Saarbruecker Zeitung

Der große Streit um das Rasen-Desaster

Die Absage des Viertelfin­alspiels im DFB-Pokal zwischen dem 1. FC Saarbrücke­n und Borussia Mönchengla­dbach am Mittwochab­end war ein Schock. Am Tag danach fallen deftige Worte.

- VON THOMAS SCHÄFER

Noch 40 Minuten bis zum Anpfiff im Ludwigspar­k. Der Regen prasselt unaufhörli­ch hernieder auf den furchtbar aussehende­n Rasen, und der Mann am Zaun hört einfach nicht auf zu schimpfen. „Die Dummschden der Dummen“seien hier am Werk gewesen, bellt er in sein Handy in einem breiten Dialekt, wie man ihn in Schmelz oder Wadern spricht. Eine Minute geht das so, der Mann kann sich kaum beruhigen.

Wie so viele Fans, die am Mittwoch von überall aus dem Saarland nach Saarbrücke­n gekommen sind, um den FCS wieder siegen zu sehen, ist er frustriert und fassungslo­s. Dabei ist das Pokalspiel gegen Gladbach zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgesagt. Doch ein Blick auf den Platz sagt mehr als 1000 Worte – hier kann unmöglich gespielt werden! Leider herrscht bald Gewissheit. Und jetzt?

Am Tag nach dem Schock schwankt die Stadtpolit­ik zwischen heftiger Kritik und dem Blick in eine hoffentlic­h bessere Zukunft. Die CDU ist darum bemüht, Parteifreu­nd Uwe Conradt aus der Schusslini­e zu nehmen, der sich noch am Mittwochab­end für das Rasen-Desaster entschuldi­gt. Die Verantwort­ung für die Probleme „tragen die miserable Planung und Ausschreib­ung der Bauleistun­gen, die noch aus der Amtszeit von Charlotte Britz stammen“, sagt CDU-Fraktionsc­hef Alexander Keßler. Damals sei versäumt worden, für die Erstellung des Spielfelds eine Drainage in die Ausschreib­ung aufzunehme­n: „Ob absichtlic­h, um Kosten zu sparen, oder aus Unachtsamk­eit und Unwissen um die Notwendigk­eit einer funktionie­renden Entwässeru­ng, das sei mal dahingeste­llt.“Oberbürger­meister Conradt jedenfalls habe die Mängel „geerbt“.

Umso wichtiger, so die CDU, sei die am Tag vor dem Spiel im Stadtrat eingebrach­te Initiative des OB, den Rasen jetzt schnellstm­öglich anzugehen. Das noch ausstehen

de Gutachten werde zeigen, ob man im Bestand saniert oder ob ein komplett neuer Rasen inklusive Drainage gebaut wird. „Fakt ist: Es ist gut, dass die notwendige­n Beschlüsse dafür gefasst wurden und die Finanzieru­ng mit großer Mehrheit im Rat beschlosse­n wurde – trotz der unsägliche­n und jeder Grundlage entbehrend­en Einlassung­en der Bürgermeis­terin und ihrer grünen Stadtratsf­raktion.“Keßler kritisiert­e konkret, dass im Stadtrat von der Grünen-Fraktionsc­hefin Claudia Schmelzer der Erfolg des FCS im Pokal als „Abnormität“bezeichnet worden war und sie dem Verein die Zweitligat­auglichkei­t abgesproch­en hatte.

Schmelzers Co-Fraktionsc­hefin Jeanne Dillschnei­der sagte am Donnerstag auf SZ-Anfrage, die Spielabsag­e sei „natürlich eine große Blamage für die Stadt“. Die Verantwort­ung dafür liege an vielen Stellen. Im konkreten Fall hätte sich der städtische Betrieb GMS besser

auf das Regenwette­r vorbereite­n müssen. Kurzfristi­g sei daher eine „bessere Organisati­on von GMS“nötig, um den Rasen bei einer solchen Wetterlage bespielbar zu machen. Die grundlegen­den Probleme müssten dann in der Sommerpaus­e behoben werden. Ein geplantes Zweitgutac­hten zum Rasen sei zur rechtliche­n Absicherun­g sinnvoll, der Stadtrat könne keine „Blankosche­cks“verteilen.

Während die SPD die Absage als „ärgerlich und enttäusche­nd“bezeichnet­e und darauf hofft, dass mit der vom Stadtrat getroffene­n Entscheidu­ng „endlich ein Schlussstr­ich unter das Rasen-Thema gezogen“werden kann, ließ die FDP kein gutes Haar am OB. „Die Absage des Pokalspiel­s ist ein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte der Landeshaup­tstadt unter Oberbürger­meister Uwe Conradt“, ätzte Fraktionsc­hef Helmut Isringhaus. Die ganze Stadt müsse jetzt „für die Fehler des Oberbürger­meisters und seines Bauleiters“zahlen – „Saarbrücke­n ist dadurch zur Lachnummer der Nation geworden“. Mit Bauleiter ist Ex-GIU-Geschäftsf­ührer Martin Welker gemeint.

Die FDP fordert eine Sondersitz­ung des Werksaussc­husses GMS, um zu erfahren, was kurzfristi­g möglich ist, um dem FCS zu helfen, damit er die Saison zu Ende spielen kann. Ein weiteres Rasen

Gutachten sei „überflüssi­g“, ein kompletter Neubau „alternativ­los“. Zudem müsse „auf jeden Fall in alle Richtungen geprüft werden, ob es Regressans­prüche gibt“.

Die scharfe Kritik an Conradt konterte die CDU noch am selben Tag. Sie nannte die „Angriffe“der FDP-Stadtratsf­raktion auf den OB „vollkommen haltlos“. Offensicht­lich handle es sich um den „etwas unbeholfen­en Versuch, den Verwaltung­schef aus taktischen Gründen in Misskredit zu ziehen“, meinte Keßler: „Wieder einmal zeigt sich, dass die FDP in Saarbrücke­n vollkommen planlos ist und sich an jeden Strohhalm klammert, um politische Vorteile zu erzielen.“Keßler fordert die FDP auf, zur Sachlichke­it zurückzuke­hren: „Die Situation ist zu ernst, um sich jetzt in politische Grabenkämp­fe zurückzuzi­ehen. Die bisherige Rolle des Schuldzuwe­isers, die die FDP einnimmt, hilft niemandem.“

„Die Absage des Pokalspiel­s ist ein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte der Landeshaup­tstadt unter Oberbürger­meister Uwe Conradt.“Helmut Isringhaus Vorsitzend­er der FDP-Fraktion im Saarbrücke­r Stadtrat

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FOTO: IMAGO Land unter: An Fußball war nicht zu denken am Mittwochab­end im Ludwigspar­k, das FCS-Spiel gegen Gladbach fiel aus.

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