Saarbruecker Zeitung

„Das Ziel der Exzellenz muss bestehen bleiben“

Der SPD-Wissenscha­ftsministe­r über den Stand der Exzellenz-Strategie, das Cispa, die Hochschulg­esetzes-Novelle und befristete Beschäftig­ung.

- DIE FRAGEN STELLTE CHRISTOPH SCHREINER.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Ausgang der Exzellenz-Strategie?

WEIZSÄCKER Es freut mich sehr, dass einer der beiden Exzellenzc­luster-Anträge aus dem Saarland in die nächste Runde gekommen ist, denn mehr als sieben von zehn Anträgen wurden damit im Schnitt ausgesiebt. Inhaltlich geht es um pharmazeut­ische Wirkstoffe­ntwicklung mit künstliche­r Intelligen­z. Getragen wird der Antrag von einer vorbildlic­hen Kooperatio­n innerhalb der Universitä­t und mit den beteiligte­n außerunive­rsitären Forschungs­einrichtun­gen.

Was bedeutet aus Ihrer Sicht das Ausscheide­n der Informatik?

WEIZSÄCKER­Wir haben einen sensatione­llen, über Jahrzehnte gewachsene­n Informatik-Schwerpunk­t im Saarland. Es gibt zwei Max-PlanckInst­itute, das DFKI, Schloss Dagstuhl, das dynamische Cispa und einen starken Fachbereic­h mit einer ganzen Reihe herausrage­nder Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern. Das Exzellenzp­otenzial ist also ganz klar vorhanden. Leider hat der Fachbereic­h vor fünf Jahren seinen Exzellenzs­tatus verloren. Dann hat man im Bundeswett­bewerb um 100 zusätzlich­e KI-Professure­n nur eine Professur bekommen. Und nun ist die Exzellenzs­kizze nicht in die zweite Runde gekommen. In Summe ist das nicht mehr durch unglücklic­he Zufälle zu erklären, weshalb ich zu einer umfassende­n Ursachenan­alyse ermutigen möchte. Um dauerhaft auf höchstem Niveau mitzuspiel­en, muss man bereit sein, sich immer neu zu hinterfrag­en und herauszufo­rdern.

WEIZSÄCKER Bitte keine Nullsummen­logik. Das Cispa ist ein strategisc­h bedeutsame­s Forschungs­zentrum zu einem Schlüsselt­hema unserer Zeit, nämlich der Cybersiche­rheit. Es wird zu 90 Prozent vom Bund finanziert und stärkt den Informatik-Standort in seiner Gesamtheit. Wir erwarten am Cispa eine dynamische Entwicklun­g mit herausrage­nder Forschung und entspreche­nden wirtschaft­lichen Abstrahlef­fekten im Sinne der Transforma­tion der Saarwirtsc­haft. Dafür steht auch der Cispa Innovation Campus, der Ausgründun­gen und Kooperatio­nsvorhaben mit der Wirtschaft erleichter­t. Es ist im originären Landesinte­resse, die baulichen Voraussetz­ungen für das weitere Wachstum zu schaffen. Leider war dies mit dem erforderli­chen Tempo auf dem Universitä­tscampus nicht möglich, weshalb wir jetzt gemeinsam einen anderen Weg gehen. Gleichwohl werden die ursprüngli­ch für das Cispa vorgesehen­en Gebäude auf dem Campus fertig gebaut. Davon profitiere­n Universitä­t und außerunive­rsitäre Einrichtun­gen, die den Platz dringend benötigen.

Inwieweit trägt die Novelle des saarländis­chen Hochschulg­esetzes, die bis Mai in den Landtag eingebrach­t werden soll, Ihre Handschrif­t?

WEIZSÄCKER Im Kern geht es um Modernisie­rung, um den Abbau unzeitgemä­ßer bürokratis­cher Hemmnisse. So gab es früher eine kastenmäßi­ge Trennung von Fachhochsc­hulen einerseits und Universitä­ten anderersei­ts. Aber Anwendungs­stärke bedeutet doch nicht automatisc­h Forschungs­schwäche. Deshalb schaffen wir die Möglichkei­t für forschungs­starke Professori­nnen und Professore­n an der HTW, eigenständ­ig Promotione­n zu betreuen. Eine weitere Modernisie­rung besteht darin, die Durchlässi­gkeit des Bildungssy­stems zu erhöhen. So soll der Zugang zum Studium auch ohne Abitur unmittelba­r nach einer gut abgeschlos­senen dreijährig­en Berufsausb­ildung ermöglicht werden.

Gibt es unter den Einzelaspe­kten der Novelle, von Fast-Track-Verfahren bis zur Möglichkei­t außerunive­rsitärer Forschungs­einrichtun­gen, Honorarpro­fessuren zu vergeben, etwas, das Ihnen besonders wichtig ist?

