„Das Ziel der Exzellenz muss bestehen bleiben“
Der SPD-Wissenschaftsminister über den Stand der Exzellenz-Strategie, das Cispa, die Hochschulgesetzes-Novelle und befristete Beschäftigung.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Ausgang der Exzellenz-Strategie?
WEIZSÄCKER Es freut mich sehr, dass einer der beiden Exzellenzcluster-Anträge aus dem Saarland in die nächste Runde gekommen ist, denn mehr als sieben von zehn Anträgen wurden damit im Schnitt ausgesiebt. Inhaltlich geht es um pharmazeutische Wirkstoffentwicklung mit künstlicher Intelligenz. Getragen wird der Antrag von einer vorbildlichen Kooperation innerhalb der Universität und mit den beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Was bedeutet aus Ihrer Sicht das Ausscheiden der Informatik?
WEIZSÄCKERWir haben einen sensationellen, über Jahrzehnte gewachsenen Informatik-Schwerpunkt im Saarland. Es gibt zwei Max-PlanckInstitute, das DFKI, Schloss Dagstuhl, das dynamische Cispa und einen starken Fachbereich mit einer ganzen Reihe herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Exzellenzpotenzial ist also ganz klar vorhanden. Leider hat der Fachbereich vor fünf Jahren seinen Exzellenzstatus verloren. Dann hat man im Bundeswettbewerb um 100 zusätzliche KI-Professuren nur eine Professur bekommen. Und nun ist die Exzellenzskizze nicht in die zweite Runde gekommen. In Summe ist das nicht mehr durch unglückliche Zufälle zu erklären, weshalb ich zu einer umfassenden Ursachenanalyse ermutigen möchte. Um dauerhaft auf höchstem Niveau mitzuspielen, muss man bereit sein, sich immer neu zu hinterfragen und herauszufordern.
WEIZSÄCKER Bitte keine Nullsummenlogik. Das Cispa ist ein strategisch bedeutsames Forschungszentrum zu einem Schlüsselthema unserer Zeit, nämlich der Cybersicherheit. Es wird zu 90 Prozent vom Bund finanziert und stärkt den Informatik-Standort in seiner Gesamtheit. Wir erwarten am Cispa eine dynamische Entwicklung mit herausragender Forschung und entsprechenden wirtschaftlichen Abstrahleffekten im Sinne der Transformation der Saarwirtschaft. Dafür steht auch der Cispa Innovation Campus, der Ausgründungen und Kooperationsvorhaben mit der Wirtschaft erleichtert. Es ist im originären Landesinteresse, die baulichen Voraussetzungen für das weitere Wachstum zu schaffen. Leider war dies mit dem erforderlichen Tempo auf dem Universitätscampus nicht möglich, weshalb wir jetzt gemeinsam einen anderen Weg gehen. Gleichwohl werden die ursprünglich für das Cispa vorgesehenen Gebäude auf dem Campus fertig gebaut. Davon profitieren Universität und außeruniversitäre Einrichtungen, die den Platz dringend benötigen.
Inwieweit trägt die Novelle des saarländischen Hochschulgesetzes, die bis Mai in den Landtag eingebracht werden soll, Ihre Handschrift?
WEIZSÄCKER Im Kern geht es um Modernisierung, um den Abbau unzeitgemäßer bürokratischer Hemmnisse. So gab es früher eine kastenmäßige Trennung von Fachhochschulen einerseits und Universitäten andererseits. Aber Anwendungsstärke bedeutet doch nicht automatisch Forschungsschwäche. Deshalb schaffen wir die Möglichkeit für forschungsstarke Professorinnen und Professoren an der HTW, eigenständig Promotionen zu betreuen. Eine weitere Modernisierung besteht darin, die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu erhöhen. So soll der Zugang zum Studium auch ohne Abitur unmittelbar nach einer gut abgeschlossenen dreijährigen Berufsausbildung ermöglicht werden.
Gibt es unter den Einzelaspekten der Novelle, von Fast-Track-Verfahren bis zur Möglichkeit außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, Honorarprofessuren zu vergeben, etwas, das Ihnen besonders wichtig ist?
