Cudinovics langer Weg nach Paris
Der Freistilringer des AC Heusweiler hat die Olympia- Qualifikation im Blick und startet kommende Woche bei der EM in Rumänien.
Von Heidelberg nach Frankfurt/Oder, weiter ins Trainingslager nach Spala in Polen, danach über Saarbrücken zur Europameisterschaft nach Bukarest. Freistilringer Gennadij Cudinovic vom Zweitligisten AC Heusweiler kommt aktuell ganz schön rum. Dabei ist das Ziel ein anderes: Sich im April in Baku oder spätestens im Mai in Istanbul für die Olympischen Spiele vor der Haustür zu qualifizieren. „Olympia in Paris – so nahe bekommen wir die Spiele nicht mehr“, sagt der Mann für die Gewichtsklasse bis 125 Kilo, „natürlich ist eine zweite Teilnahme beim größten Sportereignis der Welt ein riesiges Ziel. Du weißt ja nie, wie lange du auf dem Niveau noch mithalten kannst, oder ob es ganz vorbei ist.“
Dieser Satz ist ein dezenter Hinweis auf die Meniskusverletzung, die sich der Saarländer mit kasachischen Wurzeln zugezogen hatte und die vor gut zwei Wochen operativ behandelt werden musste. „Es ist alles gut verlaufen. Der Trainingsausfall war nicht allzu groß. Bis zur Europameisterschaft werde ich wieder voll da sein“, sagt Cudinovic, der am 21. Februar seinen 30. Geburtstag feiert.
2021, bei den „Corona-Spielen“von Tokio, belegte „Genna“den achten Platz, hätte mit etwas Glück sogar um die Medaillen mitkämpfen können. „Es wird nicht leichter. Jedes Jahr kommen talentierte junge Sportler dazu. Andere wechseln die Staatsangehörigkeit, weil sie in ihrem Land nur die Nummer drei sind, international aber zu den Top-Athleten gehören“, erklärt Cudinovic, „bei der Qualifikation wird es auf die Tagesform ankommen. Du musst einfach auf den Punkt da sein. Körperlich, aber auch mit dem Kopf. Im Spitzensport wird fast alles im Kopf entschieden.“
Daran arbeitet er mit seinem Trainer Andrij Shyyka täglich. Der Polizeikommissar Cudinovic und der Justiz-Mitarbeiter Shyyka sind bis zu den Spielen von ihren Dienstherren freigestellt worden, um sich komplett auf das große Ziel konzentrieren zu können. Dafür hat sich vor allem der saarländische Sportminister Reinhold Jost stark gemacht. „Andrij ist enorm wichtig für mich. Ist er dabei, bin ich 20 Prozent stärker“, sagt Cudinovic über seinen früheren Mannschaftskollegen beim KSV Köllerbach, „ich habe dann einfach eine höhere Stabilität. An
„Die anderen sind vielleicht kräftiger, ich bin dafür schneller und beweglicher.“Ringer Gennadij Cudinovic über seine Konkurrenten in der Gewichtsklasse bis 125 Kilogramm Freistil
drij fängt mich ein, wenn ich nicht voll bei der Sache bin.“Shyyka gilt als Musterbeispiel für Disziplin, ist mit 42 Jahren immer noch der beste deutsche Athlet in der Bundesliga in der Klasse bis 75 Kilo Freistil.
Seinem Schützling attestieren die Experten ein geradezu außergewöhnliches „Gefühl fürs Ringen“, aber eben auch manchmal den Hang zum „Schluri“, der eben nicht immer an seine Grenzen geht. „Man wird mich nicht mehr ändern. Das macht mich aber ja auch irgendwo aus“, sagt Cudinovic mit einem Schmunzeln im Gesicht, „aber mit Andrij bin ich jetzt halt bereit, mit aller Konsequenz zu arbeiten.“
Die tägliche Arbeit ist nicht immer leicht. „Mit den Jahren weiß man
aber, was einem gut tut und wann“, sagt Cudinovic und nennt ein Beispiel: „Wir arbeiten vormittags meistens an Kraft und Kraftausdauer. Mattentraining findet meistens nachmittags statt, denn da braucht man ja auch einen Gegner.“Gerade in der höchsten Gewichtsklasse ist es schwierig, passende Trainingspartner zu finden. So war es ein Glücksfall, dass Köllerbachs ukrainischer Weltklasse-Athlet Oleksandr Khotsianivski von November bis Januar am Sportcampus in Saarbrü
cken wohnte und mit Cudinovic auf Augenhöhe arbeiten konnte. „Ich denke, wir haben beide davon profitiert“, sagt Cudinovic, der auch oft mit Erik Thiele, seinem Freund und ehemaligen Rivalen in der Klasse bis 98 Kilo, trainiert.
Beide sind aktuell in Polen, beide werden bei der EM an den Start gehen. „Die Europameisterschaften sind für alle eine Standortbestimmung und ein Vorbereitungsturnier auf die Olympia-Qualifikation“, erläutert Cudinovic, „wir haben mit
dem Bundestrainer besprochen, dass wir ohne große Zielvorgaben dort hinfahren. Aber natürlich sind es Titelkämpfe, und eine Medaille ist gut fürs Selbstvertrauen.“
112 Kilo bringt der Polizist aktuell auf die Waage, ist damit bei den schweren Jungs ein Leichtgewicht. Viele seiner Gegner müssen sogar „Gewicht machen“– also vor dem Wettkampf abnehmen. „Wir trainieren Gewicht auf, ich werde tatsächlich schwerer“, sagt Cudinovic, „aber einfach fett werden bringt
auch nichts. Vieles von dem, was ich zulege, geht durchs Training wieder verloren.“Ein entscheidender Nachteil ist es nicht. „Die anderen sind vielleicht kräftiger, ich bin dafür schneller und beweglicher.“
Am 15. Februar geht es nach Bukarest, am 17. dann dort auf die Matte. „Erst danach werden wir entscheiden, wie und wo es weitergeht“, sagt der Mann vom „Team Saarland“. Klar ist: Cudinovic wird auch weiter viel unterwegs sein, um schließlich im Juli in Paris anzukommen.