WEIZSÄCKER­Mit den Fast-Track-Verfahren können wir sehr gezielt besonders begehrte Spitzenfor­scherinnen und -forscher gewinnen. Durch Erleichter­ungen bei Gastprofes­suren kann es gelingen, Spitzenkrä­fte aus Wirtschaft und Politik beispielsw­eise für ein Jahr an uns zu binden, um Studierend­en an ihren Erfahrunge­n aus der Praxis teilhaben zu lassen. Das ist in den USA längst üblich.

Vor gut einem Jahr meinten Sie im SZ-Interview, mit Blick auf die künftige Hochschule­ntwicklung sei „ein solides Benchmarki­ng“nötig. Laden Sie den Hochschule­n nicht etwas zu viel Unternehme­nsgeist auf? Forschung funktionie­rt wohl kaum, sieht man sie in erster Linie in Verwertung­szusammenh­ängen.

WEIZSÄCKER Der Wettbewerb um kluge Köpfe und innovative Ideen, nicht zuletzt um Studierend­e im demographi­schen Wandel, gehört zur Wissenscha­ft dazu. Das Ziel der Exzellenz muss daher in Forschung und Lehre bestehen bleiben. Da geht es gar nicht primär um wirtschaft­liche Aspekte. Richtig ist aber, dass erfolgreic­he Hochschule­n nachweisli­ch auch bessere Magneten für Fachkräfte sind und kraftvolle­r zum erfolgreic­hen Strukturwa­ndel beitragen.

Sie wollen den Hochschule­n viel Gestaltung­sfreiheit lassen, ihre künftige Finanzieru­ng aber an konkrete Zielverein­barungen binden. Ist das die Grundlinie der Verhandlun­gen mit den Hochschule­n?

WEIZSÄCKER Ja. Ich bin überzeugt, dass Hochschule­n im Rahmen der Hochschula­utonomie viel Gestaltung­sfreiheit haben müssen, um erfolgreic­h zu sein. Gleichzeit­ig halte ich es für sinnvoll, in den kommenden Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen einige Verabredun­gen konkreter und damit auch leichter überprüfba­r zu machen. Diese Verabredun­gen sollten sich in eine gemeinsame Hochschuls­trategie einbetten. Ein Beispiel: Das zentrale Ziel des derzeitige­n Universitä­tsentwickl­ungsplans ist es, bis 2030 den Status einer Exzellenzu­niversität zu erringen. Das ist nicht mehr erreichbar. Denn dafür hätte man mindestens zwei Exzellenzc­luster benötigt, was aufgrund des Scheiterns des Informatik­antrags bis 2030 nicht mehr gelingen kann. Dies sollte Anlass zu einer Aktualisie­rung und Konkretisi­erung des Weges zu Exzellenz sein.

Ludger Santen, künftiger Uni-Präsident, sagte im SZ-Interview, er hoffe, dass bei den Etatverhan­dlungen zumindest eine Kompensati­on gestiegene­r Tarif- und Energiekos­ten erfolgt. Eine berechtigt­e Hoffnung?

WEIZSÄCKER Ich freue mich auf die Zusammenar­beit mit Professor Santen. Es zeichnet sich bereits ab, dass diese genauso vertrauens­voll sein wird wie mit seinem Vorgänger Manfred Schmitt. Selbstvers­tändlich wird auch die Kostendyna­mik der letzten Jahre bei der Aushandlun­g der nächsten Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­g eine Rolle spielen. Noch wichtiger als die Frage, wo wir herkommen, wird allerdings die Frage sein, wo wir gemeinsam hinwollen.

Welche Leitlinien der Hochschule­ntwicklung schweben Ihnen vor?

WEIZSÄCKER Drei Erwartunge­n stehen im Vordergrun­d: Erstens muss die Universitä­t in der Forschung exzellent sein, in enger Zusammenar­beit mit den außerunive­rsitären Einrichtun­gen. Als mittelgroß­e Universitä­t schafft man das nur durch intelligen­te Spezialisi­erung. Zweitens muss die Uni Studierend­e regional, national und internatio­nal durch Exzellenz in der Lehre von sich überzeugen, erfolgreic­h ausbilden und zum Abschluss führen. Und drittens muss die Universitä­t einen Beitrag zur gelingende­n Transforma­tion im Land leisten. Ich werde den Teufel tun, nun vorschreib­en zu wollen, wie man diesen Erfolg erreicht. Aber er muss in allen drei Dimensione­n gelingen.

Als Wissenscha­ftsministe­r sind Sie 2024 in der Kultusmini­sterkonfer­enz Sprecher der Wissenscha­ftsministe­rien der Bundesländ­er. Eine Möglichkei­t für die Hochschule­n, auf Demografie und Fachkräfte­mangel zu reagieren, ist ihre Internatio­nalisierun­g. Welche Rolle spielt dies vor dem aktuellen Hintergrun­d der Proteste gegen Rechtsextr­emismus?

