Der ewige Streit um den Finanzausgleich
Das Saarland wäre ohne den 2020 reformierten Finanzausgleich nicht überlebensfähig. Was bedeutet es, wenn Bayern das System vor dem Bundesverfassungsgericht kippen will?
Bayern hat 2023 vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Finanzkraftausgleich – der früher Länderfinanzausgleich hieß – erhoben. Das Saarland erwidert die Klage nun vor dem Bundesverfassungsgericht. Für das Saarland, das in jahrelangen Verhandlungen maßgeblich das aktuelle Modell mitentwickelt hatte, geht es um viel Geld.
Warum klagt Bayern gegen den Länderfinanzausgleich?
Der Freistaat trägt bei der Umverteilung die Hauptlast. Nach Angaben von Finanzminister Albert Füracker (CSU) zahlt Bayern rund 15 Prozent seines Haushaltsvolumens an andere Bundesländer ab. Seit den 1950er Jahren, seitdem es den Ausgleich gibt, habe Bayern 108 Milliarden Euro eingezahlt und 3,4 Milliarden Euro bekommen. Andere Länder leisteten sich mit bayerischem Geld Dinge, die sich Bayern selbst nicht leisten könne oder wolle. Bayern, so Füracker, sei zum „Goldesel der gesamten Nation“geworden.
Wie funktioniert der Finanzausgleich?
Seit der Reform von 2020, der jahrelange Verhandlungen vorausgegangen waren, gibt es keine direkten Zahlungen mehr von reichen an arme Länder. Stattdessen werden den Ländern mit überdurchschnittlicher Finanzkraft je Einwohner von vorneherein weniger UmsatzsteuerEinnahmen zugewiesen (Abschläge), den Ländern mit unterdurchschnittlicher Finanzkraft je Einwohner mehr (Zuschläge). Dies ist der sogenannte horizontale Finanzausgleich.
Eine Einigung auf dieses Modell war 2016 nur deshalb möglich, weil der Bund bereit war, viel mehr Geld in das Ausgleichssystem zu geben, sodass alle Länder besser gestellt wurden. Bayerns Regierung bejubelte damals die „Bayern-Milliarde“, die dem Freistaat mehr blieb. Um die Finanzkraft schwächerer Länder weiter zu stärken, gewährt der Bund im Rahmen des sogenannten vertikalen
Finanzausgleichs Ergänzungszuweisungen (BEZ) in Milliardenhöhe.
Wie viel Geld bekommt das Saarland aus dem System?
Im vergangenen Jahr hat es aus der Umverteilung unter den Bundesländern 587 Millionen Euro bekommen – bei einem Haushaltsvolumen von 5,4 Milliarden Euro. Hinzu kommen BEZ des Bundes. Für 2024 sind das etwa 423 Millionen Euro – nicht zu verwechseln mit den Sanierungshilfen des Bundes von jährlich 400 Millionen Euro, die das Saarland bekommt, wenn es die Schuldenbremse einhält.
Die BEZ an das Saarland fließen unter anderem wegen der unterdurchschnittlichen Finanzkraft (auch der Gemeinden) und wegen der in kleinen Ländern automatisch überdurchschnittlich hohen Kosten von Parlament und Ministerien. Letztere sind Bayerns Regierung ein Dorn im Auge. Finanzminister Füracker mokierte sich 2023 darüber, dass der Saar-Landtag 51 Abgeordnete hat (immerhin das bundesweit kleinste Landesparlament). Wenn Bayern gemessen an der Einwohnerzahl für seine politische Führung so viel ausgeben wolle wie das Saarland, sagte Füracker in einer Regierungserklärung, müsse der bayerische Landtag 684 Abgeordnete haben statt 203.
Wie verhält sich das Saarland nach der Klage Bayerns?
Gemeinsam mit den elf übrigen Nehmerländern plus RheinlandPfalz – das 2021 wegen der Steuerzahlungen des Impfstoffherstellers Biontech erstmals zum Geberland wurde – hat das Saarland auf die Klage geantwortet. „Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist eine zentrale Grundlage für unsere föderale Ordnung“, erklärte Finanzminister Jakob von Weizsäcker (SPD). Es handele sich um ein „tragfähiges und sorgsam austariertes System“, das den verfassungsrechtlichen Vorgaben folge und die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Blick behalte.
Wie schätzt die Landesregierung die Erfolgsaussichten der bayerischen Klage ein?
Das Saarland blicke „zuversichtlich“auf die Klage, sagte von Weizsäcker. Es sei bemerkenswert, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Karlsruhe Beschlüsse beklage, die er als Finanzminister mitverhandelt und seinerzeit öffentlichkeitswirksam vermarktet habe. Dass mit steigenden Steuereinnahmen die Umsatzsteuerabschläge der finanzstarken Länder in absoluten Beträgen steigen, könne nicht überraschen. Relativ zu den Steuereinnahmen des Landes blieben sie aber in etwa konstant.
„Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist eine zentrale Grundlage für unsere föderale Ordnung.“Jakob von Weizsäcker (SPD) Saarländischer Finanzminister
Könnte Bayern den Finanzkraftausgleich aufkündigen?
Die neuen Regelungen, die seit 2020 in Kraft sind, gelten unbefristet – es sei denn, mindestens drei Länder oder der Bund fordern nach 2030 eine Neuordnung ein. Bayerns Regierung geht fest davon aus, dass dies auf jeden Fall passieren wird, da auch die Geberländer Hessen und Baden-Württemberg Reformbedarf sehen.