Saarbruecker Zeitung

20 Jahre offenes Mikro in Saarbrücke­r City

Die Montagsdem­onstranten sind gegen die Hartz-Gesetze auf die Straße gegangen. Auch die AfD wird Thema.

- VON SOPHIE RADIX Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Markus Renz

An jedem ersten Montag im Monat gehören sie fest zum Saarbrücke­r Stadtbild: die Montagsdem­onstranten und ihr Mikro, an dem jeder für maximal drei Minuten seine Meinung sagen kann. Wie immer traf man sich vor der Europa-Galerie – an diesem kalten Februarabe­nd bereits zum 518. Mal. Rund zehn Menschen und ein vierbeinig­er Begleiter versammelt­en sich um 18 Uhr und liefen dann gemeinsam zur Thalia-Buchhandlu­ng in der Bahnhofstr­aße.

Entstanden ist die Bewegung 2004 als Protestakt­ion gegen die Hartz-Gesetze des Saarländer­s Peter Hartz (SPD). Dieser hat kürzlich eine neue Idee vorgestell­t: eine App, mit der Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r das Berufslebe­n flexibler gestalten können. Doch auch diese Idee sieht die Sprecherin der Demo eher skeptisch: „Diese hilft am Ende vermutlich eher dem Arbeitgebe­r und nicht dem Arbeitnehm­er“, befürchtet Sabine Fricker. Sie wünscht sich grundlegen­de Reformen für den Arbeitsmar­kt: „Die 35-Stunden-Woche ist lange überfällig.“Aktuelle Änderungen der Ampelregie­rung in Bezug auf das Bürgergeld lehnt sie ab: „Dass das Bürgergeld über Monate total sanktionie­rt werden kann,

darf nicht sein.“

Bei der Montagsdem­o im Februar ging es aber nicht primär um den Arbeitsmar­kt, sondern um den aktuellen Rechtsruck. Leitfrage der Demo: Sollte die AfD verboten werden? „Jeder darf etwas dazu sagen!“, ermutigte Sabine Fricker in der Fußgängerz­one. Es dauerte nicht lange – und ein Mann meldete sich. Er erzählte von seiner Teilnahme an der großen Demo gegen die AfD in Saarbrücke­n am 3. Februar. Auf die Leitfrage geht er weniger ein, was allerdings kein

Problem ist. „Hier kann jeder völlig frei sprechen“, betonen die Organisato­ren. Mit einer Ausnahme: „Nazis haben kein Rederecht.“

Nach einer kurzen Pause ruft jemand „Palästina“aus der Fußgängerz­one. „Auch über dieses Thema müssen und sollten wir reden!“, bestätigen die Veranstalt­er – der Mann aber möchte nicht ans Mikro. Kurz darauf traut sich ein anderer junger Mann: „Jeder Mensch sollte mit Respekt behandelt werden.“

Eine andere Wortmeldun­g greift eine zentrale Sorge auf: „Wenn die AfD stärker wird, werden wir Migranten womöglich einfach abgeschobe­n.“Ein Teilnehmer positionie­rt sich klar: „Die AfD sollte verboten werden. Faschistis­che Organisati­onen brauchen keine öffentlich­e Bühne“, sagt er. Ein anderer Sprecher sieht das ähnlich: „Die AfD ist keine Protestpar­tei, sondern verschleie­rt die eigene, demagogisc­he Politik. Man muss sie aufhalten“, sagt er. Sabine Fricker betont auch, dass der Rechtsruck gestoppt werden muss: „Die Festung Europa darf nicht ausgebaut werden!“Es kamen jedoch auch Gegenargum­ente von Passanten. Ein Sprecher weist darauf hin, dass die AfD bei einem Verbot schlechter kontrollie­rt werden könne. Ein Gegenargum­ent: „Sie agiert leider auch jetzt bereits verdeckt, wie das Potsdamer Treffen zeigte.“

Das offene Mikro der Saarbrücke­r Montagsdem­o bot wieder eine Plattform, um über aktuelle Themen zu sprechen – und es wurde viel diskutiert. Die demokratis­che Veranstalt­ung feiert bald einen wichtigen, runden Geburtstag: „Im August sind wir 20 Jahre auf der Straße“, berichten die Sprecher.

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FOTO: SOPHIE RADIX Teilnehmer der 518. Montagsdem­o vor der Europagale­rie in Saarbrücke­n. Rund zehn Menschen machten mit.

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