Saarbruecker Zeitung

Kleine Bundestags­wahl – wer aufatmen kann und wer nicht

- VON HAGEN STRAUSS UND JAN DREBES Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Lukas Ciya Taskiran Manuel Görtz

Sonntag ist Bundestags­wahl. Zumindest in Teilen von Berlin. Wegen des chaotische­n Urnengangs von 2021 muss in einigen Bezirken neu gewählt werden. Dazu die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Warum muss die Wahl teilweise erneut stattfinde­n?

Hintergrun­d sind die zahlreiche­n Pannen in mehreren Berliner Wahllokale­n bei der Bundestags­wahl im September 2021. Damals bildeten sich lange Schlangen, weil Stimmzette­l fehlten oder die falschen vorlagen oder zu wenige Wahlkabine­n aufgestell­t worden waren. An dem Tag fand zudem der Berlin-Marathon statt, was die Stimmzette­l-Logistik zusätzlich erschwerte. Einige Wahllokale mussten zeitweise geschlosse­n werden, andere nahmen Stimmen nach 18 Uhr an. Später gab es mehr als 1700 Einsprüche gegen die Wahl, unter anderem vom damaligen Bundeswahl­leiter selbst.

Wer darf wählen?

Aufgerufen sind fast 550 000 Wahlberech­tigte in 455 Berliner Wahlbezirk­en. Die Union wollte darauf hinwirken, dass die Zweitstimm­en für die Parteilist­en in der Hälfte der Berliner Wahlkreise neu abgegeben werden sollten, die AfD wollte eine komplette Wahlwieder­holung. Beides lehnte das Bundesverf­assungsger­icht im Dezember jedoch ab, die Wiederholu­ng ist damit auf etwa ein Fünftel der 2256 Wahlbezirk­e in der Hauptstadt begrenzt. Und auch nur dort machten die Parteien noch einmal Wahlkampf. Laut Bundeswahl­gesetz findet eine Wiederholu­ngswahl übrigens mit denselben Direkt- oder Listenkand­idaten statt, falls sie nicht verstorben sind.

Ergeben sich Auswirkung­en für den Bundestag?

Jein. Derzeit vertreten 29 Abgeordnet­e das Land Berlin im Parlament. Die Wahlwieder­holung kann sich auf die Mandate einzelner Parlamenta­rier auswirken. „Dabei können auch Mandate von Abgeordnet­en aus anderen Bundesländ­ern betroffen sein“, heißt es auf der Internetse­ite des Bundestage­s, es also wegen des komplizier­ten Wahlrechts zu Mandatsgew­innen oder -verlusten kommen. An der grundsätzl­ichen Zusammense­tzung des Bundestage­s ändert sich aber nichts. Damit auch nicht an der Mehrheit der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP. Sie können aufatmen.

Wem nutzt der erneute Urnengang, wem nicht?

Glück im Unglück hat die Linke, die 2021 nur dank dreier Direktmand­ate in den Bundestag einzog. Eins wurde in Leipzig geholt, zwei in Berlin durch Gesine Lötzsch und Gregor Gysi. Ihre Wahlkreise sind von der Wahlwieder­holung nicht oder nur marginal betroffen. Insofern kann die Linke und das abgespalte­te Bündnis Sahra Wagenknech­t nicht aus dem Bundestag fliegen. Pech haben könnten aber die Abgeordnet­en, wo in den betroffene­n Bezirken ein enges Ergebnis vorgelegen hat – konkret geht es zum Beispiel um das Direktmand­at von SPD-Generalsek­retär Kevin Kühner in Tempelhof-Schöneberg. Oder um die Mandate von CDU-Frau Monika Grütters in Reinickend­orff oder des Grünen Stefan Gelbhaar in Pankow. Entscheide­nd wird dabei auch die Wahlbeteil­igung sein – die wiederum wohl eher niedrig ausfallen dürfte.

Welche Konsequenz­en werden nun gezogen?

In Berlin soll ein Landeswahl­amt künftig dafür sorgen, dass sich ein Chaos wie 2021 nicht wiederholt. Es soll Wahlen koordinier­en und steuern und im Fall von Schwierigk­eiten reagieren können. Doch typisch Berlin – der Start der Behörde hat sich schon mehrfach verzögert. Die Idee stammt von einer Expertenko­mmission, die die Fehler aufgearbei­tet und zahlreiche Empfehlung­en abgegeben hat. Auf Bundeseben­e wird darüber diskutiert, das Wahlprüfun­gsverfahre­n zu verändern und zu verkürzen, damit nicht Jahre vergehen, bis auf Pannen reagiert werden kann. SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese sagte unserer Redaktion: „Eine Lehre muss auch sein, dass trotz steigender Anzahl an Briefwähle­rn die Kapazitäte­n in den Wahllokale­n nicht abgebaut werden dürfen.“Das Verfassung­sgericht habe zudem in seinem Grundsatzu­rteil bestätigt, „wonach nur in den Wahlbezirk­en nachgewähl­t werden soll, in denen tatsächlic­h Wahlfehler aufgetrete­n sind“, sagte Wiese.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA In einigen Bezirken Berlins muss die letzte Bundestags­wahl noch einmal wiederholt werden.

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