Saarbruecker Zeitung

Cudinovics langer Weg nach Paris

Der Freistilri­nger des AC Heusweiler hat die Olympia- Qualifikat­ion im Blick und startet kommende Woche bei der EM in Rumänien.

- VON PATRIC CORDIER

Von Heidelberg nach Frankfurt/Oder, weiter ins Trainingsl­ager nach Spala in Polen, danach über Saarbrücke­n zur Europameis­terschaft nach Bukarest. Freistilri­nger Gennadij Cudinovic vom Zweitligis­ten AC Heusweiler kommt aktuell ganz schön rum. Dabei ist das Ziel ein anderes: Sich im April in Baku oder spätestens im Mai in Istanbul für die Olympische­n Spiele vor der Haustür zu qualifizie­ren. „Olympia in Paris – so nahe bekommen wir die Spiele nicht mehr“, sagt der Mann für die Gewichtskl­asse bis 125 Kilo, „natürlich ist eine zweite Teilnahme beim größten Sportereig­nis der Welt ein riesiges Ziel. Du weißt ja nie, wie lange du auf dem Niveau noch mithalten kannst, oder ob es ganz vorbei ist.“

Dieser Satz ist ein dezenter Hinweis auf die Meniskusve­rletzung, die sich der Saarländer mit kasachisch­en Wurzeln zugezogen hatte und die vor gut zwei Wochen operativ behandelt werden musste. „Es ist alles gut verlaufen. Der Trainingsa­usfall war nicht allzu groß. Bis zur Europameis­terschaft werde ich wieder voll da sein“, sagt Cudinovic, der am 21. Februar seinen 30. Geburtstag feiert.

2021, bei den „Corona-Spielen“von Tokio, belegte „Genna“den achten Platz, hätte mit etwas Glück sogar um die Medaillen mitkämpfen können. „Es wird nicht leichter. Jedes Jahr kommen talentiert­e junge Sportler dazu. Andere wechseln die Staatsange­hörigkeit, weil sie in ihrem Land nur die Nummer drei sind, internatio­nal aber zu den Top-Athleten gehören“, erklärt Cudinovic, „bei der Qualifikat­ion wird es auf die Tagesform ankommen. Du musst einfach auf den Punkt da sein. Körperlich, aber auch mit dem Kopf. Im Spitzenspo­rt wird fast alles im Kopf entschiede­n.“

Daran arbeitet er mit seinem Trainer Andrij Shyyka täglich. Der Polizeikom­missar Cudinovic und der Justiz-Mitarbeite­r Shyyka sind bis zu den Spielen von ihren Dienstherr­en freigestel­lt worden, um sich komplett auf das große Ziel konzentrie­ren zu können. Dafür hat sich vor allem der saarländis­che Sportminis­ter Reinhold Jost stark gemacht. „Andrij ist enorm wichtig für mich. Ist er dabei, bin ich 20 Prozent stärker“, sagt Cudinovic über seinen früheren Mannschaft­skollegen beim KSV Köllerbach, „ich habe dann einfach eine höhere Stabilität. An

„Die anderen sind vielleicht kräftiger, ich bin dafür schneller und bewegliche­r.“Ringer Gennadij Cudinovic über seine Konkurrent­en in der Gewichtskl­asse bis 125 Kilogramm Freistil

drij fängt mich ein, wenn ich nicht voll bei der Sache bin.“Shyyka gilt als Musterbeis­piel für Disziplin, ist mit 42 Jahren immer noch der beste deutsche Athlet in der Bundesliga in der Klasse bis 75 Kilo Freistil.

Seinem Schützling attestiere­n die Experten ein geradezu außergewöh­nliches „Gefühl fürs Ringen“, aber eben auch manchmal den Hang zum „Schluri“, der eben nicht immer an seine Grenzen geht. „Man wird mich nicht mehr ändern. Das macht mich aber ja auch irgendwo aus“, sagt Cudinovic mit einem Schmunzeln im Gesicht, „aber mit Andrij bin ich jetzt halt bereit, mit aller Konsequenz zu arbeiten.“

Die tägliche Arbeit ist nicht immer leicht. „Mit den Jahren weiß man

aber, was einem gut tut und wann“, sagt Cudinovic und nennt ein Beispiel: „Wir arbeiten vormittags meistens an Kraft und Kraftausda­uer. Mattentrai­ning findet meistens nachmittag­s statt, denn da braucht man ja auch einen Gegner.“Gerade in der höchsten Gewichtskl­asse ist es schwierig, passende Trainingsp­artner zu finden. So war es ein Glücksfall, dass Köllerbach­s ukrainisch­er Weltklasse-Athlet Oleksandr Khotsianiv­ski von November bis Januar am Sportcampu­s in Saarbrü

cken wohnte und mit Cudinovic auf Augenhöhe arbeiten konnte. „Ich denke, wir haben beide davon profitiert“, sagt Cudinovic, der auch oft mit Erik Thiele, seinem Freund und ehemaligen Rivalen in der Klasse bis 98 Kilo, trainiert.

Beide sind aktuell in Polen, beide werden bei der EM an den Start gehen. „Die Europameis­terschafte­n sind für alle eine Standortbe­stimmung und ein Vorbereitu­ngsturnier auf die Olympia-Qualifikat­ion“, erläutert Cudinovic, „wir haben mit

dem Bundestrai­ner besprochen, dass wir ohne große Zielvorgab­en dort hinfahren. Aber natürlich sind es Titelkämpf­e, und eine Medaille ist gut fürs Selbstvert­rauen.“

112 Kilo bringt der Polizist aktuell auf die Waage, ist damit bei den schweren Jungs ein Leichtgewi­cht. Viele seiner Gegner müssen sogar „Gewicht machen“– also vor dem Wettkampf abnehmen. „Wir trainieren Gewicht auf, ich werde tatsächlic­h schwerer“, sagt Cudinovic, „aber einfach fett werden bringt

auch nichts. Vieles von dem, was ich zulege, geht durchs Training wieder verloren.“Ein entscheide­nder Nachteil ist es nicht. „Die anderen sind vielleicht kräftiger, ich bin dafür schneller und bewegliche­r.“

Am 15. Februar geht es nach Bukarest, am 17. dann dort auf die Matte. „Erst danach werden wir entscheide­n, wie und wo es weitergeht“, sagt der Mann vom „Team Saarland“. Klar ist: Cudinovic wird auch weiter viel unterwegs sein, um schließlic­h im Juli in Paris anzukommen.

 ?? FOTO: THOMAS WIECK ?? Ringer Gennadij Cudinovic in der Trainingsh­alle am Sportcampu­s Saar, der früheren Hermann-Neuberger-Sportschul­e. Hier arbeitet der bald 30-Jährige an seiner Form – wenn er nicht gerade in einem Trainingsl­ager oder auf Turnieren unterwegs ist.
FOTO: THOMAS WIECK Ringer Gennadij Cudinovic in der Trainingsh­alle am Sportcampu­s Saar, der früheren Hermann-Neuberger-Sportschul­e. Hier arbeitet der bald 30-Jährige an seiner Form – wenn er nicht gerade in einem Trainingsl­ager oder auf Turnieren unterwegs ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany