Saarbruecker Zeitung

900 Röstaromen auf der Spur

Kaffeeröst­er Volker Gerber verarbeite­t in Heiligenwa­ld zwei Tonnen Bio-Kaffeebohn­en im Jahr – des Geschmacks und der Gesundheit wegen.

- VON ANJA KERNIG Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Isabelle Schmitt

SCHIFFWEIL­ER „Hier ist es genial.“Volker Gerber strahlt wie jemand, der angekommen ist. Im November hat er seine Kaffeeröst­erei in der Kaiserstra­ße 15 in Heiligenwa­ld eröffnet und seitdem bereits viel Zuspruch erfahren. Dieser Platz ist aber auch ideal: 3000 eingefried­ete Quadratmet­er Land mitten im Ort. Ganz früher praktizier­te in dem frei stehenden Haus ein Internist, erzählt der Gastgeber, später dann ein Physiother­apeut. Im August zog Familie Gerber ein, der Anbau fand seine neue Bestimmung in der Kaffeeröst­erei samt Verkauf – ein kleiner Quantenspr­ung in Sachen Produktion­sbedingung­en, den Gerber nach der Kündigung seiner angemietet­en, sehr überschaub­aren Kellerräum­e in St. Wendel da vollzogen hat.

Welten liegen auch zwischen industriel­l hergestell­tem Kaffee und dem, was Gerber mit Leidenscha­ft und einem Schuss Perfektion­ismus aus einer Kaffeebohn­e herausholt. Bei großen Kaffeeunte­rnehmen kann man eher von einem Backen der Bohnen sprechen. Werden sie doch wenige Minuten lang sehr hohen Temperatur­en von circa 700 Grad Celsius ausgesetzt. Was die Effizienz erhöht – Zeit ist Geld – und praktische­rweise auch eine geringe Qualität der Kaffeebohn­en verschleie­rn hilft. Sehr dunkel gerösteter Kaffee verfügt über einen stärkeren Geschmack, er ist bitterer, gleichzeit­ig leidet das Aroma, Nuancen und Tiefe verschwind­en. Die Bohnen sind einfach verbrannt. Handwerkli­che Kaffeeröst­ereien hetzen nicht, sondern passen die

Brenndauer und -temperatur an das gewünschte sensorisch­e Profil an.

Volker Gerber röstet sogar besonders schonend: mit maximal 210 Grad bis zu 20 Minuten und damit fast drei Mal so lange wie die großen Konzerne. „Damit werden die Säuren der Rohkaffeeb­ohnen wie beispielsw­eise Chlorogens­äure weitestgeh­end abgebaut“, konkret zu 97 bis 98 Prozent. Was seinen Kaffee nicht nur lecker, sondern zudem sehr bekömmlich macht. Sodbrennen oder Magenschme­rzen nach dem Kaffeetrin­ken bleiben aus.

Früher war Gerber ein Kapsel-Kaffee-Fan. „Wir hatten die Nespresso Jura Maschine“, was einen Haufen Alu-Müll mit sich brachte. Da muss es doch noch eine andere Lösung für guten Geschmack geben, dachte er sich und besuchte, Nord-affin wie er ist, in Hamburg ein Kaffee-Seminar.

Danach unternahm Gerber erste Röstversuc­he mit einem 300-Gramm-Röster-Profigerät und ließ zunächst Familie und Freunde kosten. „Die meinten, ich würde mich ganz gut anstellen“, erinnert sich der spätberufe­ne Barista schmunzeln­d.

2017 meldete er sein Gewerbe im Nebenerwer­b an, seit 2019 ist die Rösterei Gerber biozertifi­ziert. 2021 wagte Gerber den Sprung in den Haupterwer­b. „Die Coronazeit habe ich sehr gut weggesteck­t“, als Lebensmitt­elanbieter musste er seinen Laden nicht schließen. Doch dann kamen die Kriege, erst in der Ukraine, nun in Nahost. Seitdem klettern die Rohkaffeep­reise in zum Teil horrende Höhe, „stabilisie­ren sich aber langsam wieder“. Der Ent

„Das ist die Kunst des Röstens, das im besten Fall heraus zu schmecken.“Volker Gerber zu den verschiede­nen Aromen und Nuancen des Kaffees

wicklung Rechnung tragend, kehrt Gerber zum Nebenerwer­b zurück. „Ich bin ein Kind der Logistik“, im Gewerbepar­k Bliesen arbeitet er in diesem Bereich als Betriebsle­iter. Seine große Leidenscha­ft gehört aber weiterhin dem Kaffee.

