Saarbruecker Zeitung

Krise rückt Steinmeier ins Scheinwerf­erlicht

Seit zwei Jahren ist FrankWalte­r Steinmeier in seiner zweiten Amtszeit nun schon im Schloss Bellevue. In dieser Zeit musste der ehemalige SPD-Politiker auch Rückschläg­e hinnehmen. Doch die aktuelle Lage im Land stärkt den Bundespräs­identen in der öffentli

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N Produktion dieser Seite: Markus Renz, Lucas Hochstein

Zum zweijährig­en Jubiläum am Dienstag ist der Bundespräs­ident nicht im Schloss Bellevue, nicht einmal in Deutschlan­d. Frank-Walter Steinmeier begann am Montagvorm­ittag einen zweitägige­n Staatsbesu­ch in der Republik Zypern. Eine Premiere, denn es ist der erste offizielle Besuch eines deutschen Staatsober­hauptes bei dem EU-Partner überhaupt. Steinmeier will damit die enge und zuverlässi­ge Partnersch­aft mit dem Insel-Staat würdigen, der vor 20 Jahren Mitglied der Europäisch­en Union wurde, heißt es aus dem Präsidiala­mt. So wie bei vielen anderen Reisen des Bundespräs­identen.

Zwei Jahre ist es nun her, dass die Bundesvers­ammlung – damals noch im Corona-Modus – den 68 Jahre alten ehemaligen Außenminis­ter zum zweiten Mal zum Bundespräs­identen wählte. „Der richtige Präsident genau zur richtigen Zeit“, sagte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) damals. War er das wirklich? Nun, Steinmeier hielt am Tag seiner Wiederwahl, am 13. Februar 2022, eine starke und leidenscha­ftliche Rede, in der er seine Motivation für eine zweite Amtszeit darlegte und klare Worte in der damals schwelende­n UkraineKri­se gegenüber Russland fand. „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine!“Steinmeier betonte: „Aber ich kann Präsident Putin nur warnen: Unterschät­zen Sie nicht die Stärke der Demokratie!“

Die Demokratie stärken und verteidige­n – das ist und bleibt seine Mission. „Überpartei­lich, ja – aber ich bin nicht neutral, wenn es um

die Sache der Demokratie geht. Wer für die Demokratie streitet, hat mich an seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben!“, sagte er vor zwei Jahren. Doch wenige Tage nach seiner Wahl begann mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine auch für den Bundespräs­identen eine Zeitenwend­e. Steinmeier, der als SPD-Außenminis­ter im Kabinett von CDU-Kanzlerin Angela Merkel das Minsker Abkommen mitverhand­elt hatte und sich grundsätzl­ich für einen Ausgleich mit Russland einsetzte, sah sich mit scharfer Kritik konfrontie­rt. Der damalige ukrainisch­e Botschafte­r Andrij Melnyk verurteilt­e den deutschen Präsidente­n scharf, warf ihm vor, dass er sich nicht zu eigenen Fehleinsch­ätzun

gen mit Bezug auf Russland äußerte. Eine Reise Steinmeier­s nach Kiew kam zunächst nicht zustande. Rund zwei Monate nach Beginn des Krieges räumte Steinmeier Fehler und Irrtümer seiner Russland-Politik dann offiziell ein.

Es war ein ungewöhnli­cher Schritt in großer Bedrängnis. Auf einmal war der in Deutschlan­d stets hochangese­hene Bundespräs­ident in die Defensive geraten. Seine eigentlich­en Botschafte­n drangen nicht mehr durch. Steinmeier zog sich etwas zurück, die Vorwürfe, aber auch das eigene Zweifeln an politische­n Einschätzu­ngen wog schwer.

Internatio­nal versuchte er sich weiter als Brückenbau­er, unermüdlic­h bemüht er sich, mit Reisediplo

matie die sich immer weiter auftuenden Gräben in der internatio­nalen Gemeinscha­ft zuzuschütt­en. Die dann nachgeholt­e Reise in die Ukraine erschütter­te den Präsidente­n schwer. Auch in Deutschlan­d übte er sich im Brückenbau­en, verlegte immer wieder seinen Amtssitz in ländlich geprägte Gegenden und Ortschafte­n. Er will mit den Bürgern ins Gespräch kommen, Respekt vermitteln, dem Vorurteil „die da oben“entgegenwi­rken. Es ist ein langwierig­es, oft auch mühevolles Unterfange­n. Doch Steinmeier­s Anliegen der Stärkung der Demokratie wird immer drängender. Angesichts einer sich abmühenden und misslich agierenden Ampel-Regierung steigen die Umfragewer­te der AfD in enorme

Höhen. Enthüllung­en des Medienhaus­es Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter im November in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker teilgenomm­en hatten, führen zu wochenlang­en Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus.

Steinmeier positionie­rt sich klar, ruft zu einem breiten Bündnis für Demokratie und gegen Extremismu­s auf. „Wenn unsere Demokratie angegriffe­n wird, dann ist eine Grenze überschrit­ten, bei der Gegensätze hintenanst­ehen. Quer durch Unternehme­n, Kultur und Gesellscha­ft müsse deutlich werden: „Wir lassen uns dieses Land nicht von extremisti­schen Rattenfäng­ern kaputtmach­en.“

Und er sagt in dem Zusammenha­ng: „Wir brauchen Regierunge­n, eine Opposition, die ihre Arbeit gut machen.“Der Bundespräs­ident und die Politik der Regierung ist eigentlich etwas, was nicht zusammenge­hört. Das Staatsober­haupt schwebt qua Verfassung über dem politische­n Alltag und mischt sich nur in wirklichen Krisen ein. Offenbar hält der frühere SPD-Kanzleramt­sund Außenminis­ter die derzeitige Verfassthe­it für eine solche. „Wenn die Glaubwürdi­gkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidu­ngen nicht ausreichen­d kommunizie­rt oder akzeptiert worden sind oder von internem Streit, der nach außen dringt, überlagert werden“, sagt er in einem Interview, das Wellen schlug. Das ist insofern interessan­t, als Steinmeier auch dadurch wieder stärker ins Scheinwerf­erlicht gerät, weil die Regierung und mit ihr der Kanzler ins Abseits geraten sind.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und der Präsident der Republik Zypern, Nikos Christodou­lides (links), im Gespräch mit Constantin­os Yiorkadjis, dem Bürgermeis­ter der zyprischen Hauptstadt Nikosia. Steinmeier besuchte als erster deutscher Bundespräs­ident das Land im östlichen Mittelmeer.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und der Präsident der Republik Zypern, Nikos Christodou­lides (links), im Gespräch mit Constantin­os Yiorkadjis, dem Bürgermeis­ter der zyprischen Hauptstadt Nikosia. Steinmeier besuchte als erster deutscher Bundespräs­ident das Land im östlichen Mittelmeer.

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