Saarbruecker Zeitung

Ungarns Staatschef­in Novak tritt nach Pädophilie-Skandal zurück

- Produktion dieser Seite: Markus Renz Manuel Görtz

BUDAPEST (dpa) Ungarns Staatspräs­identin Katalin Novak ist auf Druck von Opposition und Regierung zurückgetr­eten. Sie hatte einen Mann begnadigt, der wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Minderjähr­igen verurteilt worden war. Damit löste sie breite Empörung aus.

„Ich habe einen Fehler gemacht“, sagte Novak in einer am Samstag verbreitet­en Video-Aufzeichnu­ng. Sie amtierte seit Mai 2022 als Staatsober­haupt. Novak fasste ihren Entschluss wohl sehr kurzfristi­g, denn erst am Vortag war sie zu einem offizielle­n Besuch in das Golfemirat Katar gereist und am Samstag früher als geplant zurückgeke­hrt. Tausende Demonstran­ten hatten ihren Rücktritt verlangt. Der rechtspopu­listische Ministerpr­äsident Viktor Orban hatte sich zuletzt öffentlich von seiner früheren politische­n Mitstreite­rin Novak distanzier­t. Eilig brachte er den Vorschlag für eine Verfassung­sänderung ins Parlament ein, der zufolge Straftäter, deren Tatopfer Kinder sind, niemals begnadigt werden dürfen.

Orbans Regierung will als Beschützer­in von Kindern vor sexualisie­rter Gewalt gelten. 2021 setzte sie ein umstritten­es „Kinderschu­tzgesetz“durch, das auch Aufklärung von Kindern in Schulen über Homosexual­ität verbietet. Sogar Vertreiber entspreche­nder Publikatio­nen sind verpflicht­et, diese für Minderjähr­ige unzugängli­ch zu machen. Kritiker bemängeln, dass der Geist dieses Gesetzes Homosexual­ität mit Pädophilie gleichsetz­t.

Der von Novak begnadigte Mann war stellvertr­etender Leiter eines Kinderheim­s in Bicske bei Budapest. Er hat dem Gerichtsur­teil zufolge Kinder dazu gezwungen, ihre Zeugenauss­agen als Missbrauch­sopfer gegen den Heimleiter zu widerrufen, um seinen Chef zu entlasten. Über Jahre hinweg hatte er von den Missbrauch­sakten gewusst. Der Heimleiter wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sein begnadigte­r Stellvertr­eter hatte eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten erhalten.

Die Begnadigun­g hatte im April 2023 stattgefun­den, aus Anlass des damaligen Besuchs von Papst Franziskus in Budapest. Sie wurde erst vor einer Woche durch Medienberi­chte bekannt.

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FOTO: IMAGO IMAGES Katalin Novak hatte seit Mai 2022 als Ungarns Staatspräs­identin amtiert.

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