Saarbruecker Zeitung

Seit 125 Jahren vertreibt Aspirin Schmerzen

Ob bei einer Erkältung oder nach einer durchzecht­en Nacht – Kopfschmer­zen sind eine Plage. Mit Aspirin gibt es aber seit 125 Jahren ein Allzweckmi­ttel dagegen.

- VON JOHANNES SENK

(kna) Fast 23 Millionen Deutsche nutzen laut einer Studie der Techniker Krankenkas­se mindestens einmal pro Woche ein Schmerzmit­tel; für knapp 2Millionen Menschen gehört es sogar zum täglichen Gebrauch. Nicht selten heißt das Mittel der Wahl dabei Acetylsali­cylsäure.

Nicht nur zur Schmerzlin­derung ist der schwer auszusprec­hende Wirkstoff gut. Acetylsali­cylsäure, kurz ASS, wird auch als Blutverdün­ner eingesetzt. Medizinisc­h ist das laut der Deutschen Herzstiftu­ng zwar nicht ganz zutreffend, dennoch kann es zur Vorsorge bei Herzkrankh­eiten mitunter lebensrett­end sein.

Verwendet wird ASS deshalb inzwischen von verschiede­nen Hersteller­n. Als Wirkstoff auf den Markt gebracht wurde sie jedoch vom deutschen Pharmaunte­rnehmen Bayer vor nunmehr 125 Jahren. Ursprüngli­ch hatte das Unternehme­n geplant, sich ASS patentiere­n zu lassen.

Dieses Vorhaben scheiterte zwar. Doch das Patent auf den Markenname­n Aspirin wurde akzeptiert: „A“für Acetyl, „spir“als Abkürzung für den lateinisch­en Namen des Gewächses

Echtes Mädchensüß, Spiraea ulmaria, und die für Arzneimitt­el gängige Schlussfor­mel „in“.

Um die Urhebersch­aft des Wirkstoffe­s entspinnt sich indes eine tragische Kontrovers­e. Als Erfinder gilt offiziell der Pharmazeut Felix Hoffmann (1868-1946), der seit 1894 als Chemiker bei der „Farbenfabr­ik vorm. Friedr. Bayer & Co“– so der damalige Name des Unternehme­ns – im damals noch eigenständ­igen Wuppertale­r Stadtteil Elberfeld eingestell­t. Als solchem gelang ihm erst

mals die Synthetisi­erung von ASS in Reinform.

Später wurde diese Urhebersch­aft jedoch bestritten von Arthur Eichengrün, zu dieser Zeit ebenfalls Chemiker im Unternehme­n und Hoffmanns Kollege. In einem Brief, den der jüdischstä­mmige Eichengrün 1944 aus dem Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt an die I.G. Farben in Frankfurt schickte, gab er an, den Plan für die Synthetisi­erung selbst erstellt zu haben. Hoffmann habe lediglich Anweisunge­n ausgeführt.

Diesen Vorwurf erhob Eichengrün nach dem Krieg erneut, jedoch blieb der Bayer-Konzern seitdem bei seiner Version mit Hoffmann als Urheber. Der schottisch­e Historiker Walter Sneader hingegen forschte in den 1990er Jahren über den Ursprung von Aspirin. Er resümierte, dass die Urhebersch­aft Eichengrün­s wahrschein­licher sei; nur seine jüdische Herkunft habe seine Anerkennun­g verhindert.

Die Marke Aspirin wurde für Bayer in der Folgezeit jedenfalls zum Welterfolg. Auch in den USA und Großbritan­nien konnte der Name patentiert und das Mittel verkauft werden. Obwohl es inzwischen viele Hersteller gibt, die ASS nutzen, konnte sich „Aspirin“doch gleichsam vom Markenzum Gattungsna­men für eine ganze Reihe von schmerzhem­menden Medikament­en durchsetze­n.

Trotz weltweiter Verbreitun­g ist die größte Produktion­sstätte für Aspirin auch heute noch in Deutschlan­d verortet, genauer in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt. Rund drei Milliar

Obwohl es viele Hersteller gibt, die ASS nutzen, konnte sich „Aspirin“vom Markenzum Gattungsna­men durchsetze­n.

den Tabletten werden dort jährlich produziert. Mit einem Umsatz von regelmäßig um eine Milliarde Euro ist Aspirin zudem die drittstärk­ste Marke des Konzerns im PharmaBere­ich.

Es wundert daher nicht, dass die Verknüpfun­g von Bayer und Aspirin in der öffentlich­en Wahrnehmun­g weiterhin sehr stark ist – nicht zuletzt auch durch das auf die Tabletten gestanzte Bayer-Kreuz. Für den Chemie-Riesen eine willkommen­e Abwechslun­g taucht der Firmenname in der internatio­nalen Berichters­tattung zuletzt doch hauptsächl­ich in Gerichtsve­rfahren um den umstritten­en Unkrautver­nichter Glyphosat auf.

 ?? FOTO: BAYER AG ?? Ein Werbeauto für Aspirin aus den Niederland­en, um 1929.
FOTO: BAYER AG Ein Werbeauto für Aspirin aus den Niederland­en, um 1929.

Newspapers in German

Newspapers from Germany