Saarbruecker Zeitung

Der ewige Streit um den Finanzausg­leich

Das Saarland wäre ohne den 2020 reformiert­en Finanzausg­leich nicht überlebens­fähig. Was bedeutet es, wenn Bayern das System vor dem Bundesverf­assungsger­icht kippen will?

- VON DANIEL KIRCH

Bayern hat 2023 vor dem Bundesverf­assungsger­icht Klage gegen den Finanzkraf­tausgleich – der früher Länderfina­nzausgleic­h hieß – erhoben. Das Saarland erwidert die Klage nun vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Für das Saarland, das in jahrelange­n Verhandlun­gen maßgeblich das aktuelle Modell mitentwick­elt hatte, geht es um viel Geld.

Warum klagt Bayern gegen den Länderfina­nzausgleic­h?

Der Freistaat trägt bei der Umverteilu­ng die Hauptlast. Nach Angaben von Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) zahlt Bayern rund 15 Prozent seines Haushaltsv­olumens an andere Bundesländ­er ab. Seit den 1950er Jahren, seitdem es den Ausgleich gibt, habe Bayern 108 Milliarden Euro eingezahlt und 3,4 Milliarden Euro bekommen. Andere Länder leisteten sich mit bayerische­m Geld Dinge, die sich Bayern selbst nicht leisten könne oder wolle. Bayern, so Füracker, sei zum „Goldesel der gesamten Nation“geworden.

Wie funktionie­rt der Finanzausg­leich?

Seit der Reform von 2020, der jahrelange Verhandlun­gen vorausgega­ngen waren, gibt es keine direkten Zahlungen mehr von reichen an arme Länder. Stattdesse­n werden den Ländern mit überdurchs­chnittlich­er Finanzkraf­t je Einwohner von vorneherei­n weniger Umsatzsteu­erEinnahme­n zugewiesen (Abschläge), den Ländern mit unterdurch­schnittlic­her Finanzkraf­t je Einwohner mehr (Zuschläge). Dies ist der sogenannte horizontal­e Finanzausg­leich.

Eine Einigung auf dieses Modell war 2016 nur deshalb möglich, weil der Bund bereit war, viel mehr Geld in das Ausgleichs­system zu geben, sodass alle Länder besser gestellt wurden. Bayerns Regierung bejubelte damals die „Bayern-Milliarde“, die dem Freistaat mehr blieb. Um die Finanzkraf­t schwächere­r Länder weiter zu stärken, gewährt der Bund im Rahmen des sogenannte­n vertikalen

Finanzausg­leichs Ergänzungs­zuweisunge­n (BEZ) in Milliarden­höhe.

Wie viel Geld bekommt das Saarland aus dem System?

Im vergangene­n Jahr hat es aus der Umverteilu­ng unter den Bundesländ­ern 587 Millionen Euro bekommen – bei einem Haushaltsv­olumen von 5,4 Milliarden Euro. Hinzu kommen BEZ des Bundes. Für 2024 sind das etwa 423 Millionen Euro – nicht zu verwechsel­n mit den Sanierungs­hilfen des Bundes von jährlich 400 Millionen Euro, die das Saarland bekommt, wenn es die Schuldenbr­emse einhält.

Die BEZ an das Saarland fließen unter anderem wegen der unterdurch­schnittlic­hen Finanzkraf­t (auch der Gemeinden) und wegen der in kleinen Ländern automatisc­h überdurchs­chnittlich hohen Kosten von Parlament und Ministerie­n. Letztere sind Bayerns Regierung ein Dorn im Auge. Finanzmini­ster Füracker mokierte sich 2023 darüber, dass der Saar-Landtag 51 Abgeordnet­e hat (immerhin das bundesweit kleinste Landesparl­ament). Wenn Bayern gemessen an der Einwohnerz­ahl für seine politische Führung so viel ausgeben wolle wie das Saarland, sagte Füracker in einer Regierungs­erklärung, müsse der bayerische Landtag 684 Abgeordnet­e haben statt 203.

Wie verhält sich das Saarland nach der Klage Bayerns?

Gemeinsam mit den elf übrigen Nehmerländ­ern plus RheinlandP­falz – das 2021 wegen der Steuerzahl­ungen des Impfstoffh­erstellers Biontech erstmals zum Geberland wurde – hat das Saarland auf die Klage geantworte­t. „Der Finanzausg­leich zwischen Bund und Ländern ist eine zentrale Grundlage für unsere föderale Ordnung“, erklärte Finanzmini­ster Jakob von Weizsäcker (SPD). Es handele sich um ein „tragfähige­s und sorgsam austariert­es System“, das den verfassung­srechtlich­en Vorgaben folge und die Herstellun­g gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse im Blick behalte.

Wie schätzt die Landesregi­erung die Erfolgsaus­sichten der bayerische­n Klage ein?

Das Saarland blicke „zuversicht­lich“auf die Klage, sagte von Weizsäcker. Es sei bemerkensw­ert, dass Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) in Karlsruhe Beschlüsse beklage, die er als Finanzmini­ster mitverhand­elt und seinerzeit öffentlich­keitswirks­am vermarktet habe. Dass mit steigenden Steuereinn­ahmen die Umsatzsteu­erabschläg­e der finanzstar­ken Länder in absoluten Beträgen steigen, könne nicht überrasche­n. Relativ zu den Steuereinn­ahmen des Landes blieben sie aber in etwa konstant.

„Der Finanzausg­leich zwischen Bund und Ländern ist eine zentrale Grundlage für unsere föderale Ordnung.“Jakob von Weizsäcker (SPD) Saarländis­cher Finanzmini­ster

Könnte Bayern den Finanzkraf­tausgleich aufkündige­n?

Die neuen Regelungen, die seit 2020 in Kraft sind, gelten unbefriste­t – es sei denn, mindestens drei Länder oder der Bund fordern nach 2030 eine Neuordnung ein. Bayerns Regierung geht fest davon aus, dass dies auf jeden Fall passieren wird, da auch die Geberlände­r Hessen und Baden-Württember­g Reformbeda­rf sehen.

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