„Imposantes und Kurioses“zum Saar-Bergbau
Warum kam ein chinesischer Prinz nach Luisenthal? Wer meint, er wisse schon alles über das hiesige Bergbau-Erbe, irrt. Ein neues Buch lüftet etliche Geheimnisse.
An Lektüre über den Bergbau im Saarland herrscht kein Mangel, der Autor selbst hat durch seinen Bildband „Der Saarbergbau. Eine Zeitreise in Bildern“mit dafür gesorgt, dass man die „Ära“der Kohlegruben als historisch, als vergangen zu begreifen lernte. Danach schrieb Gregor Zewe über „Saarbrückens heimliche Königin“, die Bergwerksdirektion, die jetzt als Europa-Galerie genutzt wird. Und jetzt legt er „55 Meilensteine“der Bergbau-Geschichte vor.
Wer sich darunter ein bleischweres Monumental-Werk vorstellt, liegt ganz und gar falsch: Handlich ist das Format, der 120-Seiten-Umfang macht das Werk zum Leichtgewicht, denn die 55 Textbeiträge zu „Erstaunlichem, Imposantem und Kuriosem“aus drei Jahrhunderten sind animierend knapp gehalten. Inhaltlich wiederum öffnet Zewe ein Breitbild-Panorama vom Saarknappenchor bis zur sakralen Nachkriegs-Architektur, vom „Geleucht“des Bergmanns bis zur biografischen Skizze des Streikführers Nikolaus Warken. Manch muntere Überschrift über die 55 Einzelkapi
tel, etwa „Schlaue Köpfe schaufeln Kohle“– es handelt von den besten Erfindern –, steht beispielhaft für Zewes Grundton: journalistisch, leserzugewandt.
Man erkennt die Schule: Zewe verantwortete lange die Werkszeitung von Saarberg, dann wurde er Pressereferent der RAG, und deshalb kann er Informationen nicht nur vorbildlich komprimieren, sondern hat ein Gespür fürs Wesentliche, vor allem für News. Was hier heißt: Zewe spürt in vielem, was uns in Zusammenhang mit dem Saar-Bergbau geläufig scheint, das weniger Bekannte und Unerwartete auf.
Beispiele? Womöglich ist man dem Begriff „Kännelkohle“– im Saarland „Schnitzkohle“genannt – schon begegnet, weiß, dass sie hierzulande rar ist, härter als Steinkohle und glänzend, und dass mancher Bergmann daraus skulpturale Kleinigkeiten fertigte.
Doch dass die keltische Fürstin in Reinheim in ihrem Grab schwarze Kännel-Kohle-Armreife trug, dürften viele Saarländer zum ersten Mal
lesen. Auch, dass die Souvenir-„Perlen der Saar“aus dem mittlerweile geschlossenen Saarbrücker „Café Schubert“just an Kännel-Kohle erinnern sollen.
Ähnlich Überraschendes hat Zewe zur ältesten Bergkapelle des Saarlandes zu erzählen. Angeblich war Ärger über „Katzenmusik“der Auslöser für deren Gründung. 1819 empfing der Direktor des Königlichen Bergamtes Leopold Sello den späteren Kaiser Wilhelm I. auf der Grube Geislautern, und der Auftritt von neun offensichtlich wenig begabten Kirmes-Musikanten blamierte ihn, wie er meinte.
„Zur Hebung des bergmännischen Standes“gründete Sello dann ein Musikkorps. Das Musizieren entpuppte sich als ansteckend, am Ende hatte nahezu jede Saar-Grube ihre eigene Kapelle. Gespickt mit vielen eher unbekannten Fakten ist auch das Kapitel über „Starke Kumpel“auf vier Beinen, es geht um Grubenpferde.
Im Jahr 1900 sind im Saarland rund 1400 im Einsatz, das letzte arbeitete bis 1966, die durchschnittliche Überlebensdauer betrug 3,5 Jahre. Es ist unschön, was man bei Zewe über die Haltungs-Umstände der Grubenpferde erfährt, die in
Ställen unter Tage lebten.
So ersparte man ihnen die quälende Prozedur, sich täglich wieder ans Licht zu gewöhnen und mutete den Tieren dafür andere böse Schäden ein, etwa durch ständige Feuchtigkeit aufgequollene Hufe.
Im Großen und Ganzen hat Zewe jedoch Erbauliches oder Anekdotisches zusammengetragen, manchmal sogar Humoriges wie die unter Kumpels gern erzählte Story über typische Kommunikations-Irrwege in einer Grube, wenn ein Bergwerksdirektor anlässlich einer Sonnenfinsternis – „die man ja nicht alle Tage zu sehen bekommt“– seine Belegschaft im Ausgehanzug antreten lassen möchte und im Fall von Regen die Kaffeküche als Versammlungsort festlegt.
Am Ende der Befehlskette lässt der Leiter des Übertagebetriebs einen Steiger rufen: „Wenn es morgen in der Kaffeeküche regnet, also etwas, was man nicht alle Tage sehen kann, verschwindet um neun Uhr unser Bergwerksdirektor im Ausgehanzug.“Der Steiger informiert seine Kollegen wie folgt: „Morgen, um neun Uhr, soll unser Bergwerksdirektor verschwinden. Schade, dass man das nicht alle Tage zu sehen bekommt.“
Auch die detailreiche Schilderung des Besuchs des Prinzen „Tschun“1901 im Saarland und auf der Grube Luisenthal hat Unterhaltungswert. Offensichtlich führte der Auftritt von Chun II. (1883-1955) zu einer Massenhysterie.
Er war der Halbbruder des Kaisers von China und der Vater des letzten legendären chinesischen Kaisers. Warum er ein Seidenkäppchen und keine preußische Bergmütze trug, als er im Saarland unter Tage ging, sondern sein Seidenkäppchen anbehielt, und warum sein Besuch eine „Sühnemission“war, liest man am besten selbst im Zewe-Buch nach. Es ist ein Nachschlagewerk mit Unterhaltungsfaktor, das hat man selten.
„Wenn es morgen in der Kaffeeküche regnet, also etwas, was man nicht alle Tage sehen kann, verschwindet um neun Uhr unser Bergwerksdirektor im Ausgehanzug.“„ Bergbau im Saarland. 55 Meilensteine der Geschichte“
Informationen zum Buch: Gregor Zewe: Bergbau im Saarland. 55 Meilensteine der Geschichte“, Sutton Verlag, 128 Seiten, 80 Abbildungen.