900 Röstaromen auf der Spur
Kaffeeröster Volker Gerber verarbeitet in Heiligenwald zwei Tonnen Bio-Kaffeebohnen im Jahr – des Geschmacks und der Gesundheit wegen.
SCHIFFWEILER „Hier ist es genial.“Volker Gerber strahlt wie jemand, der angekommen ist. Im November hat er seine Kaffeerösterei in der Kaiserstraße 15 in Heiligenwald eröffnet und seitdem bereits viel Zuspruch erfahren. Dieser Platz ist aber auch ideal: 3000 eingefriedete Quadratmeter Land mitten im Ort. Ganz früher praktizierte in dem frei stehenden Haus ein Internist, erzählt der Gastgeber, später dann ein Physiotherapeut. Im August zog Familie Gerber ein, der Anbau fand seine neue Bestimmung in der Kaffeerösterei samt Verkauf – ein kleiner Quantensprung in Sachen Produktionsbedingungen, den Gerber nach der Kündigung seiner angemieteten, sehr überschaubaren Kellerräume in St. Wendel da vollzogen hat.
Welten liegen auch zwischen industriell hergestelltem Kaffee und dem, was Gerber mit Leidenschaft und einem Schuss Perfektionismus aus einer Kaffeebohne herausholt. Bei großen Kaffeeunternehmen kann man eher von einem Backen der Bohnen sprechen. Werden sie doch wenige Minuten lang sehr hohen Temperaturen von circa 700 Grad Celsius ausgesetzt. Was die Effizienz erhöht – Zeit ist Geld – und praktischerweise auch eine geringe Qualität der Kaffeebohnen verschleiern hilft. Sehr dunkel gerösteter Kaffee verfügt über einen stärkeren Geschmack, er ist bitterer, gleichzeitig leidet das Aroma, Nuancen und Tiefe verschwinden. Die Bohnen sind einfach verbrannt. Handwerkliche Kaffeeröstereien hetzen nicht, sondern passen die
Brenndauer und -temperatur an das gewünschte sensorische Profil an.
Volker Gerber röstet sogar besonders schonend: mit maximal 210 Grad bis zu 20 Minuten und damit fast drei Mal so lange wie die großen Konzerne. „Damit werden die Säuren der Rohkaffeebohnen wie beispielsweise Chlorogensäure weitestgehend abgebaut“, konkret zu 97 bis 98 Prozent. Was seinen Kaffee nicht nur lecker, sondern zudem sehr bekömmlich macht. Sodbrennen oder Magenschmerzen nach dem Kaffeetrinken bleiben aus.
Früher war Gerber ein Kapsel-Kaffee-Fan. „Wir hatten die Nespresso Jura Maschine“, was einen Haufen Alu-Müll mit sich brachte. Da muss es doch noch eine andere Lösung für guten Geschmack geben, dachte er sich und besuchte, Nord-affin wie er ist, in Hamburg ein Kaffee-Seminar.
Danach unternahm Gerber erste Röstversuche mit einem 300-Gramm-Röster-Profigerät und ließ zunächst Familie und Freunde kosten. „Die meinten, ich würde mich ganz gut anstellen“, erinnert sich der spätberufene Barista schmunzelnd.
2017 meldete er sein Gewerbe im Nebenerwerb an, seit 2019 ist die Rösterei Gerber biozertifiziert. 2021 wagte Gerber den Sprung in den Haupterwerb. „Die Coronazeit habe ich sehr gut weggesteckt“, als Lebensmittelanbieter musste er seinen Laden nicht schließen. Doch dann kamen die Kriege, erst in der Ukraine, nun in Nahost. Seitdem klettern die Rohkaffeepreise in zum Teil horrende Höhe, „stabilisieren sich aber langsam wieder“. Der Ent
„Das ist die Kunst des Röstens, das im besten Fall heraus zu schmecken.“Volker Gerber zu den verschiedenen Aromen und Nuancen des Kaffees
wicklung Rechnung tragend, kehrt Gerber zum Nebenerwerb zurück. „Ich bin ein Kind der Logistik“, im Gewerbepark Bliesen arbeitet er in diesem Bereich als Betriebsleiter. Seine große Leidenschaft gehört aber weiterhin dem Kaffee.
Platz hat Gerber nun genug. In dem lichten Flachbau befinden sich ein größerer und ein kleinerer Ausschankraum mit Sitzmöglichkeiten sowie ein Lager- und Versandraum, wo unter anderem die Säcke mit den verschiedenen Kaffeebohnen stehen.
In einem weiteren separaten Raum verarbeitet Gerber durchschnittlich zwei Tonnen pro Jahr mit seinem „Schätzelein“. So nennt Volker Gerber liebevoll den vollrestaurierten Zwölf-Kilo-Trommelröster der Marke Probat, der „Mercedes unter den Röstern“. Er stammt aus dem Jahr 1955, viel mehr Tradition und „Old School“geht nicht.
Labortechnisch lassen sich bis zu 900 Aromen aus Kaffeebohnen heraus kitzeln. „Das ist die Kunst des Röstens, das im besten Fall herauszuschmecken.“Wobei ähnlich wie bei Wein oder Whiskey das Schmecken gelernt sein will.
Für Interessierte bietet Volker Gerber sowohl Kaffeeverkostungen als auch Röstseminare an. Sein Sortiment besteht derzeit aus einem Espresso namens „Mischen Impossible“, einem entkoffeinierten Arabica, dem hochdekorierten peruanische Tunki („mild, rund und vollmundig zugleich, mit warmen, schokoladigen Noten), drei weiteren Arabicas: Perpetua (Guatemala), Marcala (Honduras) und Kachalou (Kolumbien) sowie einem Kaffeelikör aus selbstgebrannten Bohnen.
Zudem bietet Gerber mit dem „Orang-Utan-Coffee“einen ProjektKaffee an. Dessen Bohnen stammen von ökologischen ArabicaPlantagen entlang des tropischen Regenwaldes der Insel Sumatra. In Nachbarschaft der wenigen verbliebenen Menschenaffen bewirtschaften Kleinbauern diese auf 900 bis 2400 Metern Höhe an zum Teil steilen Hängen. Die Kaffeegärten sind im Besitz von Kleinbauern. Besser entlohnt als Arbeiter auf konventionellen Plantagen, verzichten sie auf Rodungen des Regenwaldes und erhalten so den Lebensraum der Orang-Utans.
Rösten, verpacken, die Ware ausfahren – Volker Gerber kümmert sich um alles selbst. Auch wenn dabei ein Großteil der Freizeit draufgeht. Zu den Kunden, die er regelmäßig beliefert, gehören der Hofladen des Wendelinushofs in St. Wendel und Onkel Toms Hütte in Ottweiler.
Wer vorbeikommen möchte: Für Laufkundschaft öffnet die Kaffeerösterei Gerber freitags von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 11 bis 16 Uhr.