„Wir stoßen wieder auf große Ablehnung“
Die Landes-Vorsitzende Deutscher Sinti und Roma äußert sich zur „Zigeuner“-Debatte um den Theleyer Karnevalsverein.
SAARBRÜCKEN Das Motto des Theleyer Karnevalsvereins Narrekäpp Helau Mildau sorgte vor Weiberfastnacht für Aufregung im Saarland. Die Narren hatten ihre Kappensitzung mit dem Motto „Zigeuner, Mohrenkopf und Winnetou“überschrieben – und dafür im Netz massive Kritik geerntet. Der Landesvorsitzende der Jungen Union im Saarland, Fabian Laßotta, versuchte, dem Verein zur Seite zu springen, verkündete unter anderem: „Ich esse gerne Zigeunerschnitzel“. Wir haben mit Diana Bastian, der Vorsitzenden des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma im Saarland, darüber gesprochen.
Antiziganistische Ressentiments, also Vorurteile gegenüber Sinti und Roma, sind weit verbreitet: Studien zufolge unterstellen 55,9 Prozent der Befragten den Angehörigen der Minderheit eine Neigung zu Kriminalität, 47,1 Prozent befürworten ihre Verbannung aus Innenstädten. Inwieweit tragen Personen, die darauf bestehen, den Begriff „Zigeuner“weiterhin zu nutzen, dazu bei, solche Vorurteile gegen Sinti und Roma aufrechtzuerhalten?
BASTIAN Die tragen ein großes Stück dazu bei. In meinen Augen sind das Leute, die sich nicht mit der Geschichte der Sinti und Roma befasst haben.
Können Sie das etwas ausführen?
BASTIAN Der Begriff „Zigeuner“hat für unsere Minderheit schon immer was Angreifendes und Diskriminierendes. Auch vor dem Zweiten Weltkrieg schon. Im Nationalsozialismus wurden Sinti und Roma dann als „Zigeuner“verfolgt und ausgegrenzt. 500 000 von ihnen – Dunkelziffer nicht eingerechnet – sind unter diesem Begriff umgebracht und vernichtet worden. Alleine 32 000 in Auschwitz-Birkenau. Da darf man sich nicht wundern, dass wir uns durch diese Fremdbezeichnung angegriffen fühlen. Dass das Wort „Zigeuner“zunehmend wieder eine feste Verankerung in der Gesellschaft erfährt, das ist ein absolutes No-Go. Das ist nicht nur unsensibel und verletzend, sondern auch politisch unreflektiert und zeugt von mangelndem Geschichtsbewusstsein. Ich würde mir wünschen, dass sich die Leute mehr mit der Geschichte auseinandersetzen und sehr begrüßen, solche Personen mal in einem Vortrag von mir sitzen zu haben.
Auch der Vorsitzende der Jungen Union ( JU) im Saarland beharrt auf den Begriff „Zigeuner“, wie er in einer Pressemitteilung hat verlauten lassen. Gilt diese Einladung auch für ihn?
BASTIAN Ja. Ich werde da auf jeden Fall noch das Gespräch suchen.
Welche Erfahrungen hat Ihr Landesverband bislang mit der hiesigen CDU gemacht?
BASTIAN Unser Landesverband ist parteipolitisch neutral. Wir sind mit allen Parteien im Saarland in einem engen Austausch. Mit der Landesregierung unter Tobias Hans (CDU) hatten wir vor zwei Jahren eine Rahmenvereinbarung zum Schutz der Sinti und Roma als nationale Minderheit unterzeichnet. Deshalb hat mich das umso mehr erstaunt, dass da aus den Reihen der Jungen Union plötzlich so etwas Unsägliches kommt.
Der Porajmos, also der gezielte Mord an europäischen Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus, ist 1982 von der Bundesrepublik offiziell als Völkermord anerkannt worden.
BASTIAN Nach langem Kampf von Romani Rose und seinen Mitstreitern. Und erst nach einem Hungerstreik, den er 1980 in Dachau zusammen mit weiteren Sinti, darunter auch Holocaust-Überlebenden, durchführte. Das ging damals weltweit durch die Presse, bis die Bundesregierung dann reagiert, sich mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma unter Vorsitz von Romani Rose zusammengesetzt und den Völkermord an den Sinti und Roma anerkannt hat.
Wo stehen wir 42 Jahre später, wie ist die Situation der deutschen Sinti und Roma heute?
BASTIAN Auf der politischen Ebene hat sich durch den jahrzehntelangen Einsatz des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma einiges getan, da ist man sehr vorangekommen. Gesellschaftlich sieht es anders aus. Das merke ich auch hier im Saarland: Wir stoßen mittlerweile wieder auf sehr große Ablehnung, obwohl wir Bürger aus der Mitte der Gesellschaft sind. Ich fühle mich tatsächlich noch mal ein Stück weit in meine Kindheit zurückversetzt bei dem, was im Moment gerade auf uns zurollt – ich bin als Kind diskriminiert worden, mit diesem Wort, unter dem Menschen ausgegrenzt und ermordet wurden. Es ist schmerzhaft, immer noch so betitelt zu werden. Es ist eine Fremdbezeichnung, so haben wir uns nie selbst genannt. Jeder, der darauf besteht, heute noch dieses Wort zu verwenden, ist in meinen Augen unsensibel und verletzend.
„Der Begriff ‚Zigeuner‘ hat für unsere Minderheit schon immer was Angreifendes und Diskriminierendes. “