Saarbruecker Zeitung

Perle im Wattenmeer

Die niederländ­ische Nordsee-Insel Schiermonn­ikoog bietet Schätze im Watt, Seehunde und traumhafte Strände.

- VON THOMAS REINHARDT Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

Die Ostfriesis­chen Inseln wie Borkum, Juist oder Norderney kennen viele Reisende. Bei unseren Nachbarn in den Niederland­en locken die westfriesi­schen Inseln. Texel, Terschelli­ng und Ameland sind auch bei Urlaubsgäs­ten aus Deutschlan­d beliebt. Doch da gibt es noch eine weitere Perle im Wattemeer zu entdecken: Schiermonn­ikoog. Meistens gibt es nur ein Achselzuck­en, wenn das Eiland erwähnt wird. Dabei liegt Schiermonn­ikoog in direkter Nachbarsch­aft zu Borkum. Und hat vor allem für Naturliebh­aber jede Menge zu bieten – in allen Jahreszeit­en.

Vor Sonnenaufg­ang ist die kleine Gruppe aufgebroch­en, zum Jachthafen im Süden der Insel geradelt. Dort startet eine geführte Wattwander­ung. Der Guide heißt Thijs de Boer, wurde 1953 auf der Insel geboren. „Ich bin schon als Junge mit meinem Vater ins Watt und zum Fischen gegangen“, erzählt der 70-Jährige. Nach der Schule sei er zur Ausbildung aufs Festland gezogen, doch seit 20 Jahren ist er wieder auf der Insel, arbeitet als Naturführe­r beim Fremdenver­kehrsamt VVV Schiermonn­ikoog. Er trägt einen Spaten im Gepäck. Es regnet, es weht eine steife Brise, doch die Stimmung in der kleinen Gruppe ist gut. Denn Thijs hat viel Spannendes zu erzählen und zu zeigen. Wir stehen mitten in einer großen Ansammlung von Blütenpfla­nzen am Rande des Watts. Sie leuchten in verschiede­nen Farben: Gelb, ocker, orange, rot, braun. „Das ist Queller“, erklärt Thijs, „im Frühjahr ist das Fuchsschwa­nzgewächse grün, jetzt trägt es prächtige Herbstfarb­en.“In hohen Gummistief­eln

stapft die Gruppe ins Watt. Dann bleibt Thijs stehen, hebt mit dem Spaten einen dicken Brocken der Schlammsch­icht aus, bricht ihn auf. „Sehen Sie diese dünnen Faden hier?“Die Wattwander­gruppe rückt dichter heran. Zwei winzige Fäden sind zu erkennen. „Das ist der Rote Fadenwurm. Neben den Würmern gibt es hier 120 Muschelart­en, dazu rund 90 Pflanzen- und mehr als 300 Vogelarten.“Biodiversi­tät werde auf Schiermonn­ikoog großgeschr­ieben. „Neben den Korallenri­ffen sind wir das artenreich­ste Gebiet der Welt.“

Szenenwech­sel. Vom Watt im Süden an den riesigen Strand im Norden. Von kleinen Würmern und Muscheln zu großen Meeressäug­ern. Der „Eilander Balgexpres“, ein Traktor mit angehängte­m Plan

wagen, tuckert bei Ebbe über den Strand ans Ende der Welt. Das heißt „De Balg“, liegt ganz im Osten und ist ein Lieblingsp­latz der Robben. Hier ruhen sich regelmäßig ganze

Gruppen von grauen und gewöhnlich­en Seehunden und Kegelrobbe­n auf den Sandbänken aus. Neben den Raubtieren, die so possierlic­h aussehen, lohnt ein Spaziergan­g, bei dem man nach allerlei Muscheln und anderen Strandgüte­rn Ausschau halten und die unglaublic­he Weite dieser von den Gezeiten, von Wind und Wellen geprägten Landschaft genießen kann, ehe der Balgexpres wieder zur Rückfahrt ruft. Ebenso zu empfehlen ist eine Wanderung auf eigene Faust am Nordstrand, der zu den breitesten in Europa zählt. Tipp: Mit dem Fahrrad über den Prins Bernhardwe­g bis zum urigen Restaurant Strandpavi­llon De Marlijn und von dort aus Richtung Oosterstra­nd, zwischen Dünen und Nordsee soweit die Füße tragen. Hier zeigt der Strand jeden Tag einen anderen Charakter, hier lassen sich bei klarer Luft in aller Ruhe Möwen und Schwalben beobachten, die in der Brandung fischen.

Schiermonn­ikoog bedeutet Natur pur. Neben Watt, Meer und Strand lohnen Dünen, Salzwiesen, Waldstücke und Süßwassers­een einen Besuch. Auch Sternenguc­ker kommen auf ihre Kosten, fast nirgendwo soll die Nacht so dunkel sein wie hier. Ein Großteil der Insel sowie Bereiche der offenen Nordsee und des Wattenmeer­es erhielten bereits 1989 den offizielle­n Status eines Nationalpa­rks. Nicht dazu gehört das Dorf Schiermonn­ikoog. Es zählt rund 95 Einwohner und gleicht einem kleinen Juwel. Im 17. Jahrhunder­t bestand es aus mehreren Weilern. Da das Meer die Westküste der Insel immer mehr verschlang, waren die Bewohner gezwungen, sich Richtung Osten nieder zu lassen. So entstand das heutige Dorf mit seiner charakteri­stischen Ausstrahlu­ng. Die Straßen (streken) wurden von West nach Ost angelegt, um den Einfluss des Windes einzuschrä­nken. Etliche prächtige, restaurier­te Inselhäuse­r stehen heute hier, aus Backstein

gebaut, mit Satteldach, dem Giebel mit Schornstei­n und vielen großen Fenstern. Das älteste ist das Häusschen Marten aus dem Jahr 1721 in der Middenstre­ek. Zur Erinnerung an den Walfang im Zweiten Weltkrieg, steht mitten im Dorf, am Willemshof, der Kiefer eines Blauwals. Um die Mönche, um 1200 die ersten Bewohner Schiermonn­ikoogs, zu ehren, wurde 1961 die Statue des Schiere Monnik am Willemshof neben dem Rathaus enthüllt. Denn Schiermonn­ikoog heißt übersetzt: „Insel der grauen Mönche“.

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Fotos: Thomas Reinhardt Ein gutes Netz an Wander- und Radwegen erschließt die Insel.
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Eine Kegelrobbe am Balg, dem einsamen Strand im Osten der Insel

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