WEIZSÄCKERMit den Fast-Track-Verfahren können wir sehr gezielt besonders begehrte Spitzenforscherinnen und -forscher gewinnen. Durch Erleichterungen bei Gastprofessuren kann es gelingen, Spitzenkräfte aus Wirtschaft und Politik beispielsweise für ein Jahr an uns zu binden, um Studierenden an ihren Erfahrungen aus der Praxis teilhaben zu lassen. Das ist in den USA längst üblich.
Vor gut einem Jahr meinten Sie im SZ-Interview, mit Blick auf die künftige Hochschulentwicklung sei „ein solides Benchmarking“nötig. Laden Sie den Hochschulen nicht etwas zu viel Unternehmensgeist auf? Forschung funktioniert wohl kaum, sieht man sie in erster Linie in Verwertungszusammenhängen.
WEIZSÄCKER Der Wettbewerb um kluge Köpfe und innovative Ideen, nicht zuletzt um Studierende im demographischen Wandel, gehört zur Wissenschaft dazu. Das Ziel der Exzellenz muss daher in Forschung und Lehre bestehen bleiben. Da geht es gar nicht primär um wirtschaftliche Aspekte. Richtig ist aber, dass erfolgreiche Hochschulen nachweislich auch bessere Magneten für Fachkräfte sind und kraftvoller zum erfolgreichen Strukturwandel beitragen.
Sie wollen den Hochschulen viel Gestaltungsfreiheit lassen, ihre künftige Finanzierung aber an konkrete Zielvereinbarungen binden. Ist das die Grundlinie der Verhandlungen mit den Hochschulen?
WEIZSÄCKER Ja. Ich bin überzeugt, dass Hochschulen im Rahmen der Hochschulautonomie viel Gestaltungsfreiheit haben müssen, um erfolgreich zu sein. Gleichzeitig halte ich es für sinnvoll, in den kommenden Ziel- und Leistungsvereinbarungen einige Verabredungen konkreter und damit auch leichter überprüfbar zu machen. Diese Verabredungen sollten sich in eine gemeinsame Hochschulstrategie einbetten. Ein Beispiel: Das zentrale Ziel des derzeitigen Universitätsentwicklungsplans ist es, bis 2030 den Status einer Exzellenzuniversität zu erringen. Das ist nicht mehr erreichbar. Denn dafür hätte man mindestens zwei Exzellenzcluster benötigt, was aufgrund des Scheiterns des Informatikantrags bis 2030 nicht mehr gelingen kann. Dies sollte Anlass zu einer Aktualisierung und Konkretisierung des Weges zu Exzellenz sein.
Ludger Santen, künftiger Uni-Präsident, sagte im SZ-Interview, er hoffe, dass bei den Etatverhandlungen zumindest eine Kompensation gestiegener Tarif- und Energiekosten erfolgt. Eine berechtigte Hoffnung?
WEIZSÄCKER Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Professor Santen. Es zeichnet sich bereits ab, dass diese genauso vertrauensvoll sein wird wie mit seinem Vorgänger Manfred Schmitt. Selbstverständlich wird auch die Kostendynamik der letzten Jahre bei der Aushandlung der nächsten Ziel- und Leistungsvereinbarung eine Rolle spielen. Noch wichtiger als die Frage, wo wir herkommen, wird allerdings die Frage sein, wo wir gemeinsam hinwollen.
Welche Leitlinien der Hochschulentwicklung schweben Ihnen vor?
WEIZSÄCKER Drei Erwartungen stehen im Vordergrund: Erstens muss die Universität in der Forschung exzellent sein, in enger Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Einrichtungen. Als mittelgroße Universität schafft man das nur durch intelligente Spezialisierung. Zweitens muss die Uni Studierende regional, national und international durch Exzellenz in der Lehre von sich überzeugen, erfolgreich ausbilden und zum Abschluss führen. Und drittens muss die Universität einen Beitrag zur gelingenden Transformation im Land leisten. Ich werde den Teufel tun, nun vorschreiben zu wollen, wie man diesen Erfolg erreicht. Aber er muss in allen drei Dimensionen gelingen.
