Leverkusener Machtdemonstration
Der Bundesliga-Spitzenreiter besiegt den FC Bayern verdient mit 3:0. Taktischer Schachzug von Alonso geht voll auf.
LEVERKUSEN (dpa) Als er nach seinem Auftritt als Vorsänger vom Zaun geklettert war, wollte sich Lukas Hradecky schnell ins nächste Getümmel stürzen. „Ich brauche keine Ausrede, um was zu trinken“, sagte der Kapitän von Bayer Leverkusen auf die Frage, ob er nun noch in den rheinischen Karneval ziehe. „Ich gehe sicherlich in die Altstadt“, sagte Hradecky. Und fügte an: „Macht das Interview kurz, damit ich es bald genießen kann.“Nach dem 3:0 im Topspiel der Fußball-Bundesliga gegen den FC Bayern München herrsche bei Bayer „Euphorie pur“.
Trainer Xabi Alonso hielt den feierfreudigen Finnen nicht auf. „Heute dürfen wir feiern. Vielleicht morgen auch noch“, sagte der Spanier: „Aber ab Montag beginnt die Vorbereitung auf das neue Spiel.“Alonso, den sein Verein nach der taktischen Meisterleistung am Samstagabend in den sozialen Medien als „El Profesor“adelte, kann seinen Spielern die lange Leine gewähren. Weil er weiß, dass sie nicht über die Stränge schlagen. Zum einen aus Respekt vor dem ebenso väterlichen wie strengen Trainer. Aber auch wegen der großen Chance auf den ersten Meistertitel. Dieser ist angesichts des auf fünf Punkte angewachsenen Vorsprungs und der Demonstration der Stärke im direkten Duell gegen die Bayern nun greifbar nahe.
Die Worte „Meisterschaft“oder „Titel“benutzt in Leverkusen immer noch kaum jemand. Die Ausnahme war der wieder einmal bärenstarke Alejandro Grimaldo, über den Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß unter der Woche gesagt hatte, ihn habe bis zum Bayer-Transfer „kein
Mensch“gekannt. Auf den „Vizekusen“-Mythos angesprochen, sagte er: „Davon habe ich gehört. Aber vielleicht können wir dieses Jahr ja die Meisterschaft gewinnen.“
Seine Kollegen formulierten dies zumindest verklausuliert. „Es gibt noch ein paar Punkte zu holen“, sagte Abwehrchef Jonathan Tah: „Aber jeder weiß, was passiert, wenn wir viele Punkte sammeln.“Und Hradecky erklärte: „Das war ein super Schritt in unserem Saison-Marathon. Es sind noch 13 Schritte zu gehen. Wir müssen demütig bleiben. Aber wir wissen, was wir können.“
Alonso unterbindet solche Aussagen nicht. Ihm persönlich würden sie zu weit gehen. „Wir sind natürlich zufrieden. Aber wir haben erst Februar“, sagte der Coach, der in seiner Karriere als Profi insgesamt 18 Titel gewann. Mehr war ihm nicht zu entlocken. Doch auch Alonso ist die Chance, mit Leverkusen Historisches zu schaffen, bewusst. Der frühere Bayern-Star ist der Vater dieser Erfolgsgeschichte. Denn der 42-Jährige ist zwar ein akribischer Arbeiter, der nichts dem Zufall überlässt. Aber „El Profesor“ist auch ein Zocker, der ohne Rücksicht auf das eigene Risiko im Falle des Misslingens Dinge ausprobiert, wenn ihm das Bauchgefühl dazu rät.
Gegen die Bayern überraschte er mit der Maßnahme, Jeremie Frimpong, Patrick Schick und Jonas Hofmann aus dem Team zu rotieren. Wie gut diese aufging, zeigte nicht nur die Tatsache, dass FrimpongVertreter Josip Stanisic, die Leihgabe des FC Bayern, das 1:0 erzielte und Frimpong nach seiner Einwechslung das 3:0. Alonso vermittelt den Glauben an sich und seine Ideen. Und das kommt an. Fast neidisch klang da die Aussage von BayernIkone Thomas Müller, bei Leverkusen habe man „das Gefühl, dass sie miteinander viel Spaß haben“.
Bei den Bayern hängt der Haussegen dagegen gewaltig schief. Trainer Thomas Tuchel, der mit seiner ungewohnten Dreierkette in der Abwehr im Vergleich zu Alonso gründlich daneben lag, ist vor der wichtigen Woche mit dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Lazio Rom mindestens in Erklärungsnot. „Das war unsere schlechteste Leistung am wichtigsten Tag und im wichtigsten Spiel“, sagte Kapitän Manuel Neuer sichtlich genervt.