Joe Bidens Hillary-Moment
Der Bericht des Sonderermittlers zur Dokumentenaffäre stellt die mentalen Fähigkeiten von US-Präsident Biden infrage.
So ärgerlich haben die Amerikaner Joe Biden selten erlebt. Im Raum, in dem einst Franklin Roosevelt seinen Landsleuten vor knisterndem Feuer Vertrauen einredete, tat ein anderer in die Jahre gekommener Präsident das Gegenteil. Der Auftritt des 81-jährigen Präsidenten im Diplomatischen Empfangsraum war nicht nur hastig angesetzt worden. Er illustrierte und verstärkte das, was Sonderermittler Robert Hur auf 345 Seiten seines Abschlussberichts zum Umgang Bidens mit rund sieben Millionen Seiten an Geheimdokumenten festgehalten hatte.
Darin gelangte der von Justizminister Merrick Garland eingesetzte Republikaner zum Schluss, dass Biden nach seiner Amtszeit als Vizepräsident als Privatmann „willentlich Geheimakten aufbewahrt und mit anderen geteilt hat“. Von einer Strafanklage sah Hur ab, weil Biden im Unterschied zu Donald Trump umfänglich kooperierte und sich seine Schuld nicht zweifelsfrei belegen ließ.
So weit, so undramatisch. Was Hur dann festhält, ist ein härteres Urteil, als jede Jury in einem Prozess gegen Biden fällen könnte. Der Sonderermittler begründet die Nichtanklage mit der Schwierigkeit, „einen dann weit über 80 Jahre alten, ehemaligen Präsidenten wegen einer schweren Straftat zu verurteilen, die einen bewussten Geisteszustand voraussetzt“. Biden hingegen habe deutliche Gedächtnislücken gezeigt.
Hur zitierte dann Beispiele aus der Befragung des Präsidenten am 8. und 9. Oktober, also unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Biden nahm sich für die FBI-Beamten dennoch fünf Stunden Zeit, um deren Fragen zu beantworten. Am ersten Tag konnte sich der Präsident nicht mehr erinnern, wann seine Amtszeit als Stellvertreter Barack Obamas endete. Am nächsten Tag fiel Biden dann nicht mehr ein, wann seine Amtszeit begann. „2009, war ich da noch Vizepräsident?“
Hur legte den Finger in die Wunde, als er einen für Biden hochemotionalen Lapsus öffentlich machte. „Er konnte sich nicht erinnern, obwohl es nur ein paar Jahre her ist, wann sein Sohn Beau gestorben ist.“Weitere Beispiele umfassen Verwechslungen von Personen, mit denen Biden politische Differenzen hatte.
Letztlich müsste eine Jury von der Schuldfähigkeit des Präsidenten überzeugt werden, hält Hur fest. Der Report wurde am Donnerstagnachmittag veröffentlicht. Und sorgte im
Weißen Haus für hektische Aktivitäten. Die Republikaner reagierten umgehend. Donald Trumps TopStratege Chris LaCivita nannte den Abschlussbericht „verdammend und definierend“. Er bestätige, was die Amerikaner selbst sehen konnten.
Das Presseteam im Weißen Haus entschied sich, den Präsidenten kurzfristig vor die Kameras zu schicken. Angriff als beste Verteidigung. Nach ein paar Reporterfragen drehte sich Biden vom Rednerpult ab. Dann passierte der Super-Gau. Der Präsident ließ sich durch eine Frage zu Gaza provozieren. Er kehrte zurück und bestätigte noch einmal, warum Sonderermittler Hur sich veranlasst sah, die Geisteskraft des 81-Jährigen infrage zu stellen. Er habe mit dem „Präsidenten von Mexiko“al-Sisi telefoniert, sagte Biden, ohne zu merken, dass er den Ägypter Abdel Fattah al-Sisi meinte.
Das tragische Ende eines denkwürdigen Tages, der alles andere als Vertrauen einflößte.