen, ob man im Bestand saniert oder ob ein komplett neuer Rasen inklusive Drainage gebaut wird. „Fakt ist: Es ist gut, dass die notwendigen Beschlüsse dafür gefasst wurden und die Finanzierung mit großer Mehrheit im Rat beschlossen wurde – trotz der unsäglichen und jeder Grundlage entbehrenden Einlassungen der Bürgermeisterin und ihrer grünen Stadtratsfraktion.“Keßler kritisierte konkret, dass im Stadtrat von der Grünen-Fraktionschefin Claudia Schmelzer der Erfolg des FCS im Pokal als „Abnormität“bezeichnet worden war und sie dem Verein die Zweitligatauglichkeit abgesprochen hatte.
Schmelzers Co-Fraktionschefin Jeanne Dillschneider sagte am Donnerstag auf SZ-Anfrage, die Spielabsage sei „natürlich eine große Blamage für die Stadt“. Die Verantwortung dafür liege an vielen Stellen. Im konkreten Fall hätte sich der städtische Betrieb GMS besser
auf das Regenwetter vorbereiten müssen. Kurzfristig sei daher eine „bessere Organisation von GMS“nötig, um den Rasen bei einer solchen Wetterlage bespielbar zu machen. Die grundlegenden Probleme müssten dann in der Sommerpause behoben werden. Ein geplantes Zweitgutachten zum Rasen sei zur rechtlichen Absicherung sinnvoll, der Stadtrat könne keine „Blankoschecks“verteilen.
Während die SPD die Absage als „ärgerlich und enttäuschend“bezeichnete und darauf hofft, dass mit der vom Stadtrat getroffenen Entscheidung „endlich ein Schlussstrich unter das Rasen-Thema gezogen“werden kann, ließ die FDP kein gutes Haar am OB. „Die Absage des Pokalspiels ist ein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte der Landeshauptstadt unter Oberbürgermeister Uwe Conradt“, ätzte Fraktionschef Helmut Isringhaus. Die ganze Stadt müsse jetzt „für die Fehler des Oberbürgermeisters und seines Bauleiters“zahlen – „Saarbrücken ist dadurch zur Lachnummer der Nation geworden“. Mit Bauleiter ist Ex-GIU-Geschäftsführer Martin Welker gemeint.
Die FDP fordert eine Sondersitzung des Werksausschusses GMS, um zu erfahren, was kurzfristig möglich ist, um dem FCS zu helfen, damit er die Saison zu Ende spielen kann. Ein weiteres Rasen
Gutachten sei „überflüssig“, ein kompletter Neubau „alternativlos“. Zudem müsse „auf jeden Fall in alle Richtungen geprüft werden, ob es Regressansprüche gibt“.
Die scharfe Kritik an Conradt konterte die CDU noch am selben Tag. Sie nannte die „Angriffe“der FDP-Stadtratsfraktion auf den OB „vollkommen haltlos“. Offensichtlich handle es sich um den „etwas unbeholfenen Versuch, den Verwaltungschef aus taktischen Gründen in Misskredit zu ziehen“, meinte Keßler: „Wieder einmal zeigt sich, dass die FDP in Saarbrücken vollkommen planlos ist und sich an jeden Strohhalm klammert, um politische Vorteile zu erzielen.“Keßler fordert die FDP auf, zur Sachlichkeit zurückzukehren: „Die Situation ist zu ernst, um sich jetzt in politische Grabenkämpfe zurückzuziehen. Die bisherige Rolle des Schuldzuweisers, die die FDP einnimmt, hilft niemandem.“
„Die Absage des Pokalspiels ist ein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte der Landeshauptstadt unter Oberbürgermeister Uwe Conradt.“Helmut Isringhaus Vorsitzender der FDP-Fraktion im Saarbrücker Stadtrat