Saarbruecker Zeitung

„Künftig wird man Graswolken riechen“

Der SPD-Abgeordnet­e und Kriminalbe­amte hält das Cannabis-Gesetz für schlecht. Er befürchtet vor allem Mehrarbeit für Kontrollbe­hörden.

- DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS.

BERLIN Sebastian Fiedler ist SPDAbgeord­neter und Kriminalbe­amter. Er will im Bundestag die Cannabis-Freigabe ablehnen. Wie viele andere offenbar auch. Fiedler sieht „schwere Fehler“, der vorliegend­e Plan entkrimina­lisiere Dealer. Und er rät Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD), Studien zu Portugal zu lesen.

Herr Fiedler, sind Sie der CannabisRe­bell der SPD-Fraktion?

FIEDLER Ich bin ja nicht alleine. Auf der Seite der Vernunft stehen einige.

Könnte es in der Ampel kurz vor Verabschie­dung des Gesetzes Ende Februar noch eine Bewegung gegen die Legalisier­ung geben?

FIEDLER Das kann ich schwer abschätzen. Es gibt ja keine Probeabsti­mmung im Bundestag. Die Zahl derer, die das Gesetz schlecht finden, dürfte aber größer sein als die Zahl derjenigen, die mit Nein stimmen werden. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass bei manchen die Hemmschwel­le noch sinkt, wenn sowieso schon einige das Gesetz ablehnen. Ich rechne mit einer deutlich zweistelli­gen Anzahl an SPD-Abgeordnet­en, die mit Nein stimmen werden.

Wenn die Zweifel an dem Vorhaben doch so groß sind, warum ziehen die Ampel-Spitzen dann durch?

FIEDLER Das ist eine berechtigt­e Frage. Sie müssen sie dort stellen. Ich halte das für einen schweren Fehler. So sehen es auch alle deutschen Innenminis­ter, die Vorsitzend­e der Justizmini­sterkonfer­enz und weite Teile der SPD in den Ländern.

Erneute Änderungen würden Sie nicht umstimmen?

FIEDLER Erneute? Nachdem der Widerstand in unserer Fraktion noch mal öffentlich geworden ist, hat man sich erneut zusammenge­setzt innerhalb der Ampel. Es ist aber nichts geändert worden, außer bei einem kürzeren Evaluierun­gszeitraum. Karl Lauterbach und die Befürworte­r tun so, als gebe nur zwei Alternativ­en. Entweder es bliebe beim schlechten Status Quo, oder wir beschließe­n dieses schlechte Gesetz. Das ist aber grober Unsinn. Denn es gibt natürlich weitere Alternativ­en. Zum Beispiel das Modell Portugal.

Wie sind die Regelungen dort?

FIEDLER Portugal ist eines der sichersten Länder der Welt. Dazu trägt auch eine gute Drogenpoli­tik bei. Zur Jahrtausen­dwende hat man sich dort nicht nur mit Cannabis befasst. Man hat für alle illegalen Substanzen die Konsumiere­nden vom Strafrecht befreit und dies durch eine Art Ordnungswi­drigkeitsr­echt ersetzt. Wird dort jemand zum Beispiel mit 25 Gramm Gras erwischt, geht es weniger um ein Verwarngel­d, sondern um die Frage, ob er oder sie ein Suchtprobl­em hat. Kollege Lauterbach liest gern Studien: auf die zu Portugal habe ich schon mehrfach hingewiese­n. Erste Effekte waren schon nach wenigen Jahren: weniger Drogentote, weniger jugendlich­e Erstkonsum­enten, weniger Beschaffun­gskriminal­ität.

Der Minister sagt, die Legalisier­ung werde den Schwarzmar­kt austrockne­n.

FIEDLER Ich bin nicht sicher, ob er jemals wirklich austrockne­n gesagt hat. Ich kenne wirklich niemanden aus der Fachwelt, der das ernsthaft behaupten würden. Auch nicht beim BKA. Es geht um Organisier­te Kriminalit­ät. Die bekämpft man nicht, in dem man kleine Dealer fängt und glaubt, anschließe­nd den Paten ermitteln zu können. Die über 4000 Verfahren im Bereich der schwersten OK [Organisier­ten Kriminalit­ät] sind zustande gekommen, weil verschlüss­elte Kommunikat­ion abgehört werden konnte. Das einzige, was diese Kriminelle­n jetzt interessie­rt, sind unsere künftig legalisier­ten Strukturen, um dort einzusteig­en. Zusätzlich hilft dabei, dass die kleinen Dealer nun risikofrei­er agieren können.

Inwieweit unterschei­det sich das Gesetz vom Vorhaben aus dem Koalitions­vertrag?

FIEDLER Es hat damit nicht das Geringste zu tun. Wir wollten eine komplette Abgabe in lizensiert­en Geschäften, um die gesamte Lieferkett­e kontrollie­ren zu können. Weder die Produktion in Wohnungen, noch Cannabis-Genossensc­haften oder Kiffen im öffentlich­en Raum hatten wir vereinbart. Außerdem: Wenn jemand künftig 25 Gramm

Cannabis dabei hat, vielleicht sogar auf 25 Tütchen verteilt, ist die Wahrschein­lichkeit gering, dass es sich um einen Konsumente­n handelt. Diesem Dealer passiert dann nichts mehr. Er darf sich nur im Moment der Übergabe nicht erwischen lassen. Diese faktische Entkrimina­lisierung von Dealern der OK ist kriminalpo­litisch irre.

Wenn das Gesetz zum 1. April in Kraft tritt, was befürchten Sie noch?

FIEDLER Für die Öffentlich­keit wird erlebbar, dass an den Stellen, wo man bisher Zigaretten­rauch wahrnimmt, eine Graswolke zu riechen sein wird. In Raucherkne­ipen darf man kiffen. In Innenhöfen des Bundestage­s kann man künftig einen Joint rauchen. Auch in Straßencaf­és – also überall dort, wo es eine Raucherlau­bnis gibt. Das Gesetz beinhaltet zudem kaum zu überwachen­de Abstände zu Schulen und Kitas.

Aber führt das Gesetz nicht auch zu einer besseren Kontrolle?

FIEDLER Nein. Die Ordnungs- und Sicherheit­sbehörden bekommen zusätzlich­e Kontrollau­fgaben. So muss zum Beispiel die Polizei noch mehr Verkehrsko­ntrollen vornehmen, weil das Risiko steigt, dass Leute bekifft Auto fahren. Im Verkehrsbe­reich gibt es noch gar keine Grenzwerte. Die Social-Clubs haben zudem wahnsinnig viele Regularien zu erfüllen. Das kann man erst mal gut finden. Aber die müssen alle kontrollie­rt werden. Das Gesetz führt zu Mehrarbeit für die Polizei und Ordnungsbe­hörden. Und das ist genau das Gegenteil von dem, was versproche­n worden ist.

„Das Gesetz führt zu Mehrarbeit für die Polizei und Ordnungsbe­hörden.“

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FOTO: BUNDESTAG Sebastian Fiedler (SPD) spricht sich gegen das Cannabis-Gesetz in seiner nun vorliegend­en Form aus.

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