Gut gemeint, aber schlecht gemacht
Als 2013 die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und Tausende Menschen unter sich begrub, war das ein Wendepunkt: So dürfen Unternehmen nicht produzieren – unter Missachtung von Arbeitsschutz, Umweltstandards, Menschenrechten. An Tragödien wie diesen sind nicht nur skrupellose Fabrikanten und schlampige Behörden in fernen Ländern schuld. Das fängt bei uns an: Europas Hersteller müssen sich saubere Lieferanten suchen, Europas Verbraucher verantwortungsvoller konsumieren – ein T-Shirt für ein Euro kann nicht fair produziert sein. Zugleich sind hohe Preise keine Gewähr für saubere Produktion.
Daher ist es richtig, dass der Staat den Betrieben Vorgaben zur Kontrolle ihrer Lieferketten macht. Und es ist auch richtig, dass Europa einheitliche Standards setzt, um faire Spielregeln für Hersteller aus allen Mitgliedsländern zu schaffen.
Doch gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht, wie sich nun am konkreten EU-Lieferketten-Gesetz zeigt. Das Ziel ist richtig: Firmen sollen Menschenrechtsstandards sicherstellen, bei technischen Standards geht es ja auch. Doch die Instrumente sind falsch: Die EU schafft ein Bürokratie-Monster für Europas Firmen – chinesische Konkurrenten lachen sich in Fäustchen.
Das fängt damit an, dass schon Firmen mit 250 Beschäftigten die Regeln umsetzen sollen. Konzerne können es sich womöglich leisten, Lieferketten-Stäbe einzurichten, kleine Betriebe werden damit überfordert. Aus gutem Grund greifen die Vorschriften in Deutschland erst bei weit größeren Betrieben. Für alle Firmen bringt es zugleich unkalkulierbare Haftungsfragen mit sich, wenn sie nicht nur ihren direkten Lieferanten kontrollieren sollen. Die Fans der EU-Pläne aus Kirchen und Hilfs-Organisationen machen sich keine Vorstellung davon, was diese Auflagen im Betriebsalltag bedeuten.
So darf das Lieferketten-Gesetz nicht kommen, sachlich ist der Widerstand der FDP richtig. Doch politisch ist das Ganze ein Desaster: Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag eine Lieferketten-Regelung vereinbart – und zerlegt sich wieder über die Frage, was sie damit eigentlich gemeint hat. Fragwürdig ist auch, dass die FDP das Gesetz erst auf den letzten Metern stoppt – nun wurde gar die Abstimmung in der EU verschoben.
In Brüssel gibt Deutschland ein denkbar schwaches Bild ab: Ausgerechnet das Land, das der Größe nach eine führende Rolle spielen müsste, enthält sich bei einem für die Wirtschaft zentralen Gesetz – weil die Ampel-Koalition verkracht ist. Wieder einmal. Auch über Verbrenner-Aus, E-Fuels und Verlängerung für Glyphosat zerlegte sie sich. Aus der selbst ernannten Fortschritts-Koalition ist eine Stillstands-Koalition geworden, die Deutschland in Europa und die EU in der Welt verzwergt. „Wen rufe ich denn an, wenn ich Europa anrufen will?“, hatte der frühere USAußenminister Henry Kissinger einmal geklagt. In Berlin braucht keiner mehr anzurufen: Die Bundesregierung kann nur noch Enthaltung, von der konstruktiven Gestaltung Europas hat sie sich abgemeldet. Ein Trauerspiel.