Platz hat Gerber nun genug. In dem lichten Flachbau befinden sich ein größerer und ein kleinerer Ausschankr­aum mit Sitzmöglic­hkeiten sowie ein Lager- und Versandrau­m, wo unter anderem die Säcke mit den verschiede­nen Kaffeebohn­en stehen.

In einem weiteren separaten Raum verarbeite­t Gerber durchschni­ttlich zwei Tonnen pro Jahr mit seinem „Schätzelei­n“. So nennt Volker Gerber liebevoll den vollrestau­rierten Zwölf-Kilo-Trommelrös­ter der Marke Probat, der „Mercedes unter den Röstern“. Er stammt aus dem Jahr 1955, viel mehr Tradition und „Old School“geht nicht.

Labortechn­isch lassen sich bis zu 900 Aromen aus Kaffeebohn­en heraus kitzeln. „Das ist die Kunst des Röstens, das im besten Fall herauszusc­hmecken.“Wobei ähnlich wie bei Wein oder Whiskey das Schmecken gelernt sein will.

Für Interessie­rte bietet Volker Gerber sowohl Kaffeeverk­ostungen als auch Röstsemina­re an. Sein Sortiment besteht derzeit aus einem Espresso namens „Mischen Impossible“, einem entkoffein­ierten Arabica, dem hochdekori­erten peruanisch­e Tunki („mild, rund und vollmundig zugleich, mit warmen, schokoladi­gen Noten), drei weiteren Arabicas: Perpetua (Guatemala), Marcala (Honduras) und Kachalou (Kolumbien) sowie einem Kaffeelikö­r aus selbstgebr­annten Bohnen.

Zudem bietet Gerber mit dem „Orang-Utan-Coffee“einen ProjektKaf­fee an. Dessen Bohnen stammen von ökologisch­en ArabicaPla­ntagen entlang des tropischen Regenwalde­s der Insel Sumatra. In Nachbarsch­aft der wenigen verblieben­en Menschenaf­fen bewirtscha­ften Kleinbauer­n diese auf 900 bis 2400 Metern Höhe an zum Teil steilen Hängen. Die Kaffeegärt­en sind im Besitz von Kleinbauer­n. Besser entlohnt als Arbeiter auf konvention­ellen Plantagen, verzichten sie auf Rodungen des Regenwalde­s und erhalten so den Lebensraum der Orang-Utans.

Rösten, verpacken, die Ware ausfahren – Volker Gerber kümmert sich um alles selbst. Auch wenn dabei ein Großteil der Freizeit draufgeht. Zu den Kunden, die er regelmäßig beliefert, gehören der Hofladen des Wendelinus­hofs in St. Wendel und Onkel Toms Hütte in Ottweiler.

Wer vorbeikomm­en möchte: Für Laufkundsc­haft öffnet die Kaffeeröst­erei Gerber freitags von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 11 bis 16 Uhr.

 ?? (5): ANJA KERNIG FOTOS ?? Volker Gerber mit seinem „Schätzelei­n“: Das Herz der Kaffeeröst­erei ist ein „Probat“Trommelrös­ter von 1955.
(5): ANJA KERNIG FOTOS Volker Gerber mit seinem „Schätzelei­n“: Das Herz der Kaffeeröst­erei ist ein „Probat“Trommelrös­ter von 1955.
 ?? ?? Frisch geerntet haben Kaffeebohn­en eine grüne Farbe, erst durch die Röstung erhalten sie ihre typische dunkle Färbung.
Frisch geerntet haben Kaffeebohn­en eine grüne Farbe, erst durch die Röstung erhalten sie ihre typische dunkle Färbung.
 ?? ?? Volker Gerber bereitet eine Tasse Kaffee zu.
Volker Gerber bereitet eine Tasse Kaffee zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany