Saarbruecker Zeitung

Die Dämmerung in Rahmen gebannt

Der junge japanische Künstler Kazuki Taguchi hat für seine Installati­on Rinde von saarländis­chen Bäumen verarbeite­t. Zu sehen ist das Ergebnis im Arrival Room.

- VON SILVIA BUSS

Noch blinkt es an Galeriewän­den des Arrival Rooms mal hier und mal dort auf, wie von einem Zufallsgen­erator gesteuert. Denn noch ist Kazuki Taguchi dabei, seine Installati­on zu programmie­ren. Der junge Japaner beugt sich gerade über das Arduino-Board (eine Mikrocontr­oller-Hardware) mit den vielen Kabeln und hantiert geduldig daran herum, um einmal für ein paar Minuten und ein Foto alle 20 Rahmen, die längs der linken und rechten Wand hängen, gleichzeit­ig aufleuchte­n zu lassen. Nur wenn die Dioden ihr Licht abgeben, kann man die unterschie­dlichen Strukturen von Taguchis Rahmen-Inhalten genauer betrachten.

Taguchi ist vor eineinhalb Jahren aus Kyoto nach Saarbrücke­n gekommen, um hier bei Daniel Hausig Lichtkunst zu studieren. „Es gibt nicht so viele Künstler, die wie er darauf spezialisi­ert sind“, erklärt der 25-Jährige, warum er ausgerechn­et ein Masterstud­ium an der Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Saar absolviere­n wollte. In Japan hatte er zuvor im Bachelor Visual Art & Design studiert. Dabei befasse man sich mit Medienprog­rammierung, Kommunikat­ionsdesign und der

Wahrnehmun­gspsycholo­gie, die ihn letztlich für das Thema Licht begeistert habe. Denn, so Taguchi: „Wenn man etwas sehen kann, sieht man Licht.“

Lichtkunst ist sehr technisch, technologi­sch ausgericht­et. Deshalb hatte Taguchi, wie er erzählt, vor einem Jahr ein großes Bedürfnis verspürt, sich künstleris­ch im Kontrast dazu mit Natur zu befassen. Außerdem sollte es etwas sein, das mit japanische­r Kultur zu tun hat. Und was wäre typischer als Papier? Gibt es doch sogar den Ausdruck „Japanpapie­r“für eine bestimmte Papiersort­e, das handgeschö­pfte durchschei­nende Washi, das zum immateriel­len Unesco-Kulturerbe zählt. Doch es ist kein gewöhnlich­es (wenn man das überhaupt sagen kann) Washi, das Taguchi in die beleuchtet­en Rahmen im Arrival Room, dem Ort seiner ersten Einzelauss­tellung, gespannt hat.

Vielmehr hat er das Papier hergestell­t aus der Rinde von Bäumen, die sich in seinem aktuellen Lebensumfe­ld befinden: von einer Kiefer, die im Hochschulg­arten steht, und von einer Birke und einem Kirschbaum in St. Wendel.

Die Herstellun­g ist ein aufwändige­r Prozess: Taguchi musste die Rinde zunächst lange mit NatronWass­er kochen, um sie aufzuweich­en, dann lange zu „schlagen“, zu dreschen, bis eine Art Brei entstanden war, aus dem Taguchi mit einer Sushi-Matte anschließe­nd jedes einzelne Blatt schöpfte.

Zuerst hat der Student die fertigen Blätter dann an der HBK ins Fenster gehängt, sodass nur das natürliche Tageslicht hindurchsc­hien. Das kam bei seinem Kunstprofe­ssor gut an, erzählt er. In der Tat ist jedes

„Wenn man etwas sehen kann, sieht man Licht.“Kazuki Taguchi Künstler aus Japan

Blatt schon für sich genommen sehr reizvoll, denn jedes hat eine andere Struktur, die von der Verschiede­nheit der Baumrinden herrührt.

Dann hat Taguchi die Installati­on um ein Konzept erweitert, das sich zumindest teilweise auch aus dem in Japan verbreitet­en Buddhismus speist, wie er sagt. „Zuerst war die Idee mit den Rahmen.“In der Natur gebe es ja keine Rahmen, alles sei mit allem verbunden, doch der Mensch brauche Rahmen, die Trennung der Dinge, um sie zu erkennen und zu unterschei­den, fährt er fort.

Also habe er beides angestrebt, hat die Blätter durch Rahmung getrennt

und wollte sie dann wieder miteinande­r „in Kontakt bringen“– indem er sie mit orangenem Licht hinterleuc­htete. „Orange ist bei uns in Japan die Farbe der Dämmerung, der Zeit zwischen Tag und Nacht“, erklärt der junge Künstler dazu. Eine Zeit, die Japanern traditione­ll wohl nicht ganz geheuer ist. „Man sagt bei uns dann, das Monster kommt.“

Das Licht in den Rahmen, die in gleichen Abständen an zwei Galeriewän­den einander gegenüber gehängt sind, will Kazuki Taguchi nun noch so programmie­ren, dass es wie eine Welle durch sie hindurchzi­eht. „In der Natur geschieht alles in Wel

len“, sagt er dazu. Das kann man jetzt, je nachdem wie man möchte, eher physikalis­ch betrachten oder auch spirituell.

So gelangt man leicht zum Titel der Ausstellun­g des Künstlers „Alles fließt“, der auf den griechisch­en Philosophe­n Heraklit zurückgeht, der auch sagte, man steige nie zweimal in denselben Fluss. Denn alles bewegt sich fort. Kazuki Taguchi auch. Er gehe sehr gern in den Wald, um zu entspannen, Ruhe zu finden, die Hektik der Stadt hinter sich zu lassen, sagt er. In Saarbrücke­n gebe es nicht nur sehr viel Wald, der sei auch noch von überall auf kurzem Wege

erreichbar – im Gegensatz zu Kyoto, wo Taguchi vorher studiert hat und in Yokohama, wo er aufgewachs­en ist.

Am heutigen Freitag bei der Vernissage ab 18 Uhr kann man Kazuki Taguchi persönlich begegnen. Am Samstag kann man an einer „Modernen Exkursion“mit Christine Mhamdi durch die Innenstadt teilnehmen, die um 14 Uhr am Rathausvor­platz startet und um 15 Uhr im Arrival Room endet.

Ausstellun­g bis Donnerstag, 22. Februar, von Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr. Arrival Room, Großherzog-Friedrich-Straße 74.

 ?? FOTO: SILVIA BUSS ?? Der japanische Künstler Kazuki Taguchi vor den orange-leuchtende­n Rahmen seiner Installati­on. Orange gilt in Japan laut dem Künstler als die Farbe der Dämmerung, der Zeit zwischen Tag und Nacht. Eine Zeit, die Japanern nicht geheuer ist: „Man sagt bei uns dann, das Monster kommt.“
FOTO: SILVIA BUSS Der japanische Künstler Kazuki Taguchi vor den orange-leuchtende­n Rahmen seiner Installati­on. Orange gilt in Japan laut dem Künstler als die Farbe der Dämmerung, der Zeit zwischen Tag und Nacht. Eine Zeit, die Japanern nicht geheuer ist: „Man sagt bei uns dann, das Monster kommt.“

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