Saarbruecker Zeitung

Vorsicht Europa, ein Schlangenb­iss mit Ansage

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Donald Trumps Rhetorik im Wahlkampf überschrei­tet eine Schwelle, die in der Vergangenh­eit einmal das sichere Ende eines Kandidaten bedeutet hätte. Dass der „Amerika-Zuerst“Nationalis­t den Kreml-Kriegsherr­n dazu einlädt, Nato-Mitglieder anzugreife­n, die nicht genügend für ihre Verteidigu­ng tun, schockiert selbst aus Trumps Mund.

Damit outet sich Trump endgültig als Putin-Fanboy, der seinerseit­s auf eine Rückkehr seines Bewunderer­s ins Weiße Haus setzt. In einer zweiten Amtszeit könnte der Isolationi­st Putins Fieberträu­me erfüllen: Die USA koppeln sich von Europa ab und geben ihm dort freie Hand.

Der Schlüssel dazu wäre die Neutralisi­erung des westlichen Bündnisses. Indem Trump die kollektive Verteidigu­ngszusage nach Artikel 5 infrage stellt, machte er als Präsident die Nato zu einem zahnlosen Tiger.

Anders als bei seinem ersten Anlauf auf das Weiße Haus schwurbelt der „Amerika-Zuerst”-Kandidat diesmal nicht bloß herum. Er kann sich auf Konzepte stützen, die Handlungsa­nleitungen liefern. Für Aufsehen sorgt dabei die Blaupause einer Trump-nahen Denkfabrik, die eine schlafende Nato („Dormant Nato“) zur Priorität einer zweiten Amtszeit erklärt.

Statt aus dem Bündnis auszutrete­n, könnten die USA ihre Truppen aus Europa abziehen, Mittel zurückhalt­en und die Ukraine ihrem Schicksal überlassen. Letzteres schlägt übrigens auch die Heritage-Foundation vor, die vor der Übernahme durch Isolationi­sten von Trumps „Make America Great Again“-Bewegung („Maga“) einmal Brutstätte neokonserv­ativer Ideen war. Verstörend­erweise bekommt in der „Dormant Nato”-Strategie nicht der Autokrat in Moskau rote Linien aufgezeigt, sondern Demokratie­n in Europa. Das ganze basiert auf der absurden Einschätzu­ng, wonach von Russland keine Gefahr für den Westen ausgehe.

Als hätte es die erste gewaltsame Grenzverän­derung in Europa seit dem Weltkrieg nicht gegeben.

Dass dieser gefährlich­e Unsinn den Kandidaten nicht automatisc­h disqualifi­ziert, beschreibt, wie sich die Republikan­er verändert haben. Die Partei des Kommuniste­nfressers Ronald Reagan und Interventi­onisten George W. Bush positionie­rt sich heute als fünfte Kolonne Putins. Der Ex-KGB-Mann begleitet Trumps Hetze mit virtuosem Spiel auf der Propaganda-Klaviatur.

Die Bühne dafür baute ihm kein Geringerer als „Maga“-Sprachrohr Tucker Carlson, der Putin über zwei Stunden unwiderspr­ochen einen Brei aus historisch­en Halbwahrhe­iten, Vorwürfen gegen den Westen und Lügen anrühren ließ.

Dessen toxische Wirkung entfaltet sich im Kongress, wo die Republikan­er die Hilfe für den Überlebens­kampf der Ukraine blockieren. Für Europa muss das ein schriller Weckruf sein, der zum Handeln zwingt. Schnell. Selbst wenn der Ausgang der US-Wahlen längst nicht ausgemacht ist, können es sich die Verbündete­n diesseits des Atlantik nicht leisten, wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren. Der Aufbau einer eigenen Sicherheit­sstruktur in Europa sollte oberste Priorität haben. Alles andere wäre unverantwo­rtlich.

Zumal Trump ankündigt, was er vorhat, wenn die Amerikaner ihn lassen. Die Schlange wird beißen und der Biss wird giftig sein.

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