Ein Umfeld mit „kriminellen Absichten“?
Hintergrund zu Trainer Carol Santa, der sich mit Sara Benfares ablichten ließ, und seine Verbindung zu „Dr. Mabuse“Bernard Sainz.
„Welcome to Iten – Home of Champions“. Willkommen in Iten, der Heimat der Meister – deutlicher als die Aufschrift auf dem großen roten Torbogen neben einer staubigen Laufstrecke am Ortseingang in der kenianischen Hochebene kann man es nicht formulieren. Hier, auf 2400 Meter Höhe, werden Medaillen bei internationalen Meisterschaften geschürft, Hoffnungen und Träume produziert. Kaum ein Mittel- oder Langstreckenläufer mit internationalen Ambitionen war noch nicht hier im Trainingslager – ob Top-Athleten wie die einstige Marathon-Weltrekordlerin Paula Ratcliffe (Großbritannien) oder Deutschlands Lauf-Star Konstanze Klosterhalfen. Kenias Volksheld Eliud Kipchoge, Doppel-Olympiasieger, Weltmeister und Seriensieger großer Marathons, verlegte zeitweise seinen Wohnsitz nach Iten. Und auch Sara Benfares vom LC Rehlingen, die bis zu ihrem positiven Dopingtest, der in der vergangenen Woche von der Saarbrücker Zeitung öffentlich gemacht wurde, eine saarländische Olympia-Hoffnung war, absolvierte mehrfach ein Höhentrainingslager in Iten.
Auch Carol Santa weiß Iten zu schätzen. Jener Santa, der auf einem Foto an der Seite von Sara Benfares und seinem Sohn Daniel bei der Leichtathletik-EM 2022 in München zu sehen ist. Ein Foto, gepostet von Daniel Santa bei Facebook, das nach der Veröffentlichung in der SZ am 2. Februar deutschlandweit für große Aufmerksamkeit sorgte. Zum einen, weil die saarländische Olympia-Hoffnung Benfares der erste Epo-Fall in der deutschen Leichtathletik seit 2016 ist. Zum anderen, weil Carol Santa in Sachen Epo kein unbeschriebenes Blatt ist.
Benfares, die bei der EM eine persönliche Bestzeit über 5000 Meter aufgestellt hatte, und die Santas stehen auf dem Foto Arm in Arm im Olympiastadion. Die Santas tragen Kleider des französischen Clubs CA Montreuil, dessen Vorsitzender Samir Benfares ist, Vater und Trainer von Sara. Sie selbst ist neben dem LC Rehlingen für CA Montreuil startberechtigt. Dass es eine Verbindung der Familie zu den Santas gibt, legt das Foto zweifelsfrei nahe.
Wer ist also dieser Carol Santa? Und welche Rolle spielt er im Um
feld der unter Dopingverdacht stehenden Benfares? Die 22-Jährige hat sich bislang nicht öffentlich geäußert, wie es sein konnte, dass in ihrem Test am 30. September 2023 Epo und Testosteron nachgewiesen wurden. Die Nationale Anti-DopingAgentur hatte das bestätigt und führt nun ein Verfahren gegen die
Athletin. Zudem hat die NADA bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wegen des möglichen Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz Anzeige gegen Benfares erstattet.
Die Recherchen der Saarbrücker Zeitung zum Fall Benfares führen auch nach Iten – und zu Carol Santa. Der Rumäne führte als Trainer viele seiner Sportler zu Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Santa lebte für mehrere Jahre in Iten
– dort, wo aus Läufern Champions werden sollen. Die rumänische Journalistin Andreea Archip hatte Santa für die Zeitung „Libertatea“in Kenia besucht. In ihrem Text, den Archip Ende November 2019 veröffentlicht hat, beschreibt sie einen Mann, dem nur noch die olympische Medaille einer seiner Athleten fehlt – und der an diese Medaille denkt, „wenn er morgens um 6 Uhr auf den Hügeln von Iten seinen Tag beginnt, mit der Stoppuhr in der Hand“.
Archip zeichnet ein detailliertes Bild des Lebens vor Ort – das harte Training der Sportler unter teilweise unwirtlichen Bedingungen, Straßenverkäufer, die mit Ledergürteln versuchen, ihr tägliches Brot zu verdienen, die kargen Umstände, unter denen ein Großteil der Bevölkerung lebt. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es noch Menschen gibt, die so leben“, wird Santa zitiert.
