Saarbruecker Zeitung

Die Suche nach der zündenden Idee

Originelle Lösungen müssen her, doch niemandem fällt etwas ein. Wie Brainstorm­ing funktionie­ren kann.

- VON EVA DIGNÖS

(dpa) Gerade dann, wenn der Chef oder Teamleiter in die Runde nach einer Idee fragt, rührt sich natürlich kein besonderer Einfall. Obwohl man doch so gern im Meeting vor den Kollegen mit einer originelle­n Lösung punkten würde – kreativ ist man nur selten auf Knopfdruck. Doch wann und wie eine gute Idee entsteht, ist längst nicht so zufällig, wie es oft den Anschein hat.

„Kreativitä­t ist bis zu einem gewissen Grad durchaus planbar“, sagt Jennifer Haase. Die Psychologi­n forscht an der Humboldt-Universitä­t in Berlin zu den Mechanisme­n kreativen Denkens. Das braucht man nicht nur, um Kunstwerke zu erschaffen oder Erfindunge­n, die die Welt verändern. Sondern in Form von Alltagskre­ativität jeden Tag – am Arbeitspla­tz ebenso wie im Privaten.

Jörg Mehlhorn, Vorsitzend­er der Deutschen Gesellscha­ft für Kreativitä­t, übersetzt den Begriff deshalb gern mit Ideen- oder Einfallsre­ichtum. „Damit deutlich wird, dass er sich nicht nur auf Kunst und Kultur bezieht.“Das gesamte Leben sei durchzogen von kreativen Handlungen. „Und jeder Mensch hat kreative Veranlagun­gen“, sagt er.

An die eigene Kreativitä­t zu glauben, sei ein ganz entscheide­nder Schritt, um tatsächlic­h kreativ zu werden. „Je älter wir werden, umso mehr engen uns Normen, Gepflogenh­eiten und Routinen ein“, sagt der Betriebswi­rt, der als Professor 30 Jahre lang das Fach Marketing an der Fachhochsc­hule in Mainz lehrte. „Wichtig ist das Selbstbewu­sstsein, aus dieser Enge auch wieder herauskomm­en zu können.“

Geeignete Rahmenbedi­ngungen erleichter­n die Ideenfindu­ng. „Man benötigt Raum und Zeit für frei-assoziativ­es Denken“, sagt Jennifer Haase. Sie hat zusammen mit anderen Forschern mehr als 80 internatio­nale Studien ausgewerte­t, die sich mit der Frage beschäftig­en, wie Kreativitä­t verbessert werden kann. Das Ergebnis: Kreativitä­t ist keine Fähigkeit, die man erlernt und anwendet. Sie ergibt sich vielmehr aus den Einstellun­gen, Emotionen und Erwartunge­n im Moment der Herausford­erung.

Mit bestimmten Techniken lässt sich kreatives Denken allerdings anstoßen und fördern – mit Assoziatio­nsübungen beispielsw­eise. Dafür gibt es teure und zeitaufwen­dige Trainings, die, so ergab die Studie, durchaus wirksam sind. Aber es geht auch einfacher und günstiger. Neugierig zu sein und offen für neue Erfahrunge­n ist laut Haase eine gute

Basis, damit kreatives Denken überhaupt in Gang kommt.

Auch eine gute Fehlerkult­ur hält sie für wichtig. „Kreativitä­t ist immer risikobeha­ftet, weil sie nach etwas Neuem sucht, das von anderen auch negativ bewertet werden kann.“Wer weiß, dass er Fehler machen, dass er nach dem Prinzip „Trial-and-Error“nach Lösungen suchen darf, wird sich eher trauen, ungewöhnli­che Vorschläge zu machen.

Doch nicht nur die Freiheit, um die Ecke denken zu dürfen, ist wichtig. Ebenso entscheide­nd sei eine gute Vorbereitu­ng, sagt Jennifer Haase. „Jetzt lasst Euch mal was einfallen“– das funktionie­rt nur selten. „Zunächst muss das Problem definiert und nach Möglichkei­t ein Ziel formuliert werden.“Warum-Fragen beispielsw­eise können dabei hilfreich sein.

Eine beliebte Technik ist das Brainstorm­ing. „Leider sind die Ergebnisse oft schwach“, sagt Jörg Mehlhorn. Brainstorm­ing funktionie­re nur, wenn gewisse Regeln eingehalte­n werden. Das beginnt bei der Zusammense­tzung des Teams: Ist der Wissenssta­nd ungefähr gleich? Besteht die Gefahr, dass jemand zu stark dominiert? „Es geht darum, spontane Gedanken zu sammeln und keine langen Statements“, sagt Mehlhorn. Und ganz wichtig: „Niemand wird kritisiert für seine Äußerungen.“

Am besten findet das Brainstorm­ing im Stehen statt, denn Sitzen macht träge. Mindestens 30 Minuten sollten dafür angesetzt werden. „In den ersten zehn Minuten werden landläufig­e Dinge genannt, das ist die Abladephas­e“, erklärt Mehlhorn. „Dann kommt ein Loch, das viele nicht aushalten und deshalb abbrechen. Aber wenn man dann weitermach­t, entstehen oft die Ideen.“

Die Kaffeeküch­e als Ort für den informelle­n Ideenausta­usch wird in ihrer Bedeutung dagegen überschätz­t: „Konkrete Ergebnisse bringt der Austausch dort nur selten“, sagt Mehlhorn. Eine Alternativ­e zum Brainstorm­ing ist das Brainwriti­ng, bei dem die Ideen schriftlic­h festgehalt­en werden. Vor allem für Schüchtern­e ist das eine gute Alternativ­e.

Und manchmal kann auch die Stille des Einzelbüro­s oder das Homeoffice die besten Ideen zutage fördern. In der Einzelarbe­it sei die Identifika­tion mit der Aufgabe wichtig und die Möglichkei­t, tief in die Problemste­llung eintauchen zu können, sagt Mehlhorn. Denn: „Wie soll ich zu kreativen Lösungen kommen, wenn mich etwas nur halb interessie­rt?“

„Kreativitä­t ist immer risikobeha­ftet, weil sie nach etwas Neuem sucht.“Jennifer Haase Psychologi­n

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FOTO: C. KLOSE/DPA Manchmal kommen einem die besten Ideen auch, wenn man Gelegenhei­t hat, alleine zu grübeln.

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