Schmerzmittel sind Gefahr für Herzpatienten
Die langfristige Einnahme von Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Diclofenac kann unter anderem bei Herzpatienten zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen. Laut Arzneimittelreport der Barmer sind im Saarland allein 8000 Herzpatienten gefährdet.
SAARBRÜCKEN Im Saarland drohen rund 8000 Patienten ernsthafte gesundheitliche Schäden, weil sie trotz ihrer Herzschwäche mit Schmerzmitteln behandelt werden, die bereits bei kurzer Verwendungsdauer die Herzleistung deutlich vermindern können. Bei diesen Schmerzmitteln handelt es sich um nichtsteroidale Antirheumatika, abgekürzt NSAR, wie zum Beispiel Ibuprofen oder Diclofenac. Das zeigt der aktuelle „Arzneimittelreport 2023“der Barmer.
Die Krankenkasse hat auch die Verschreibungen von Schmerzmitteln für ihre Versicherten im Saarland im Detail ausgewertet und die Ergebnisse hochgerechnet. Sie sind daher repräsentativ. Allerdings wurden nur Daten von Schmerzpatienten ausgewertet, die nicht an Krebs erkrankt sind.
Mittel wie Ibuprofen, Metazimol oder Diclofenac werden bei einer Vielzahl verschiedener Schmerzen verordnet: von Gelenk-, Rückenund Rheumaschmerzen über Arthrose- und Magenschmerzen bis hin zu neuropathischen Schmerzen aufgrund von Schädigungen oder Fehlfunktionen der Nerven oder auch bei sogenannten noziplastischen Schmerzen, für die sich keine körperlichen Ursachen finden lässt.
„Besonders starke und chronische Schmerzen können den Alltag zur Tortur machen. Die Verordnung vermeintlich harmloser Schmerzmittel kann aber bei bestimmten
Vorerkrankungen fatale Folgen haben“, sagt Dunja Kleis, die Landesgeschäftsführerin der Barmer im Saarland und in Rheinland-Pfalz. „Schmerzmittel wie Ibuprofen und Diclofenac sind auch rezeptfrei erhältlich, weshalb unser Arzneimittelreport das tatsächliche Ausmaß der bedenklichen Schmerzmitteleinnahme nicht komplett abbilden kann.“
Laut Report haben im Jahr 2021 die niedergelassenen Ärzte im Saarland hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung 258 575-mal mindestens ein Schmerzmittel verschrieben. 141 037 der Rezepte wurden für Frauen ausgestellt, 117 538 für Männer. Jedem dritten bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Mitglied wurde mindestens einmal ein Schmerzmittel verordnet. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Patienten, denen ein Arzt mindestens einmal im Jahr ein Rezept für Schmerzmittel ausstellt, stark an. So lag im Saarland im Jahr 2021 der Anteil der über 80-Jährigen ohne Tumorerkrankung mit 51,2 Prozent deutlich höher als bei den 18- bis 64-Jährigen mit 31,3 Prozent. Der Anteil der Altersgruppe der 65- bis 79-Jährigen lag bei 38,9 Prozent.
NSAR-Präparate können nicht nur bei Herzschwächen das Herz weiter schädigen, sondern auch bei vorgeschädigter Niere noch größere Schäden verursachen. Die gesundheitlichen Gefahren steigen bei langfristiger Einnahme. Nach drei Monaten gilt eine Schmerztherapie als langfristig. Die Hochrechnungen für den Arzneimittelreport zeigen, dass 2021 rund 42 000 Erwachsene ohne Tumorerkrankung aus dem Saarland in einer Arztpraxis Schmerzmittel im Rahmen einer langfristigen Schmerztherapie erhalten haben. 25 000 von ihnen waren Frauen. Von den Saarländern über 80 Jahre wurden 14,8 Prozent im Jahr 2021 langfristig gegen Schmerz behandelt. In der Altersgruppe der 18- bis 64-Jährigen waren es 3,8 Prozent, in der Gruppe der 65- bis 79-Jährigen 8,6 Prozent.
Auch hier hat die Barmer nur die Daten von Schmerzpatienten ausgewertet, die nicht an Krebs erkrankt sind. Das hat damit zu tun, dass Krebspatienten oft in Kliniken behandelt und dort mit Schmerzmitteln versorgt werden. Allerdings können die Krankenkassen diese Verordnungen nicht einzeln erfassen, weil sie über die Pauschale abgegolten werden, die die Kassen für eine Krebsbehandlung bezahlen.
„Den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten bei der Verschreibung von Schmerzmitteln Versäumnisse vorzuwerfen, wäre zu kurz gegriffen“, sagt Kleis. „Oft weiß ein Arzt gar nicht, welche Arzneien ein Kollege bereits verordnet hat und welche frei verkäuflichen Schmerzmittel der Patient sich beschafft hat.“
Professor Doktor Daniel Grandt, Chefarzt der Inneren Medizin am
Saarbrücker Winterberg-Klinikum, Experte für Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten und einer der Autoren des Barmer Arzneimittelreports, erläutert: „Derzeit werden 1886 verschiedene Wirkstoffe in über 52 000 Medikamenten verwendet und mehr als 450 000 verschiedene Kombinationen von zwei Wirkstoffen verordnet. Kein Arzt kann deren mögliche Neben- und Wechselwirkungen ohne elektronische Unterstützung sicher beurteilen.“
Die Barmer hat daher das Projekt „Adam“( Anwendung für digital unterstütztes ArzneimitteltherapieManagement) auf den Weg gebracht und bereits erprobt. Es handelt sich um eine Computer-Software, die
Ärzten und Apothekern mit Zustimmung der Patienten sofort anzeigen kann, welche Medikamente ein Patient einnimmt und ob bei einem neu verschriebenen Medikament Neben- und Wechselwirkungen drohen.
„Dadurch können sogar Todesfälle verhindert werden. Stehen den Ärzten diese Informationen zur Medikation zur Verfügung, überleben pro 1000 Personen sieben mehr, als das ohne die Informationen der Fall ist“, erläutert Kleis. „Adam sollte nach positiven Studienergebnissen rasch in die medizinische Regelversorgung aufgenommen und Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung werden“, fordert die Landeschefin der Barmer.