Als Wissenschaftsminister sind Sie 2024 in der Kultusministerkonferenz Sprecher der Wissenschaftsministerien der Bundesländer. Eine Möglichkeit für die Hochschulen, auf Demografie und Fachkräftemangel zu reagieren, ist ihre Internationalisierung. Welche Rolle spielt dies vor dem aktuellen Hintergrund der Proteste gegen Rechtsextremismus?
WEIZSÄCKER Deutschland hat Australien vor einiger Zeit als Nummer drei der Hochschulstandorte abgelöst, die weltweit die meisten ausländischen Studierenden anlocken. Wir werden in der KMK demnächst eine Internationalisierungsstrategie vereinbaren, um diese Stärke weiter auszubauen. In dem Zusammenhang setzte ich mich für eine Anpassung der Sprachanforderungen für ausländische Studierende ein. Wie wollen Sie hochbegabte junge Leute für Deutschland begeistern, wenn die erst einmal ein oder zwei Jahre lang Deutschkurse belegen müssen, statt schon parallel zum Beispiel Mathematik oder Informatik zu studieren? Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft: Wir sind ein Einwanderungsland, in dem Menschen mit Migrationshintergrund gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell einen enormen Beitrag leisten. Ich bin heilfroh, dass so viele Menschen auf die Straße gehen, um ein Signal gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu setzen.
Deutschlandweit sind die Hochschulen mit der auseinandergehenden Schere zwischen staatlichen Zuschüssen und Drittmitteln konfrontiert. Die öffentliche Hand sorgt für eine chronische Unterfinanzierung. Wie beurteilen Sie das?
WEIZSÄCKERAuch international ist es normal, dass man sich an Universitäten und Forschungsinstituten mit Forschungsanträgen um zusätzliche Förderung bewirbt. Das sind übrigens oft staatliche Förderprogramme, die als Drittmittel in einem Qualitätswettbewerb vergeben werden. Richtig ist, dass Hochschulen ohne solide Grundfinanzierung und intelligente Spezialisierung einen Nachteil in diesem Drittmittelwettbewerb haben. Deshalb muss man die Balance zwischen Grundfinanzierung und Drittmitteln im Blick behalten.
Immer mehr Wissenschaftler sind prekär beschäftigt. Im Saarland ist hier mit der Hochschulnovelle keine Verbesserung geplant. Warum?
WEIZSÄCKER Sie spielen auf die Debatte rund um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz des Bundes an. Wir müssen uns immer wieder fragen, ob alles, was wir dem wissenschaftlichen Nachwuchs an existenziellen Unsicherheiten abverlangen, wohlbegründet ist durch die Erfordernisse eines wettbewerbsfähigen Wissenschaftsbetriebs oder es sich um unzeitgemäße Schikane handelt. Dabei muss man vor einfachen Antworten warnen: Wenn wir unsere Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Dauerstellen verwandeln würden, wäre das System schnell verstopft. Die nächste Generation des wissenschaftlichen Nachwuchses würde massiv darunter leiden – und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten auch. Deshalb finde ich es vernünftig, dass wir mit der Novelle eine Promovierendenvertretung an der Uni ermöglichen. Damit stärken wir die Stimme des wissenschaftlichen Nachwuchses, statt starre Vorgaben von außen zu machen.
„Der Wettbewerb um kluge Köpfe und innovative Ideen, nicht zuletzt um Studierende im demographischen Wandel, gehört zur Wissenschaft dazu. “
Sie wollen den Uni-Campus beleben. Gibt es über die bekannten Wohnheimpläne hinaus weitere konkrete Vorhaben, um mehr studentischen Wohnraum auf dem Campus oder in der Innenstadt zu realisieren? Der Umbau des Finanzamtes wäre für Letzteres ein ideales Aktionsfeld.
WEIZSÄCKER Ich bin froh, dass die neuen Wohnheime auf dem Campus zügig von der Planung in die Umsetzung kommen. Dafür ziehen alle an einem Strang. Wenn es weiter so gut läuft, könnte bald die nächste Ausbaustufe folgen. Dabei sollte man sich aber an den Interessen der Studierenden und der Universität orientieren und sich auf erschwingliches Wohnen auf dem Campus konzentrieren.