Sieben Athleten, so beschreibt es der Text der „Libertatea“, hatte Santa zu diesem Zeitpunkt unter seinen Fittichen. Darunter auch Joan Chelimo Melly. Die 33-Jährige, die mittlerweile die rumänische Staatsbürgerschaft angenommen hat und sich als erste rumänische Leichtathletin für die Olympischen
Spiele 2024 qualifiziert hat, ist eine der Hoffnungen von Santa auf die lange ersehnte Olympiamedaille. Auch Ruth Chepngetich gehört dazu. Die Kenianerin hielt eine Zeit lang den Weltrekord im Halbmarathon. Vermarktet wird Chepngetich von Daniel Santa, der eine Sportmarketing-Agentur betreibt. Zählt auch Sara Benfares dazu?
Neben den Athleten, mit denen Trainer Carol Santa reüssiert hat und noch reüssieren will, gibt es
Sportler, die des Dopings überführt wurden. Wie Santas Schützling Aras Kaya. Der Mittelstreckler, in Kenia geboren und auf Vermittlung von Carol Santa in die Türkei gewechselt (Santa arbeitete zwischenzeitlich für den türkischen Verband), gewann von 2016 bis 2021 mehrere Medaillen bei Cross-Europameisterschaften und -Weltmeisterschaften. Kaya wurde am 25. September 2022 im Rahmen des „Running Festival“in der rumänischen Stadt Brasov in Siebenbürgen, wo er die zehn Kilometer lief, positiv auf Epo getestet.
Solche Vorkommnisse trugen dazu bei, dass Santa nicht der beste Ruf vorauseilt. Gleiches gilt für seine Verbindung zu Bernard Sainz. Der Franzose, den sie in der Sportszene „Doktor Mabuse“(eine literarische Figur, die mit Genialität Verbrechen begeht) nennen, war vor allem im Profi-Radsport aktiv. Sainz, der sich jahrelang als Sportarzt ausgegeben hatte, aber gar keine Lizenz zur Ausübung des Berufs hatte, wurde mehrfach verurteilt, saß sogar schon im Gefängnis, weil er Sportlern Dopingprodukte verabreicht hat. Vor einem Jahrzehnt traf ihn der Bann des Radsports – und Sainz wandte sich stattdessen der Sportart Leichtathletik zu.
Sainz, dessen medikamentöse Gaben an Athleten auf seiner angeblich homöopathischen Ausbildung gründen sollen, und Santa pflegen seit Langem ein freundschaftliches Verhältnis, das in der französischen Presse mehrfach kritisch hinterfragt wurde. In einem Text des Journalisten Clément Guillou in der französischen Zeitung „Le Monde“wird Sainz zitiert, dass er Santa auf Anfrage „bei gesundheitlichen Problemen (von Santas Sportlern, Anmerkung der Redaktion) Ratschläge“gebe.
Santa selbst sagte der Zeitung: „Ich tausche mich mit ihm (Sainz, Anm. der Red.) aus. Ich muss mit niemand anderem zusammenarbeiten. Auf meinem Erfahrungsstand brauche ich niemanden, der einen Plan für mich ausarbeitet.“Von Dopingprodukten könne keine Rede sein. „Er hat mir so etwas nie angeboten. Er ist eine Person mit umfassendem natürlichem und homöopathischem Wissen“, sagte Carol Santa der Zeitung. Detail am Rande: Sainz soll laut „Le Monde“aufgrund eines dreijährigen Jura-Studiums die Vertretung von Leichtathleten übernommen haben, die auf Epo oder Testosteron positiv getestet wurden – jene Substanzen, die auch bei Sara Benfares gefunden wurden. Zu diesen Athleten gehört auch die türkisch-südafrikanische Weitspringerin Karin Melis Mey, die auf Vermittlung von Santa in der Türkei eingebürgert wurde und die Santa an Sainz zur Rechtsvertretung vermittelt haben soll.
Benfares, Santa, Sainz alias Dr. Mabuse – das Umfeld der saarländischen Olympia-Kandidatin veranlasst den renommierten DopingExperten Prof. Fritz Sörgel zu einer überraschend klaren Einordnung. „Es ist offensichtlich wieder so ein Dopingfall, der innerhalb eines Zirkels entstanden ist. Das Foto verdichtet sehr stark den Verdacht, dass da kriminelle Absichten dahinterstehen, um eine Sportlerin weit nach vorn zu bringen“, sagte der 73-Jährige bei Sport1. Er sieht Benfares auch „als Opfer ihres Umfelds, weil sie da vermutlich gar nicht rauskonnte“. Dennoch betont er: „Mit 22 Jahren ist man eigentlich erwachsen und reif genug, um zu bemerken, was um einem herum passiert.“Auf der kenianischen Hochebene in Iten wachsen nicht nur sportliche Träume und Hoffnungen, offenbar platzen einige dort auch.
„Das Foto verdichtet sehr stark den Verdacht, dass da kriminelle Absichten dahinterstehen, um eine Sportlerin weit nach vorn zu bringen.“Doping-Experte Prof. Fritz Sörgel über Sara Benfares und die Santas