Das Ende des Aufschwungs im Nahen Osten
Die wirtschaftlichen Folgen des Gaza-Krieges beliefen sich im Dezember in Ägypten, Jordanien und Libanon auf insgesamt zehn Milliarden Dollar.
Für den Fremdenverkehr vom Libanon bis nach Ägypten lief es gerade so gut. Die Pandemie war überwunden, die Besucherzahlen in Nahost kletterten im vergangenen Jahr so schnell wie in keiner anderen Region der Welt: Zwischen Januar und Juli reisten mehr als 20 Prozent mehr Urlauber in die Gegend als vor Corona, wie die Uno errechnete. Ägypten, eines der Hauptreiseziele in der Region, verdiente 15 Milliarden Dollar an den Touristen, so viel wie nie zuvor. Dann kam der Gaza-Krieg. Seit dem 7. Oktober ist der Tourismus eingebrochen, internationale Reedereien meiden das Rote Meer und den Suezkanal. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für dieses Jahr mit einem schrumpfenden Wachstum in der Region. Hunderttausenden Menschen droht der Absturz in die Armut.
Als Kriegspartei ist auch Israel betroffen: Es kommen so gut wie keine Touristen mehr. Der Krieg kostet das Land nach Medienberichten rund 260 Millionen Dollar pro Tag. Allerdings hat Israel mit einer Wirtschaftsleistung von 500 Milliarden Dollar im Jahr und moderner Infrastruktur wesentlich bessere Voraussetzungen als andere Staaten der Region, um nach dem Krieg wirtschaftlich schnell wieder auf die Beine zu kommen.
Dagegen gehen Länder wie Ägypten, die schon vor dem Krieg mit strukturellen Problemen zu kämpfen hatten, selbst bei einem raschen Ende des Krieges auf schwierige Zeiten zu. „Eine schnelle Erholung wird es für Ägypten und andere Länder im Nahen Osten und Nordafrika wohl kaum geben“, sagt Robert Mogielnicki, Wirtschaftsexperte beim Arab Gulf State Institute in Washington. Der Rückgang des Frachtverkehrs durch das Rote Meer und den Suezkanal verschärfe die Krise dort noch.
Seit die Huthi im Jemen mit ihren Angriffen auf Schiffe im Roten Meer begonnen haben, ist die Zahl der
Frachter im Suezkanal stark zurückgegangen. Im Januar sanken die Einnahmen Ägyptens aus den Durchfahrtgebühren am Kanal um fast die Hälfte.
Schon im Dezember beliefen sich die wirtschaftlichen Folgeschäden des Krieges in Ägypten, Jordanien und Libanon – drei Länder, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Kriegsgebietes befinden, – auf insgesamt zehn Milliarden Dollar, schätzte die UN-Entwicklungsorganisation UNDP damals. In diesem Jahr erwartet der IWF noch ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent, das ist ein halber Prozentpunkt weniger als noch im Oktober prognostiziert.
Touristen reagieren sensibel auf Krisen. Selbst in der türkischen Metropole Istanbul, mehr als 1000 Kilometer von Gaza entfernt, seien seit Oktober viele Buchungen storniert worden, sagt ein Hotelmanager am Bosporus. Auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Israel und muslimischen Staaten der Region leiden unter dem Krieg. Der Handelsaustausch zwischen Israel und der Türkei hat sich halbiert.
In reichen arabischen Staaten sind Wirtschaftsreformen in Gefahr. Der Öl-Gigant Saudi-Arabien, der seine Wirtschaft mit Milliardeninvestitionen zukunftsfähig machen will, spürt derzeit zwar noch keine großen Beeinträchtigungen durch den Krieg. Auch das Interesse deutscher Firmen am Königreich wächst weiter. „Wir haben viel Nachfrage von deutschen Unternehmen, die sich Saudi-Arabien anschauen wollen“, sagt Dalia Samra-Rohte, Delegierte der deutschen Wirtschaft bei der Auslandshandelskammer Riad. „Im Tagesgeschäft geht hier der Aufschwung weiter“, sagte Samra-Rohte. Kleinere Probleme gibt es laut der Wirtschaftsexpertin zurzeit allenfalls durch die Störung der Lieferketten.
Wie schnell die Wirtschaft in der Region nach einem Ende des Krieges aus der Krise kommt, hängt nicht nur von einem Ende der Kämpfe ab, sondern auch vom politischen Rahmen.
„Eine schnelle Erholung wird es für Ägypten und andere Länder im Nahen Osten und Nordafrika wohl kaum geben.“Robert Mogielnicki Wirtschaftsexperte beim Arab Gulf State Institute