Nach der Wahl kommt die schwierige Regierungsbildung
Entgegen aller Erwartungen und trotz massiver Einschüchterungen konnte die Opposition bei den Wahlen in Pakistan punkten.
(dpa) In der Atommacht Pakistan zeichnet sich nach der Parlamentswahl eine schwierige Regierungsbildung ab. Nach Auszählung von rund 91 Prozent der Wahlkreise lag am späten Freitagabend das Lager der unabhängigen Kandidaten mit gut 40 Prozent der Parlamentssitze völlig überraschend vorn, wie aus vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission vom Freitag hervorging. Laut der pakistanischen Zeitung The Express Tribune handelte es sich bei den Unabhängigen mehrheitlich um Kandidaten mit Verbindungen zum inhaftierten Ex-Premier Imran Khan und dessen Oppositionspartei PTI.
Auf dem zweiten Platz folgte die PML-N des erst kürzlich aus dem
Exil zurückgekehrten dreifachen Ex-Premiers Nawaz Sharif, den viele als klaren Favoriten gesehen hatten, mit etwa 28 Prozent der Sitze der
Nationalversammlung. Die Webseite der Wahlkommission war am Freitag über mehrere Stunden nicht erreichbar.
Der Erfolg von den der PTI zugerechneten Kandidaten kam derart unerwartet, da Pakistans Justiz die Oppositionspartei vor der Wahl weitgehend gelähmt hatte. Mitglieder der PTI durften nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs nur als unabhängige Kandidaten antreten, auch ihr Wahlkampf wurde massiv eingeschränkt. Khans Parteigänger mussten sich am Ende damit behelfen, dass sie Wahlkampfreden des im Hochsicherheitsgefängnis sitzenden Parteiführers Khan mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellten. Khan, von 2018 bis zu einem Misstrauensvotum im Frühjahr 2022 Premierminister, wurde unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Er selbst sieht die Verfahren als politisch motiviert an, um ihn von der Macht fernzuhalten.
Sharifs Partei hatte sich am Tag der Wahl noch siegessicher gezeigt und auf eine absolute Mehrheit gehofft. Beobachtern zufolge war die PML-N Wahlfavorit der einflussreichen Generäle. In dem Land wird dem mächtigen Militär nachgesagt, immer wieder Einfluss auf Wahlen und Regierungen zu nehmen. Sharifs Partei wollte noch am Freitag Gespräche mit anderen Parteien aufnehmen. „Ich lade alle Verbündeten ein, sich uns anzuschließen, um Pakistan aus dem derzeitigen wirtschaftlichen Schlamassel zu befreien“, sagte der 74-Jährige bei einer Rede in seiner Heimatstadt Lahore.
Zuletzt hatte Sharifs Partei in einer breiten Regierungskoalition den Premier gestellt. Dazu gehörte auch die Volkspartei PPP, die nach den Teilergebnissen mit knapp 21 Prozent der Sitze auf dem dritten Platz landete. Ihr 35-jähriger Spitzenkandidat und Kurzzeit-Außenminister Bilawal Bhutto Zardari hat zwar Regierungsambitionen, schloss aber am Abend vor der Wahl eine erneute Zusammenarbeit mit der Partei von Sharif zunächst aus. Die PML-N und PPP dürften um die Gunst der unabhängigen Kandidaten werben, um eine Mehrheit zu finden. Beobachter gingen nicht davon aus, dass die PTI-nahen Unabhängigen im Parlament zusammenarbeiten. Viel eher würden viele in das Lager wechseln, das die besten Aussichten auf Regierungsbeteiligung habe. In Pakistan ist das nicht ungewöhnlich – immer wieder haben Politiker in der Vergangenheit auch ihre Loyalitäten gewechselt.