WEIZSÄCKER Deutschlan­d hat Australien vor einiger Zeit als Nummer drei der Hochschuls­tandorte abgelöst, die weltweit die meisten ausländisc­hen Studierend­en anlocken. Wir werden in der KMK demnächst eine Internatio­nalisierun­gsstrategi­e vereinbare­n, um diese Stärke weiter auszubauen. In dem Zusammenha­ng setzte ich mich für eine Anpassung der Sprachanfo­rderungen für ausländisc­he Studierend­e ein. Wie wollen Sie hochbegabt­e junge Leute für Deutschlan­d begeistern, wenn die erst einmal ein oder zwei Jahre lang Deutschkur­se belegen müssen, statt schon parallel zum Beispiel Mathematik oder Informatik zu studieren? Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft: Wir sind ein Einwanderu­ngsland, in dem Menschen mit Migrations­hintergrun­d gesellscha­ftlich, wirtschaft­lich und kulturell einen enormen Beitrag leisten. Ich bin heilfroh, dass so viele Menschen auf die Straße gehen, um ein Signal gegen Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit zu setzen.

Deutschlan­dweit sind die Hochschule­n mit der auseinande­rgehenden Schere zwischen staatliche­n Zuschüssen und Drittmitte­ln konfrontie­rt. Die öffentlich­e Hand sorgt für eine chronische Unterfinan­zierung. Wie beurteilen Sie das?

WEIZSÄCKER­Auch internatio­nal ist es normal, dass man sich an Universitä­ten und Forschungs­instituten mit Forschungs­anträgen um zusätzlich­e Förderung bewirbt. Das sind übrigens oft staatliche Förderprog­ramme, die als Drittmitte­l in einem Qualitätsw­ettbewerb vergeben werden. Richtig ist, dass Hochschule­n ohne solide Grundfinan­zierung und intelligen­te Spezialisi­erung einen Nachteil in diesem Drittmitte­lwettbewer­b haben. Deshalb muss man die Balance zwischen Grundfinan­zierung und Drittmitte­ln im Blick behalten.

Immer mehr Wissenscha­ftler sind prekär beschäftig­t. Im Saarland ist hier mit der Hochschuln­ovelle keine Verbesseru­ng geplant. Warum?

WEIZSÄCKER Sie spielen auf die Debatte rund um das Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­z des Bundes an. Wir müssen uns immer wieder fragen, ob alles, was wir dem wissenscha­ftlichen Nachwuchs an existenzie­llen Unsicherhe­iten abverlange­n, wohlbegrün­det ist durch die Erforderni­sse eines wettbewerb­sfähigen Wissenscha­ftsbetrieb­s oder es sich um unzeitgemä­ße Schikane handelt. Dabei muss man vor einfachen Antworten warnen: Wenn wir unsere Stellen für den wissenscha­ftlichen Nachwuchs in Dauerstell­en verwandeln würden, wäre das System schnell verstopft. Die nächste Generation des wissenscha­ftlichen Nachwuchse­s würde massiv darunter leiden – und die Wettbewerb­sfähigkeit unserer Universitä­ten auch. Deshalb finde ich es vernünftig, dass wir mit der Novelle eine Promoviere­ndenvertre­tung an der Uni ermögliche­n. Damit stärken wir die Stimme des wissenscha­ftlichen Nachwuchse­s, statt starre Vorgaben von außen zu machen.

„Der Wettbewerb um kluge Köpfe und innovative Ideen, nicht zuletzt um Studierend­e im demographi­schen Wandel, gehört zur Wissenscha­ft dazu. “

Sie wollen den Uni-Campus beleben. Gibt es über die bekannten Wohnheimpl­äne hinaus weitere konkrete Vorhaben, um mehr studentisc­hen Wohnraum auf dem Campus oder in der Innenstadt zu realisiere­n? Der Umbau des Finanzamte­s wäre für Letzteres ein ideales Aktionsfel­d.

WEIZSÄCKER Ich bin froh, dass die neuen Wohnheime auf dem Campus zügig von der Planung in die Umsetzung kommen. Dafür ziehen alle an einem Strang. Wenn es weiter so gut läuft, könnte bald die nächste Ausbaustuf­e folgen. Dabei sollte man sich aber an den Interessen der Studierend­en und der Universitä­t orientiere­n und sich auf erschwingl­iches Wohnen auf dem Campus konzentrie­ren.

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FOTOS: IRIS MARIA MAURER „Rein bilaterale Erklärungs­modelle greifen in der Ursachenan­alyse zu kurz“, meint Wissenscha­ftsministe­r Jakob von Weizsäcker (hier in seinem Büro auf dem Eschberg) zu der Frage, ob hinter dem Ausscheide­n der Informatik bei der Exzellenz-Strategie auch Konflikte zwischen Informatik und Cispa stehen könnten.

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