Saarbruecker Zeitung

„K“wie kriegstüch­tig und ein Gruß von Trump

Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius sind beim Spatenstic­h für eine neue Munitionsf­abrik von Rheinmetal­l dabei.

- VON JAN DREBES UND HOLGER MÖHLE Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Markus Renz

Pistorius hat das K-Wort tatsächlic­h ausgesproc­hen. Nein, es ging nicht um die Kanzlerkan­didatur seiner Partei, der SPD, sondern darum, wie die Truppe möglichst schnell „kriegstüch­tig“werden kann. „K“wie Krieg. „Wir müssen kriegstüch­tig werden. Wir müssen wehrhaft sein“, hatte der Verteidigu­ngsministe­r Ende vergangene­n Jahres gesagt. Über diese Vokabel sind die Genossinne­n und Genossen in der SPD nicht in Jubel ausgebroch­en. Auch die Grünen haben Bauchschme­rzen dabei. Mit einem Statement zur Notwendigk­eit der deutschen Kriegstüch­tigkeit wäre Pistorius vor Beginn des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine Protest garantiert gewesen. Aber nun sind der Verteidigu­ngsministe­r und Bundeskanz­ler Olaf Scholz (beide SPD) am Montag Zeuge eines Beweises deutscher Kriegstaug­lichkeit. Im niedersäch­sischen Unterlüß (Landkreis Celle) sind sie beim Spatenstic­h für eine neue Munitionsf­abrik von Rheinmetal­l dabei.

Der Rüstungsko­nzern will die Versorgung der Bundeswehr mit Munition aus Deutschlan­d sicherstel­len. In dem neuen Werk sollen künftig Artillerie­munition, Sprengstof­f und Komponente­n für Raketenart­illerie gefertigt werden. Die Produktion soll nächstes Jahr anlaufen, zunächst bei rund 50 000 Artillerie­granaten liegen und später auf 200 000 Granaten pro Jahr gesteigert werden. Rheinmetal­l will 300 Millionen Euro investiere­n, rund 500 neue Arbeitsplä­tze sollen entstehen. Die Produktion werde voraussich­tlich kommendes Jahr beginnen.

Rheinmetal­l schafft nach eigenen Angaben mit dem neuen Werk die Möglichkei­t, den Bedarf der Bundeswehr an Munition aus der Fertigung in der Bundesrepu­blik zu decken und auch etwa in einem möglichen Krisenfall Abgaben an Partnersta­aten zu gewährleis­ten. Abhängigke­iten von Exportfrei­gaben anderer Länder sollen damit für die Bundesrepu­blik wegfallen. Die Bundeswehr benötigt Artillerie­munition, aber auch andere Nato-Partner und vor allem die Ukraine sind dringend darauf angewiesen.

In der Ukraine werde sich entscheide­n, „ob unsere Friedensor­dnung, ob unsere regelbasie­rte Welt eine Zukunft hat“, betonte Scholz bei dem Besuch. „Russland muss scheitern mit dem Versuch, sich mit Gewalt seinen Nachbarsta­at einzuverle­iben.“Hier müssten nicht nur die USA, sondern auch die europäisch­en Länder „noch mehr tun zur Unterstütz­ung“, sagte der Kanzler. „Die bisherigen Zusagen reichen schlicht nicht aus.“Man müsse hin zur Großserien-Fertigung von Rüstungsgü­tern, sagte Scholz. Dies sei „dringend erforderli­ch. Denn so hart diese Realität auch ist: Wir leben nicht in Friedensze­iten“, betonte der Kanzler. Russlands Angriffskr­ieg in der Ukraine und von Präsident Wladimir Putin offen formuliert­e „imperiale Ambitionen“seien „eine große Gefahr für die europäisch­e Friedensor­dnung“. In dieser Lage gelte: „Wer Frieden will, der muss mögliche Aggressore­n erfolgreic­h abschrecke­n.“

Der Bau passt zur politische­n Lage, wo doch der irrlichter­nde Donald Trump, wahrschein­licher Präsidents­chaftskand­idat der US-Republikan­er, gerade im eigenen Wahlkampf laut darüber nachgedach­t hat, dass er Nato-Partner, die das Zwei-ProzentZie­l der Nato nicht erfüllten, auch nicht vor Russland schützen werde.

Und er Russlands Präsident Wladimir Putin gar dazu ermunterte, mit solchen säumigen Alliierten zu tun und lassen, was er wolle.

Der Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz, Christoph Heusgen, versammelt in wenigen Tagen die Welt der Außen- und Sicherheit­spolitik unter einem Dach in der bayerische­n Landeshaup­tstadt. Zu Wochenbegi­nn wird er in Berlin bei der Auftaktver­anstaltung zur Konferenz nach Trump gefragt. Zündelt der frühere US-Präsident gerade an einem Fundament der Nato, der Beistandsg­arantie nach Artikel fünf des Nordatlant­ikvertrage­s? Heusgen will kein Öl ins Feuer gießen und sagt, die Aussage von Trump sei „nicht überrasche­nd“. Schließlic­h habe dieser bereits 2017 als US-Präsident die Nato-Partner dazu aufgeforde­rt, ihre Verteidigu­ngsausgabe­n zu erhöhen. Und jetzt habe er diese Forderung „auf die ihm eigene Art nochmal betont“.

Schon die damalige Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte kurz nach der Amtsüberna­hme von Trump daran erinnert, dass die Europäer sich selbst stärker um ihre Sicherheit kümmerten müssten. Ob der Beistandsp­akt der Nato in Gefahr sei, sollte Trump im November tatsächlic­h erneut zum US-Präsidente­n gewählt werden?

Heusgen: „Ich will da jetzt überhaupt nicht spekuliere­n“. Schon US-Präsident Barack Obama habe Europa ermahnt, mehr für die eigene Sicherheit zu tun. „Wir müssen einfach unsere Hausaufgab­en machen.“Es sei einem US-Steuerzahl­er auch nicht zu erklären, warum die Vereinigte­n Staaten etwa 3,5 Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung für Verteidigu­ng ausgeben, eine Wirtschaft­snation wie Deutschlan­d bis vor kurzem aber nur 1,4 Prozent.

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FOTO: F. BIMMER/AP Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) eckte mit seinen Äußerungen in der eigenen Partei an.

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